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Radprofis protestieren nach schweren Stürzen

16. August 2020

Remco Evenepoel fällt bei der Lombardei-Rundfahrt von einer Brücke, Maximilian Schachmann wird von einem Auto angefahren, Emanuel Buchmann stürzt bei einem Massencrash. Die Radprofis schlagen vor Beginn der Tour Alarm.

Lombardei Rundfahrt Sturz Remco Evenepoel
Bild: picture-alliance/Zuma/F. Ferrari

Remco Evenepoel gilt im Radsport-verrückten Belgien als größtes Nachwuchstalent, als designierter Nachfolger von Legende Eddy Merckx - und er wäre auch einer der interessantesten Fahrer bei der Tour de France gewesen, die Ende August starten wird. Doch hat die vielversprechende Karriere des 20-jährigen zwei Wochen vor dem Großereignis einen herben Dämpfer bekommen: Bei der Lombardei-Rundfahrt stürzte Evenepoel schwer.

Der Profi vom Team Deceuninck-Quick Step kam bei einer Abfahrt rund 40 Kilometer vor dem Ziel von der Strecke ab und stürzte eine Brücke hinunter in eine mit Bäumen bewachsene Böschung. Mit einer Halskrause und auf einer Trage musste Evenepoel vom medizinischen Team geborgen werden. Er wurde anschließend direkt für weitere Untersuchungen in ein Krankenhaus in Como gebracht. 

Schwer gezeichnet aber ansprechbar: Remco Evenepoel wird nach seinem Sturz medizinisch versorgtBild: picture-alliance/AP Photo/F. Ferrari

Wie sein Team am Abend mitteilte, ergaben die Untersuchungen in der Klinik einen Bruch des Beckens sowie eine Quetschung der rechten Lunge. "Remco hat sich bei mir entschuldigt. Ich sagte: Halt die Klappe! Du bist am Leben, nur das zählt", sagte Quick-Step-Teamchef Patrick Lefevere: "Ich habe mehrmals dem Weltverband klarmachen wollen, dass solche Abfahrten einfach nicht möglich sind, aber nichts ändert sich." Wie lange Evenepoel, der die ganze Zeit bei Bewusstsein gewesen sei, nicht mehr fahren kann, blieb zunächst offen. Seine Saison ist aber wohl beendet, bei der Tour de France kann er in keinem Fall mitfahren. Bis Sonntag werde er zur Beobachtung im Krankenhaus bleiben und dann in seine Heimat fliegen. 

Schachmann kollidiert mit Auto

Den Sieg beim zweiten Radsport-Monument der Saison sicherte sich der Däne Jakob Fuglsang vom Team Astana. Auch der deutsche Radprofi Maximilian Schachmann vom Team Bora-hansgrohe stürzte kurz vor dem Ziel, weil er mit einem vermeintlichen Privatwagen kollidierte, welcher unbefugt die Strecke kreuzte. Schachmann konnte weiterfahren und belegte mit 4:31 Minuten Rückstand als bester Deutscher den siebten Rang. Er erlitt allerdings einen Schlüsselbeinbruch und kritisierte die Sicherheitsmängel beim Traditionsrennen: "Zum Glück ist es 'nur' das Schlüsselbein. Es gibt Tage, da hat man sein Schicksal nicht selbst in der Hand." Er muss nicht operiert werden, ob es für den Paris-Nizza-Sieger bis zur Tour noch reichen könnte, ist offen.

Für die Mannschaft von Remco Evenepoel war es bereits der zweite schwere Sturz innerhalb von nur zehn Tagen. Der Niederländer Fabio Jakobsen war am 5. August bei der Polen-Rundfahrt kurz vor der Ziellinie von Dylan Groenewegen ins Absperrgitter gedrückt worden. Gleich nach dem Unfall wurde er ohne Bewusstsein in die Klinik nach Sosnowiec geflogen, mittlerweile ist er aus dem künstlichen Koma erwacht und in die Niederlande zurückgekehrt. "Wir hätten zwei tote Fahrer haben können, da denkst du nicht mehr über Rennen und Siege nach", erklärte Quick-Step-Teamchef Patrick Lefevere.  

Buchmann kann "kaum laufen"

Auch die deutsche Tour-Hoffnung Emanuel Buchmann war beim von zahlreichen Stürzen überschatteten 72. Critérium du Dauphiné schwer gestürzt und hatte sich laut Team schwere Prellungen und Hautabschürfungen, aber keine Brüche zugezogen. Er habe aber weiterhin starke Schmerzen und könne kaum laufen. 


Die Radprofis kritisierten die eklatanten Sicherheitsmängel bei der vom Tour-Veranstalter A.S.O. organisierten Dauphiné. "Die Abfahrt war lebensgefährlich, ein Ziegenpfad mit Schotter. Eine Schande, dass sowas im modernen Radsport möglich ist", schimpfte Ex-Giro-Sieger Tom Dumoulin. Der deutsche Routinier Tony Martin stellte die drängendste Frage: "Was muss noch alles passieren, bis sich etwas ändert?" Am Sonntag gab es erste Konsequenzen bei der Dauphiné: Die Profis legten aus Protest die ersten zehn Abfahrts-Kilometer nach dem Start neutralisiert zurück, weil Renntempo zu gefährlich gewesen wäre - auch hier war es ein "Ziegenpfad".  

asz/og (SID, dpa)