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LNG-Terminals: Ein Schiff wird kommen…

4. März 2022

Ohne Gas geht es noch nicht, meint die Bundesregierung. Daher will sie zwei Häfen für Flüssiggas bauen, um unabhängig von Russland zu werden. Nur ob sich diese riesigen Investitionen lohnen, ist fraglich.

Russland, Prigorodnoye | LNG Tanker
Bild: Sergei Krasnoukhov/TASS/imago images

Die Rettung ist kalt, sehr kalt sogar: Minus 162 Grad. Auf diese Temperatur muss Gas heruntergekühlt werden, damit es flüssig wird und per Schiff verfrachtet werden kann. Sollte Russland beschließen, seine Gaslieferungen zu drosseln oder gar zu stoppen, könnte es in Deutschland kalt werden ohne den Import von flüssigem Gas, sogenanntem LNG (Liquefied Natural Gas).

Das Problem ist nur - bislang gibt es keine Häfen in Deutschland, in denen solche Gasschiffe entladen werden könnten.

Das LNG-Terminal in Rotterdam ist weitaus größer als die geplanten Häfen DeutschlandBild: Siebe Swart/luchtfotografie/ANP/imago images

Das soll sich schnell ändern, geht es nach Bundeskanzler Olaf Scholz. Er hat als Reaktion auf den Ukraine-Krieg unter anderem den schnellen Bau von zwei LNG-Terminals in Deutschland angekündigt. Andere europäische Länder haben schon früher auf Flüssiggas gesetzt. So gibt es europaweit 37 LNG-Terminals, von denen 26 in Mitgliedstaaten der EU liegen. Immerhin deckten LNG-Importe 2020 laut der EU-Kommission rund ein Viertel des europäischen Gasbedarfs. Deutschland dagegen muss bisher sein LNG über Häfen im belgischen Zeebrügge, im französischen Dünkirchen und im niederländischen Gate beziehen.

Braucht Deutschland überhaupt eigene LNG-Häfen?

Der Hanseatic Energy Hub (HEH), der ein LNG-Terminal im deutschen Ort Stade (Bundesland Niedersachsen) plant, meint, Deutschland dürfe sich nicht allein auf andere Häfen verlassen. "Auch in Zukunft wird über andere europäische Terminals LNG angelandet", sagt Johann Killinger, geschäftsführender Gesellschafter von HEH. Allerdings sei dort der Auslastungsgrad sehr hoch. "Die Kapazitäten werden schlicht und einfach nicht reichen," so Killinger.

Anders sieht das die Nichtregierungsorganisation Food & Water Action Europe. Sie sagen, die Auslastung aller EU-Terminals von Januar 2021 bis Mitte Januar 2022 habe nur bei rund 40 Prozent gelegen. Damit gebe es also genügend Luft nach oben. Vor allem sei die Auslastung gegenüber den Jahren 2019 und 2020 noch gesunken. Damals lag sie bei 46 Prozent.

In Deutschland gibt es seit Jahren Planungen, wo und wie LNG-Terminals gebaut werden könnten. Stade ist dabei neben Brunsbüttel und Wilhelmshaven einer von drei potentiellen Standorten für solche Spezialhäfen. Die Genehmigungsunterlagen für den Hafen in Stade könnten in den nächsten Wochen bei den Behörden eingereicht werden, sagt Killinger. Wenn alles glatt läuft, wäre das Terminal 2026 fertiggestellt und rund zehn Prozent des in Deutschland benötigten Erdgases könnten dann per Schiff über Stade nach Deutschland gelangen.

Gibt es bessere Alternativen zu LNG-Häfen?

Eigentlich aber hat sich Deutschland das Ziel gesetzt, bis 2045 ganz aus den fossilen Energien auszusteigen. Bis dahin wird Erdgas lediglich als Übergangslösung betrachtet, weil es im Vergleich zu Kohle und Öl als weniger klimaschädlich gilt. LNG hat allerdings eine schlechtere Klimabilanz als Pipeline-Gas. Für die Abkühlung, Verflüssigung, Transport und die anschließende Erwärmung wird viel Energie benötigt. Allein bei der Verflüssigung werden rund zehn bis 25 Prozent des Energiegehaltes des Erdgases verbraucht.

Lohnt sich für eine solche Übergangslösung überhaupt der Bau eines LNG-Hafens? Allein für das Terminal in Stade müsste rund eine Milliarde Euro investiert werden.

"Wir haben die Bundesregierung gefragt, ob sie denn eine Übersicht über die LNG-Kapazitäten in den Nachbarländern hat und die Antwort lautete: Nein, bisher gibt es diese komplette Übersicht noch nicht", sagt Sascha Müller-Kraenner, Bundesgeschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe (DUH) der DW. "Wenn die Speicherhaltung im Sommer und die Importe über das Ausland reichen, den Gasbedarf zu decken - auch dann, wenn Nordstream 1 und die anderen Pipelines aus Russland wegfallen - dann sollte man diesen Unsinn lassen und sich exklusiv auf den Ausbau erneuerbarer Energien konzentrieren," so Müller-Kraenner.

Kritik kommt auch von anderen Umweltschützern. Vor allem, weil die USA Flüssiggas liefern und dieses Gas mit Hilfe von Fracking gewonnen wird. "Klimaschädliches Fracking-Gas ist keine Antwort auf eine sichere Energieversorgung, sondern Teil der fossilen Sackgasse", sagt daher Greenpeace-Energieexperte Gerald Neubauer.

Geplanter LNG-Terminal in BrunsbüttelBild: German LNG Terminals

Hohe Investitionen nur mit Rückhalt der Politik

Auch die Planer der LNG-Terminals kennen die Problematik und schauen mit Sorge in eine Zukunft, in der Flüssiggas nicht mehr erwünscht ist. Damit sich die hohen Investitionen trotzdem rechnen, fordert Killinger Hilfe von der Regierung. Dazu gehören Zusagen über die Laufzeit des LNG-Terminals und über die Höhe der Netzzugangsentgelte, die für die Einspeisung von LNG ins Gasnetz bezahlt werden müssen. In anderen EU-Ländern seien diese Beträge geringer als für Pipeline-Gas, so Killinger. Solche indirekten Subventionen wünscht er sich in Deutschland ebenfalls.

Die Höhe der Netzzugangsentgelte für Gas wird jedes Jahr von der Bundesnetzagentur neu entschieden. Killinger möchte, dass LNG von dieser Regulierung ausgenommen wird. Nur dann könnten langfristige Verträge mit Kunden geschlossen werden und dadurch die Investoren motiviert werden, ihr Geld in den Bau des Terminals in Stade zu stecken. 

Constantin Zerger von der Deutschen Umwelthilfe sagt dazu: "Mit der Gewährung von Wettbewerbsvorteilen für 25 Jahre wird das Ziel der Klimaneutralität bis 2045 mit Füßen getreten".

Nicht nur in Stade, sondern auch in Brunsbüttel und Wilhelmshaven gibt es seit Jahren Pläne, LNG-Terminals zu bauen. Am potentiellen Standort Wilhelmshaven wurde das Projekt Ende 2020 beerdigt, weil es zu wenig Nachfrage nach Flüssiggas gegeben habe und die Anlage daher nicht wirtschaftlich sei. Nun scheint hier aber doch noch einmal etwas in Bewegung zu kommen. Auf Wunsch der Politik wird der Energiekonzern Uniper das Vorhaben noch einmal überprüfen, so eine Ankündigung am Montag.

Heute Gas, morgen Wasserstoff?

Was aber, wenn künftig gar nicht mehr LNG sondern klimafreundlicher Wasserstoff über die LNG-Terminals importiert würde? Eine Aussicht, mit der die Terminal-Planer vermeintlich den Klimaschutz-Plänen der Bundesregierung entgegenkommen. Die möchte nämlich in Zukunft Wasserstoff als Energiequelle einsetzen. Da Experten zufolge in Deutschland nicht genug Wasserstoff produziert werden kann, muss er importiert werden. Hier könnten LNG-Terminals eine Lösung darstellen, meint auch Wirtschaftsminister Robert Habeck. "Wir brauchen eh Terminals für Wasserstoffimporte. Wir können dann Teile der Infrastruktur mit nutzen."

Die Frage ist nur, wie viel muss investiert werden, um aus LNG-Terminals solche für Wasserstoff zu machen. Über die Hälfte der Gesamtinvestitionen fließe in die energieträgerunabhängige Basisinfrastruktur, die für den Umschlag jeglicher Art zukünftiger grüner Energieträger nutzbar sei, heißt es in einem Gutachten der Stadt Stade zum LNG-Terminal. Damit wären aber rund 500 Millionen Euro in Stade in Flüssiggasimporte investiert, die mittelfristig nicht mehr gebraucht würden. "Man kann Flüssiggas-Terminals nicht einfach umwidmen und umrüsten, sondern muss da große Teile der Anlagen ersetzen", sagt auch Müller-Kraenner von der DUH. "Das wird noch mal sehr teuer."

Die Gaspipeline Nordstream 2 ruht inzwischen fertig gestellt auf dem Boden der Ostsee -unbenutztBild: Bernd Wuestneck/dpa/picture alliance

Lieber gleich am richtigen Ende investieren

"Heute brauchen wir eher ein Wasserstoff-Terminal, um die Energiewende umzusetzen," sagt Energieexpertin Claudia Kemfert vom DIW. Sie plädiert gegenüber dem Sender NDR gegen Flüssiggas-Terminals. Es sollte nicht Geld in rückwärtsgewandte Technologien investiert werden, sondern lieber gleich für erneuerbare eingesetzt werden, so Kemferts Plädoyer. "Wenn es in Deutschland gelingt, den Anteil der erneuerbaren Energien in der Stromerzeugung bis 2030 auf 80 Prozent zu erhöhen, kann die Abhängigkeit von russischen Gaslieferungen deutlich vermindert werden."

Immerhin könnten von Anfang an, ohne zusätzliche Investitionen, auch Gas, das aus erneuerbaren Energien gewonnen wurde, über den LNG-Terminal importiert werden, argumentiert Killinger für den Bau von LNG-Terminals. Allerdings merkt Müller-Kraenner von der Deutsche Umwelthilfe an, dass es momentan und auch auf absehbare Zeit keinen Markt für synthetisches Gas in der erforderlichen Größenordnung geben würde. Insofern wäre der Import zwar technisch möglich, aber sehr unwahrscheinlich.

Gerald Neubauer von Greenpeace bezeichnet die Idee von den Betreibern, synthetisches Methan oder Biogas zu importieren, als Greenwashing. Bei der Herstellung von synthetischem Methan gehe zu viel Energie verloren. "Biogas ist nur dann klimafreundlich, wenn es aus Reststoffen hergestellt wird," so Neubauer. "Die verfügbaren Mengen nachhaltigen Biogases sind aber nur sehr gering." 

Den USA würde der Bau deutscher LNG-Häfen sehr entgegenkommen. Als großer Gasexporteur war den Amerikanern schon länger die Pipeline Nordstream 2, durch die Gas aus Russland nach Europa geleitet werden sollte, ein Dorn im Auge. Die ist nun zwar fertig gestellt, wird aber erstmal nicht in Betrieb genommen.

Insa Wrede Redakteurin in der Wirtschaftsredaktion
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