Weltfinanzgipfel
2. April 2009Die Banker von London – sofern sie noch einen Job haben – versuchen die Sache entspannt zu sehen. So hoffen auf wieder bessere Zeiten. Und so steht auf dem Tisch im Restaurant nicht nur Bier, sondern auch: Champagner in Flaschen.
Die Finanzkrise ist an einen ihrer Ausgangspunkte zurückgekehrt. Denn der Finanzdistrikt in London ist neben der New Yorker Wall Street der wichtigste Handelsplatz für Finanzprodukte. Fast die Hälfte des internationalen Aktienvolumens wird an der Themse gehandelt. Doch dort wie hier: Es wurde nicht nur gehandelt, sondern auch gezockt. Und zwar in einem Ausmaß, dass einem noch immer der Atem stockt. Mit dem Geld anderer Leute wurden immer riskantere Geschäfte gemacht. Banker und Broker in der Londoner City kassierten Millionen und Abermillionen. Die britische Hauptstadt lebt zu einem Gutteil der Bankenwelt.
Gigantisches Sicherheitsaufgebot
Jetzt ist das Spiel aus. Regierungen in aller Welt müssen Milliarden von Euro und Dollar in die Märkte pumpen, damit der nach dem Zusammenbruch des Kartenhauses überhaupt noch ein bisschen funktioniert. Im Londoner Bankenviertel entlädt sich dieser Tage die Wut vieler Demonstranten: Banker werden mit Tomaten und Eiern beworfen, Scheiben von Filialen eingeschlagen – und Polizisten mussten die Eingänge der gläsernen Paläste vor der aufgebrachten Menge schützen. Über dem Viertel schwebten ununterbrochen Polizei-Helikopter. Wenigstens 10.000 Beamte waren im Dauereinsatz. Auf der Themse patrouillierten Schnellboote mit Kampfschwimmern.
Der Anlass des Proteststurmes fand weiter östlich statt: Im Londoner ExCel-Kongresszentrum hatten sich die Mächtigen dieser Welt versammelt, um eben diese zu retten. Der gesichtlose Zweckbau war wie eine Festung gesichert. Gelegen an den Docklands – wo einst Hafen und Werften der Stadt zu finden waren - konnte keine Maus unkontrolliert das Gelände betreten. Einzig auf dem benachbarten City-Airport starteten und landeten Flugzeuge, als sei es ein ganz normaler Donnerstag. Keine Flugverbotszone war eingerichtet – und das, obwohl die Maschinen direkt über das Dach des Konferenzzentrums donnerten.
Einig im Ziel - Differenzen beim Weg
Im Zentrum selbst herrschte eine angespannte Atmosphäre. Seit den frühen Morgenstunden saßen die Obamas und Merkels dieser Welt und brüteten über dem Abschlussdokument. Einig war man sich im Ziel: Alles zu tun, damit sich eine solche Krise nicht wiederholen kann. Differenzen gab es beim Weg: Chinesen traten wie Inder sehr selbstbewusst in den Ring und sagten: Wir haben diese Krise nicht gemacht, aber wir wollen unseren Beitrag leisten, sie zu überwinden. Merkel und Frankreichs Präsident Sarkozy forderten ein starkes Kommunique mit konkreten Ergebnissen, Barack Obama – von den Londonern überwiegend freundlich empfangen – und Großbritanniens Premier Brown dämpften vorsorglich die hohen Erwartungen. Afrikaner mahnen: Vergesst die Armen dieser Welt nicht.
Erste Schritte sind gemacht
Es ist einiges geschehen seit dem ersten Gipfel dieser Art Mitte November vergangenen Jahres in Washington. Der dort beschlossene Maßnahme-Plan ist in weiten Teilen umgesetzt oder in Angriff genommen worden. Man ist offenbar voran gekommen beim wichtigsten Ziel – und das lautet: Keine riskanten Finanzprodukte mehr ohne Aufsicht. Erste Kontrollgremien haben ihre Arbeit aufgenommen. Gestärkt werden wird der Internationale Währungsfonds (IWF). Seine finanziellen Mittel werden deutlich aufgestockt, um schneller und unbürokratischer als bisher als "Finanz-Feuerwehr" eingreifen zu können, wenn es irgendwo brennt.
Die Krise wird nach London nicht zu Ende sein. Dieser Gipfel aber könnte ein Anfang sein: Ein Anfang für eine stabilere Weltfinanzordnung. Aber auch für eine Neuverteilung der Machtverteilung auf der Welt. Ein elitärer Zirkel wie die G8 hat ausgedient. In London wie schon zuvor in Washington sitzt man im Kreis der G20 zusammen. Macht zusammen 90 Prozent der weltweiten Wirtschaftsleistung. Man sitzt in einem Boot. Man kann die Krise also nur gemeinsam meistern – oder aber gemeinsam untergehen.
Redaktion: Klaus Ulrich