Multi-kulti Weihnachten
24. Dezember 2006Die Gegend Southall in Westlondon heißt im Volksmund Kleinindien. Denn nirgends wohnen so viele Sikhs, Hindus und Muslime auf so engem Raum zusammen. Wohin man blickt sieht man Sarigeschäfte, Currystuben, Läden mit Bhangra Musik, in vielen Schaufenstern stehen Hindu-Gottheiten. Die Hauptstraße ist festlich beleuchtet. Die Motive sind mysteriös: glührote Pfefferschoten, grellgrüne Verkehrsdreiecke und goldene Kreissägen mit bunten Kringeln.
Keine Ahnung, was die Leuchten symbolisieren sollen, grinst Baldev Dhokal, Besitzer eines Lebensmittelgeschäftes. Wahrscheinlich seien sie bewusst neutral gehalten. Schließlich käme es die Gemeinde zu teuer, für jedes religiöse Fest eine eigene Beleuchtung anzubringen. Baldev ist Sikh. Das heißt aber noch lange nicht, dass er Weihnachten ignoriert: "Die Kinder tauschen Geschenke aus, die Erwachsenen machen das weniger. Unser Glaube ist universell. Wir akzeptieren alle Religionen." Am Weihnachtstag gibt es, wie bei alteingesessenen Familien, ein Festessen. "Wir tun das, was man hierzulande am Weihnachtstag eben so tut", sagt Baldev.
Je mehr Feste, desto besser, sagt auch Farouk, ein junger Muslim. Farouk steht in einem indischen Kaufhaus und sucht sich Dutzende von Weihnachtskarten aus. Viele tragen christliche Botschaften. Er hat kein Problem, jemandem frohe Weihnachten oder ein frohes Fastenbrechen zu wünschen: "Das Wichtigste ist, die Leute zusammen zu bringen und gemeinsame Erfahrungen zu machen. Dann merken wir, dass wir alle dieselben Dinge für wichtig halten, auch wenn wir verschiedene Religionen haben."
"Wir feiern Weihnachten – schließlich leben wir in England"
Auch im Pub "Glassy Junction" laufen die Weihnachtsvorbereitungen auf Hochtouren. Die besten Kunden sind Sikhs und Hindus, aber es kommen auch Christen und Muslime, erzählt Karim, der im Pub arbeitet. Karim ist Hindu. Im Pub werden das hinduistische Lichterfest, das muslimische Fastenbrechen und das christliche Weihnachten gefeiert: "Wir schmücken den Pub und feiern Weihnachten wie alle anderen auch, schließlich leben wir in England." Karims Kinder und seine Frau sind in England geboren. Wahrscheinlich stellen sie an Weihnachten auch einen Baum auf.
Nur der Weihnachtsbraten geht im Glassy Junction in eine etwas andere Geschmacksrichtung. Im Angebot sind Tandoori, Chicken Tikka, Kebab, Curry und Nan. Auf die traditionelle Ansprache der Köngin wird ebenfalls verzichtet. "Ich hab viel zu viel zu tun", sagt Karim. Und seine Gäste schauen sich am ersten Weihnachtsfeiertag lieber Cricket, Fußball, oder einen guten Boxkampf an.