Bei seiner Südamerika-Reise wird Bundeskanzler Scholz auch über Lithium sprechen. Die längst überfällige Aufarbeitung verpasster Chancen beginnt. Im Kampf um den Zukunftsrohstoff liegt Berlin derzeit im Hintertreffen.
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Rund 57 Prozent der weltweiten Lithium-Vorkommen befinden sich im Länderdreieck Argentinien, Bolivien, Chile. Der Rohstoff ist heiß begehrt, weil er für die Produktion von Akkus für E-Autos gebraucht wird. Dick im Geschäft sind die Chinesen, die sich Milliardeninvestitionen weltweit in eine strategische Pool Position gehievt haben. Auch die USA sind besser aufgestellt als die Europäer.
Die Auto-Nation Deutschland hinkt dagegen hinterher. Daher gilt es nachzuarbeiten, wenn Bundeskanzler Olaf Scholz ab dem Wochenende in Argentinien, Chile und Brasilien unterwegs ist. "Deutschland ist im Vergleich zu China, aber auch zu anderen Ländern, noch nicht sehr präsent im Lithiumdreieck Südamerikas. Immerhin gibt es Ansätze, das zu ändern", sagt Carl Moses, Wirtschaftsexperte und Berater aus Buenos Aires im Gespräch mit der DW.
Peking statt Berlin
In Chile und Argentinien haben sich deutsche Firmen in eine gute Startposition gebracht, der ganz große Durchbruch aber ist noch nicht gelungen. "Mir fehlt in dieser strategisch wichtigen Frage eine ordnende oder zumindest koordinierende Hand, die eigentlich nur vom Staat kommen kann. Wir brauchen deutsche Konsortien, in denen wichtige Player auf allen Stufen der Wertschöpfungskette zusammenarbeiten", regt Moses eine koordinierte Kraftanstrengung von deutscher Industrie und Politik an.
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Am deutlichsten ist chinesische Vorsprung in Bolivien zu erkennen. Dort sollte eigentlich ein deutsch-bolivianisches Joint-Venture in eine effektive Zusammenarbeit münden. Doch hausgemachte Fehler, politische Unruhen in Bolivien, Misstrauen der lokalen Bevölkerung und eine China-Präferenz der eher europakritischen Regierung um den sozialistischen Präsidenten Luis Arce sorgten dafür, dass das Projekt einen stillen Tod starb und sich Deutschland in Bolivien wieder hintenanstellen muss.
Vor wenigen Tagen gelang dagegen dem chinesischen Konsortium CBC der Vertragsabschluss in der Andennation. Eine Investition in Höhe von einer Milliarde US-Dollar, zumindest lautet so die Ankündigung, soll nun in den Bau von zwei Lithiumkarbonat-Anlagen münden, kündigte der zuständige bolivianische Minister Franklin Molina vor wenigen Tagen an. Den Berichten zufolge ist dies die erste internationale Beteiligung an dem Projekt im Land mit den weltweit größten Lithium-Vorkommen.
Bessere Chancen in Argentinien und Chile
Gleich zwei deutsche Firmen haben in Argentinien und Chile den Fuß in der Tür. Das vergleichsweise junge Unternehmen Deutsche E-Metalle (DEM) ist eines davon und plant "eine der weltweiten führenden Spezialisten für die Bereiche E-Materialien und E-Mobilität zu werden, die Teil des derzeit aufsteigenden Superzyklus der elektrischen Mobilität sind", heißt es dazu auf der firmeneigenen Website. Möglich machen soll das unter anderem ein indirekter Zugang zu einem großen Portfolio an Lizenzen (über 70.000 Hektar), die sich im Lithiumdreieck in Argentinien befinden.
Auch hier klotzt China: Das chinesische Unternehmen Ganfeng hatte sich jüngst für 962 Millionen US-Dollar das argentinische Unternehmen Lithea einverleibt, das die Lizenzen an zwei Lithiumsalzseen besitzt. Tibet Summit Resources - ebenfalls aus China - will zwei Milliarden Euro in Lithium-Explorationsprojekte in Argentinien investieren.
Deutsche Chancen in Chile
In Chile ist die Ausgangslage etwas schwieriger als in Argentinien. Hier ist unklar, welchen regulatorischen Rahmen eine neue Verfassung ausländischen Unternehmen einräumt, die politisch noch ausgehandelt werden soll. Ein Unternehmen aus Thüringen (Liverde) hat im Oktober 2022 einen Kooperationsvertrag mit chilenischen Partnern im Salar de Maricunga unterzeichnet und steht in den Startlöchern. Auch in Chile ist China sehr aktiv. Jüngst sicherte sich Peking einen Anteil Erwerb von 24 Prozent am chilenischen Unternehmen SQM, derzeit eines der weltweit größten Lithiumproduzenten. Hinzu kommen weitere Lizenzen für andere chinesische Unternehmen.
Besonders in Chile könnte mittelfristig ein Durchbruch gelingen, weil die nachhaltige Denkweise der chilenischen Regierung mit dem deutschen Ansatz durchaus in Einklang steht. Aus dem Umfeld des chilenischen Präsidenten Gabriel Boric ist zu hören, dass seine Regierung, die gerne größtmögliche staatliche Kontrolle über die Lithium-Produktion und deren Wertschöpfungskette behalten will, offen für deutsche Kooperationen sind.
Lithium: Südamerikas "Weißes Gold"
Im Dreiländereck zwischen Bolivien, Chile und Argentinien lagern die größten Lithium-Vorkommen weltweit. Der Rohstoff wird gebraucht, um Elektro-Auto-Batterien herzustellen. Doch der Abbau zerstört das fragile Ökosystem.
Bild: MARTIN SILVA/AFP/Getty Images
Weißer Schatz unter blauem Himmel
Blau-grün schimmern die gigantischen Pools zur Lithium-Gewinnung und bilden einen scharfen Kontrast zum blendenden Weiß der scheinbar endlosen Salzebenen in der chilenischen Atacama-Wüste. Lithium ist ein wichtiger Bestandteil von Batterien, etwa in Smartphones und Laptops. Nirgendwo auf der Welt gibt es größere Vorkommen des Rohstoffs als hier in den Salaren und Salzwiesen Südamerikas.
Bild: MARTIN BERNETTI/AFP
Salz für die Energiewende
Ein Bagger lädt lithiumhaltiges Salz auf einen LKW in den Salinas Grandes in der argentinischen Provinz Jujuy. Lithium ist der Rohstoff der Energiewende schlechthin: Er wird besonders für die Batterien von Elektroautos benötigt. Und da die Weltgemeinschaft nach alternativen zu fossilen Brennstoffen sucht, ist die Nachfrage nach dem "weißen Gold“ extrem gestiegen.
Bild: AIZAR RALDES/AFP
Salziges Naturschauspiel
Das metallhaltige Salzwasser wird aus unterirdischen Seen an die Oberfläche gepumpt, wo es verdunstet - so wie hier in einem Becken in der Atacama-Wüste in Chile. Übrig bleiben Salzlaken, die über mehrere Stufen weiterverarbeitet werden. Das fertige Lithium wird exportiert, vor allem nach China. Die Verarbeitung des Rohstoffs findet derzeit fast ausschließlich in der Volksrepublik statt.
Bild: MARTIN BERNETTI/AFP
Erst verdunsten, dann verkaufen
Wie Perlenketten reihen sich die Verdunstungsbecken in den argentinischen Salinas Grandes aneinander. Das so gewonnene Lithium ist eine finanzielle Goldgrube: Der weltweite Durchschnittspreis stieg von 5700 US-Dollar pro Tonne im November 2020 auf 60.500 Dollar im September dieses Jahres.
Bild: MARTIN SILVA/AFP
Einsame Rotbauchdrossel
Die Gemeinden im südamerikanischen Lithium-Dreieck hoffen darauf, von dem Rohstoffboom zu profitieren. Doch bisher leben die meisten Bewohner weiterhin in Armut. Allerdings nehmen die Umweltprobleme zu: Durch den Bergbau wird das Grundwasser verunreinigt und giftiger Feinstaub produziert. Dieser kleinen Rotbauchdrossel in der bolivianischen Uyuni-Salzwüste scheint es noch gut zu gehen.
Bild: AFP
Kakteen trotzen rauem Klima
Für den Lithium-Abbau werden täglich Millionen Liter Wasser benötigt. Die Salzwüsten von Argentinien liegen im Hochgebirge auf knapp 4000 Metern. Die Luft ist sauerstoffarm, es ist meist kühl und trocken. Die meterhohen Kakteen gehören zu den wenigen Pflanzen, die dem schneidenden Wind und dem unwirtlichen Klima trotzen.
Bild: AIZAR RALDES/AFP
Förderung führt zu Wassermangel
Nahaufnahme eines Verdunstungsbeckens der chilenischen Firma Sociedad Quimica Minera (SQM) in der Atacama-Wüste. Nach eigenen Angaben verbraucht SQM zum Lithium-Abbau 2022 fast 40.000 Liter Wasser - pro Stunde. Bereits 2013 wurde festgestellt, dass ein Drittel der Johannisbrotbäume im Abbau-Gebiet abgestorben war, vermutlich aufgrund von Wassermangel.
Bild: MARTIN BERNETTI/AFP
"Nein zum Lithium, ja zum Leben!"
In einigen Kommunen des "Lithium-Dreiecks" zwischen Argentinien, Bolivien und Chile regt sich Protest: Diese Besucherinnen und Besucher der argentinischen Salinas Grandes werden mit einem Schild begrüßt, auf dem "Nein zum Lithium, ja zu Wasser und Leben" zu lesen ist. Der hier ansässigen indigenen Gemeinschaft der Kolla gelang es 2019, zwei Bergbauunternehmen von den Salzwiesen zu vertreiben.
Bild: AFP
Mondlandschaft in den Anden
Ein Militärcheckpoint im Salar de Uyuni, der größten Salzpfanne der Welt in Bolivien. Die fast 11.000 Quadratkilometer große Landschaft ist von Salz, Felsformationen und kakteenbewachsenen Inseln geprägt. 2008 verstaatlichte Ex-Präsident Evo Morales die Lithiumindustrie und versprach Boliviens Aufstieg zum Player auf dem Weltmarkt. Doch daraus wurde nichts: Die Regierung investierte zu wenig.
Bild: Getty Images
Eine Schippe "weißes Gold"
Ein Arbeiter schöpft Rohmaterial zur Lithiumgewinnung in Boliviens Uyuni. Bolivien, Argentinien und Chile planen, die Weiterverarbeitung voranzutreiben, und Batterien künftig vor Ort herzustellen, anstatt den Rohstoff zu exportieren. Durch die hochwertige industrielle Fertigung will Lateinamerika den wirtschaftlichen Aufstieg nach dem Vorbild Chinas erreichen.
Bild: Gaston Brito Miserocchi/Getty Images
Magnet für Touristen
Der Umwelt würde das wenig helfen - allerdings überlegen Fachleute, wie Lithium umweltschonender abgebaut oder auch recycelt werden kann. Denn dann könnten Touristinnen und Touristen wie diese in der Uyuni auch weiterhin einfach die Schönheit der Salzseen genießen.