Literaturnobelpreis geht an Ungarn László Krasznahorkai
9. Oktober 2025
Seit Jahren zählte er zu den Favoriten, jetzt ist es soweit: László Krasznahorkai aus Ungarn wird mit dem Nobelpreis für Literatur ausgezeichnet. Das gab die Schwedische Akademie in Stockholm bekannt.
László Krasznahorkai erfuhr in Deutschland von der Preisvergabe Bild: Mirco Toniolo/Avalon/picture alliance
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Der 71-jährige László Krasznahorkai aus Ungarn werde "für sein überwältigendes und visionäres Werk geehrt, das inmitten eines apokalyptischen Terrors die Macht der Kunst bekräftigt", erklärte die Schwedische Akademie in Stockholm. Vielen Experten gilt er als der bedeutendste ungarische Autor der Gegenwart.
Krasznahorkai, der auch einen deutschen Pass besitzt, weilt gerade in Frankfurt. Dort erfuhr er auch, dass er den Literaturnobelpreisbekommt. "Ich bin sehr glücklich, ich bin ruhig und gleichzeitig sehr aufgeregt", sagte der Schriftsteller dem schwedischen Rundfunksender Sveriges Radio. "Es ist mein erster Tag als Nobelpreisträger."
Geboren am 5. Januar 1954 in Gyula als Sohn eines Anwalts, studierte er zunächst Jura in Szeged, später Hungaristik und Philosophie in Budapest. Sein 1985 erschienener Debütroman "Satanstango" und viele weitere Werke wurden international ausgezeichnet und teils verfilmt. Seine Werke werden häufig als postmodern und stark beeinflusst von Literaturgrößen wie Franz Kafka und Samuel Beckett beschrieben.
"Jedes meiner Bücher soll die literarische Landkarte verschieben", sagte Krasznahorkai einmal. Seine Werke wurden in über 30 Sprachen übersetzt und behandeln häufig das Leben in Krisensituationen sowie grundlegende Fragen der menschlichen Existenz.
Krasznahorkai: ein "Meister der Apokalypse"
Krasznahorkais Bücher sind bekannt für ihren düsteren Stil und ihre komplexe Sprache. Die 2004 verstorbene bekannte US-amerikanische Schriftstellerin und Regisseurin Susan Sontag nannte den Autor daher den "Meister der Apokalypse".
László Krasznahorkais Bücher wurden in mehr als 30 Sprachen übersetztBild: Jonathan Nackstrand/AFP/Getty Images
Steve Sem-Sandberg vom zuständigen Nobelkomitee bestätigt diese Einschätzung. "Und damit steht er noch mehr im Einklang mit den heutigen Zeiten als vielleicht mit denen im Jahr 1985", sagte er.
Krasznahorkais Romane, Erzählungen und Essays sind inspiriert von seinen Erfahrungen in der Zeit des Kommunismus und durch seine Reisen ins Ausland, die ihn auch in die Mongolei, nach China und Japan führten.
Gerade "Satanstango", "Die Melancholie des Widerstands" und "Krieg und Krieg" haben einen großen Einfluss auf die europäische Gegenwartsliteratur ausgeübt. Krasznahorkais zuletzt erschienener Band mit Erzählungen "Im Wahn der Anderen" (2023) handelt u.a. von einem New Yorker Bibliothekar, der sich auf den Spuren des Moby-Dick-Autoren Herman Melville verliert. In einer anderen Geschichte endet eine labyrinthische Verfolgungsjagd quer durch Europa auf einer abgelegenen Insel. Doch hier lauert keine Rettung, sondern eine Falle.
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Mehrfach preisgekrönt
Krasznahorkai wurde bereits mit zahlreichen internationalen Preisen ausgezeichnet, darunter der International Man Booker Prize 2015. Damals lobte die Jury sein Werk für seine "außergewöhnlichen Sätze von unglaublicher Länge, die sich bis ins Unermessliche ausdehnen, deren Tonfall von feierlich zu verrückt, zu fragend und schließlich zu trostlos wechselt, während sie ihren eigenwilligen Weg gehen (...).“
Krasznahorkai ist erst der zweite ungarische Literaturnobelpreisträger. Zuvor wurde 2002 sein Landsmann Imre Kertész ausgezeichnet.
Ungarns berühmteste Schriftsteller
Neben der Musik ist die Literatur in Ungarn die bedeutendste Kunstform. Das Land hat unzählige talentierte Schriftsteller hervorgebracht. Einige von ihnen sorgen noch heute für politische Kontroversen.
Bild: Carlos Alvarez/Getty Images
Sandor Petöfi (1823-1849)
Bis heute gilt Sándor Petőfi als Ungarns Nationaldichter schlechthin. Sein "Nationallied" wurde zur Hymne der Revolution von 1848, in der die Ungarn gegen die herrschenden Habsburger aufbegehrten. In einer der letzten Schlachten der Revolution fiel Petöfi und wurde so zum Märtyrerdichter. Heute sind in Ungarn unzählige Straßen, Schulen, Plätze und Brücken nach ihm benannt.
Bild: picture-alliance/akg-images
Péter Eszterházy (1950-2016)
Er gilt als einer der einflussreichsten ungarischen Schriftsteller des 20. Jahrhunderts. In seinem Hauptwerk "Harmonia Caelestis" zeichnet Eszterházy in kunstvoller Weise die komplexe Geschichte Ungarns entlang seiner eigenen Familiengeschichte nach. Seine Arbeiten wurden auch außerhalb Ungarns vielfach ausgezeichnet. Aus dem neuen Lehrplan der Orbán-Regierung wurde er entfernt.
Bild: Public Domain
Imre Kertész (1929-2016)
Auch er soll nicht mehr zur Pflichtlektüre an ungarischen Schulen gehören. Dabei ist Imre Kertész der einzige Literaturnobelpreisträger des Landes. In seinem bekanntesten Werk "Roman eines Schicksallosen" verarbeitet er seine persönlichen Erfahrungen im Konzentrationslager Auschwitz und Buchenwald. Später betonte Kertész immer wieder die Mitschuld Ungarns am Holocaust.
Auch Miklós Radnoti war Schriftsteller jüdischer Herkunft. Während des Zweiten Weltkriegs musste er mehrfach als Zwangsarbeiter an die Front. Seine Erfahrungen hielt er in eindrücklichen Gedichten fest. Später wurde er auf einen der berüchtigten Todesmärsche geschickt. Trotz der Strapazen schrieb er weiterhin Gedichte. Im November 1944 wurde er wegen körperlicher Erschöpfung ermordet.
Bild: Gemeinfrei
József Attila (1905-1937)
Vom armen Straßenjungen avancierte József Attila bereits als Jugendlicher zu einem der berühmtesten Lyriker seiner Zeit. Seine Gedichte eckten an, provozierten. 2011 plante die Orbán-Regierung, ein Denkmal des Schriftstellers nahe des Parlaments wegen dessen kommunistischer Gesinnung zu entfernen. Nach massiven Protesten von Künstlern und Intellektuellen ließ sie jedoch davon ab.
Bild: picture-alliance/dpa/MTI
Magda Szabó (1917-2007)
Magda Szabó war eine der herausragendsten weiblichen Stimmen in der stets von Männern dominierten ungarischen Literaturwelt. Oft spielen starke Frauen die Hauptrolle in ihren Romanen. Im kommunistischen Ungarn durfte sie lange Zeit nicht publizieren. Seit den späten 1950er Jahren schrieb Szabó zahlreiche Bücher, vor allem Romane, die in über 30 Sprachen übersetzt wurden.
Bild: picture-alliance/dpa/EPA/A. Kovacs
Margit Kaffka (1880-1918)
Auch Margit Kaffka machte die gesellschaftliche Rolle der Frau zu einem zentralen Thema ihres schriftstellerischen Schaffens. Bereits als junge Frau schrieb sie für das einflussreiche Literaturjournal "Nyugat" (dt. Westen). 1912 erschien ihr berühmtester Roman "Színek és Évek" (dt. Farben und Jahre). Sechs Jahre später starb Kaffka an der Spanischen Grippe.
Bild: Gemeinfrei
Endre Ady (1877-1919)
Ein großer Bewunderer von Kaffkas Werk und zeitweise Herausgeber von "Nyugat" war Endre Ady. In seinen Gedichten prangerte er soziale Missstände und den aufkeimenden Nationalismus im Ungarn des frühen 20. Jahrhunderts an. Immer wieder ging er nach Paris, ließ sich von den Werken Baudelaires beeinflussen. Bis heute gilt er als einer der bedeutendsten Dichter Ungarns.
Bild: picture-alliance/dpa/MTI
László Krasznahorkai (*1954)
László Krasznahorkai zählt zu den bedeutendsten zeitgenössischen Literaten Ungarns. Seine oft düsteren Romane wie "Satantango" wurden vielfach übersetzt und machten ihn weit über die Landesgrenzen hinaus bekannt. Viele seiner Bücher wurden vom ungarischen Regisseur Béla Tarr verfilmt. Jetzt erhielt er den Literaturnobelpreis.
Bild: picture-alliance/AP Photo/M. Dunham
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Im vergangenen Jahr erhielt die südkoreanische Autorin Han Kang die renommierte Auszeichnung. Überreicht werden die Preise am 10. Dezember, dem Todestag des Dynamit-Erfinders und Preisstifters Alfred Nobel (1833-1896). Dotiert sind die Auszeichnungen derzeit mit elf Millionen Schwedischen Kronen, was ungefähr einer Million Euro entspricht.