Tate Modern würdigt deutschen Fotokünstler Wolfgang Tillmans
15. Februar 2017
Wolfgang Tillmans hat die Fotografie nicht neu erfunden. Aber er hat sie politischer gemacht. Die Tate Modern in London feiert das Werk des deutschen Fotokünstlers jetzt in einer großen Ausstellung.
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Tillmans Kampf um Ethik mit der Macht der Poesie
Mit Kamera und Computer rückt Wolfgang Tillmans den großen Fragen des Lebens zuleibe. Die Tate Modern in London ehrt den deutschen Fotokünstler jetzt in einer großen Schau.
Bild: picture-alliance/Captital Pictures
Bild der Gegensätze
Krieg, Homosexuellen-Rechte, Flüchtlingselend - in vielen seiner Fotos bezieht Tillmans Stellung zu aktuellen politischen Fragen. Andere Aufnahmen nehmen - wie hier - die Ästhetik von Alltagsdesign aufs Korn.
Bild: picture-alliance/Captital Pictures
Monochrome Poesie
Monochrom, beinah wie amerikanische Farbfeldmalerei wirkt diese Bildtafel des Künstlers. Im Atelier hat Wolfgang Tillmans mit Farben und Formen der Fotografie experimentiert. Viele seiner Werke sind hochpoetisch.
Marktszene aus einem afrikanischen Land. Wie komponiert wirkt der vom Künstler gewählte Ausschnitt, fast wie ein Gemälde. Von Reisen in viele Länder hat Wolfgang Tillmans fotografische Eindrücke mitgebracht - und seine Weltsicht erweitert.
Bild: picture-alliance/Captital Pictures
Freunde im Gras
Zwei junge Männer liegen auf dem Waldboden ausgestreckt, rauchen und unterhalten sich. Das Porträt von Juan Paplo und Karl fängt - wie viele Bilder Tillmans in der Londoner Schau - die Stimmung des vergnüglichen Moments ein.
Bild: Wolfgang Tillmans
Leben ist überall
Moos überwuchert alte Pflastersteine. Aus den Ritzen sprießen kleine Pflänzchen. Natur, die sich zurückholt, was ihr gehört - auch ein Thema des deutschen Fotokünstlers (Foto). Die Londoner Tate Modern feiert ihn als einen der aufregendsten Künstler unserer Tage.
Bild: picture-alliance/JOR/Captital Pictures
Wider den Brexit
Wolfgang Tillmans ist ein Künstler, der sich einmischt. Das zeigte zuletzt seine Plakatserie, mit der der Turner-Preisträger von 2000 gegen den EU-Austritt Großbritanniens zu Felde zog. Tillmans kombiniert Poesie und Politik.
Bild: Getty Images/J. Spicer
Scheiß Häuser, überall
Das Foto einer unscheinbaren Straßenkreuzung irgendwo in London: Links, rechts und in der Mitte wachsen Häuser in den Himmel, die dem Künstler nicht gefallen - "Scheiß Häuser", wie es im Titel heißt. Ein fotografischer Kommentar zur Gesichtslosigkeit unserer Städte.
Bild: Wolfgang Tillmans
Schalentier mit Fliege
Astro Crusto hat Tillmans dieses farbintensive Bild eines aufgebrochenen Hummers genannt. Auf dessen Fleisch macht sich eine Fliege zu schaffen. Sie fungiert so als Vanitas-Motiv, das zeigt, dass der Mensch keine Gewalt über das Leben hat. Tillmans gelang hier ein modernes Stillleben.
Bild: Wolfgang Tillmans
Foto, Handwerk, Kunst
Ein umgeschlagenes Stück Papier ist der Star auf diesem Bild von Wolfgang Tillmans. Sein Spiel mit Schärfe und Unschärfe, das dennoch die klare Kontur des Papiers herausstreicht, zeigt den Gestaltungswillen und die hohe Kunst des Fotografen. Die Tillmans-Schau in der Tate Modern ist bis 11. Juni 2017 zu sehen.
Bild: Wolfgang Tillmans
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"Tillmans does not take pictures - he makes pictures." Die treffendste Erklärung von Tillmans Fotografie lieferte Co-Kurator Chris Dercon, der scheidende Direktor der Tate Modern und designierte Intendant der Berliner Volksbühne. Tatsächlich überlässt der Künstler nichts dem Zufall - kein Bild, keinen Katalog, erst recht keine Ausstellung. Bei Tillmans wirkt alles durchdacht und akribisch arrangiert. Zumeist verknüpft er Politik und Poesie. "Für uns ist Wolfgang einer der aufregendsten, interessantesten und wichtigsten Künstler der Gegenwart", so die neue Tate-Direktorin Frances Morris.
Wolfgang Tillmans im Tate-Modern
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Nicht weniger als 14 Räume bespielt Tillmans, im Jahr 2000 der erste deutsche Turner-Preisträger und Ehrenmitglied der renommierten Royal Academy. Die Tate zeigt Arbeiten von 2003 bis heute. Zu besichtigen ist Tillmans Umstieg von der Analog- zur Digitalfotografie. Abstrakte Arbeiten wechseln sich ab mit vielsagenden Porträts, poetischen Stillleben oder Reisefotografie. Zu erleben sind selbst Video- und Musikprojekte.
Breites künstlerisches Spektrum
Vom Bild eines nackten, in Embryohaltung kauernden Mannes bis zu wandfüllenden Meeres- und Himmelspanoramen spannt die Schau ihren Bilderbogen. Einmal fällt der Blick auf ein Straßenpflaster, das von Moos überwuchert wird und aus dessen Ritzen grüne Pflänzchen sprießen. Auf einem anderen Bild verknäueln sich weiße Leintücher auf schwarzem Boden zu wilden Wolkenformationen. Abstrakt und sehr malerisch wirken nicht zuletzt Tillmans Farb- und Formenexperimente, die in seinem Londoner Atelier entstanden.
Aus welchem geistigen Fundus Tillmans schöpft, zeigt ein Ausstellungsraum, dessen Vitrinen übersät sind mit Zeitungsausschnitten, Studien und Meldungen.
"Der Renaissance-Mann des 21. Jahrhunderts"
Globale Warenströme, die Produktionsbedingungen bei der Herstellung von IKEA-Küchen etwa oder die Folterverbrechen amerikanischer Soldaten im Irak - die Quellensammlung zeigt, worüber der Künstler nachdenkt, bevor er der Welt einen Spiegel vorhält. Seit 20 Jahren lebt der in Remscheid geborene Tillmans in London. Zuletzt engagierte er sich gegen den EU-Austritt Großbritanniens. Seine Plakate und Anti-Brexit-Aufrufe zeigt die Londoner Schau ebenfalls.
So zeichnet die Tate Modern das facettenreiche Bild eines gesellschaftlich engagierten Künstlers. Der macht sich zwar sein Bild von der Welt. Aber mit der Kraft seiner Poesie meldet er sich zu Wort und greift in Debatten ein. "Tillmans geht es bei seinem Engagement um Ethik, nicht um Technologie", so Museumsmann Dercon. "Er ist der Renaissance-Mann des 21. Jahrhunderts."