1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Lithium: Deutschland braucht eine Aufholjagd

Tobias Käufer Rio de Janeiro
27. Januar 2023

Bei seiner Südamerika-Reise wird Bundeskanzler Scholz auch über Lithium sprechen. Die längst überfällige Aufarbeitung verpasster Chancen beginnt. Im Kampf um den Zukunftsrohstoff liegt Berlin derzeit im Hintertreffen.

Arbeiter mit einer Schaufel, auf der das Rohmaterial für die Herstellung von Lithiumkarbonat in einem Salzgewinnungsbecken in der Pilotanlage Llipi in den Uyuni Salt Flats (Bolivien) zu sehen ist
Weißes Gold: Rohmaterial für die Herstellung von LithiumkarbonatBild: Gaston Brito Miserocchi/Getty Images

Rund 57 Prozent der weltweiten Lithium-Vorkommen befinden sich im Länderdreieck Argentinien, Bolivien, Chile. Der Rohstoff ist heiß begehrt, weil er für die Produktion von Akkus für E-Autos gebraucht wird. Dick im Geschäft sind die Chinesen, die sich Milliardeninvestitionen weltweit in eine strategische Pool Position gehievt haben. Auch die USA sind besser aufgestellt als die Europäer.

Die Auto-Nation Deutschland hinkt dagegen hinterher. Daher gilt es nachzuarbeiten, wenn Bundeskanzler Olaf Scholz ab dem Wochenende in Argentinien, Chile und Brasilien unterwegs ist. "Deutschland ist im Vergleich zu China, aber auch zu anderen Ländern, noch nicht sehr präsent im Lithiumdreieck Südamerikas. Immerhin gibt es Ansätze, das zu ändern", sagt Carl Moses, Wirtschaftsexperte und Berater aus Buenos Aires im Gespräch mit der DW.

Luftaufnahme von Solebecken und Aufbereitungsbereichen der Lithiummine des chilenischen Unternehmens SQM (Sociedad Quimica Minera) in der Atacama-Wüste in ChileBild: MARTIN BERNETTI/AFP

Peking statt Berlin

In Chile und Argentinien haben sich deutsche Firmen in eine gute Startposition gebracht, der ganz große Durchbruch aber ist noch nicht gelungen. "Mir fehlt in dieser strategisch wichtigen Frage eine ordnende oder zumindest koordinierende Hand, die eigentlich nur vom Staat kommen kann. Wir brauchen deutsche Konsortien, in denen wichtige Player auf allen Stufen der Wertschöpfungskette zusammenarbeiten", regt Moses eine koordinierte Kraftanstrengung von deutscher Industrie und Politik an.

Am deutlichsten ist chinesische Vorsprung in Bolivien zu erkennen. Dort sollte eigentlich ein deutsch-bolivianisches Joint-Venture in eine effektive Zusammenarbeit münden. Doch hausgemachte Fehler, politische Unruhen in Bolivien, Misstrauen der lokalen Bevölkerung und eine China-Präferenz der eher europakritischen Regierung um den sozialistischen Präsidenten Luis Arce sorgten dafür, dass das Projekt einen stillen Tod starb und sich Deutschland in Bolivien wieder hintenanstellen muss.

Vor wenigen Tagen gelang dagegen dem chinesischen Konsortium CBC der Vertragsabschluss in der Andennation. Eine Investition in Höhe von einer Milliarde US-Dollar, zumindest lautet so die Ankündigung, soll nun in den Bau von zwei Lithiumkarbonat-Anlagen münden, kündigte der zuständige bolivianische Minister Franklin Molina vor wenigen Tagen an. Den Berichten zufolge ist dies die erste internationale Beteiligung an dem Projekt im Land mit den weltweit größten Lithium-Vorkommen.

Ein Lastwagen transportiert Magnesiumchlorid aus der Lithiummine des chilenischen Unternehmens SQM (Sociedad Quimica Minera) in der Atacama-Wüste in ChileBild: MARTIN BERNETTI/AFP

Bessere Chancen in Argentinien und Chile

Gleich zwei deutsche Firmen haben in Argentinien und Chile den Fuß in der Tür. Das vergleichsweise junge Unternehmen Deutsche E-Metalle (DEM) ist eines davon und plant "eine der weltweiten führenden Spezialisten für die Bereiche E-Materialien und E-Mobilität zu werden, die Teil des derzeit aufsteigenden Superzyklus der elektrischen Mobilität sind", heißt es dazu auf der firmeneigenen Website. Möglich machen soll das unter anderem ein indirekter Zugang zu einem großen Portfolio an Lizenzen (über 70.000 Hektar), die sich im Lithiumdreieck in Argentinien befinden.

Auch hier klotzt China: Das chinesische Unternehmen Ganfeng hatte sich jüngst für 962 Millionen US-Dollar das argentinische Unternehmen Lithea einverleibt, das die Lizenzen an zwei Lithiumsalzseen besitzt. Tibet Summit Resources - ebenfalls aus China - will zwei Milliarden Euro in Lithium-Explorationsprojekte in Argentinien investieren.

Ein Schild gegen die Ausbeutung von Lithium in der Salinas Grandes-Saline, die sich die argentinischen Nordprovinzen Salta und Jujuy teilen, in der Nähe der indigenen Kolla-Gemeinde Santuario de Tres Pozos.Bild: Alzar Raldes/AFP

Deutsche Chancen in Chile

In Chile ist die Ausgangslage etwas schwieriger als in Argentinien. Hier ist unklar, welchen regulatorischen Rahmen eine neue Verfassung ausländischen Unternehmen einräumt, die politisch noch ausgehandelt werden soll. Ein Unternehmen aus Thüringen (Liverde) hat im Oktober 2022 einen Kooperationsvertrag mit chilenischen Partnern im Salar de Maricunga unterzeichnet und steht in den Startlöchern. Auch in Chile ist China sehr aktiv. Jüngst sicherte sich Peking einen Anteil Erwerb von 24 Prozent am chilenischen Unternehmen SQM, derzeit eines der weltweit größten Lithiumproduzenten. Hinzu kommen weitere Lizenzen für andere chinesische Unternehmen.

Besonders in Chile könnte mittelfristig ein Durchbruch gelingen, weil die nachhaltige Denkweise der chilenischen Regierung mit dem deutschen Ansatz durchaus in Einklang steht. Aus dem Umfeld des chilenischen Präsidenten Gabriel Boric ist zu hören, dass seine Regierung, die gerne größtmögliche staatliche Kontrolle über die Lithium-Produktion und deren Wertschöpfungskette behalten will, offen für deutsche Kooperationen sind.

Den nächsten Abschnitt Mehr zum Thema überspringen
Den nächsten Abschnitt Top-Thema überspringen

Top-Thema

Den nächsten Abschnitt Weitere Themen überspringen