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Der Zauber der Loreley

Laura Döing30. September 2013

Männer sollen ihr allein durch ihren Anblick verfallen sein. Doch sie brachte ihnen nur das Verderben - so die Dichtung. Die Loreley ist sagenumwobene Schönheit, unheilvolle Zauberin und Touristenmagnet zugleich.

Statue der Loreley des italienischen Bildhauers Mariano Pinton aus dem Jahre 1979, Sankt Goarshausen (Foto: picture-alliance/chromorange)
Bild: picture-alliance/chromorange

Die Promenade von Assmannshausen besteht hauptsächlich aus Bootsanlegern. In dem beschaulichen Ort am Rhein wohnen rund 1000 Einwohner. Eine Frau mit lauter Stimme und Sonnenbrille steht an einem dieser Anleger und preist Bootsfahrten an. "Für Sie noch eine Fahrt zur Loreley?", ruft sie vorbeischlendernden Touristen hinterher. Ihr gegenüber haben sich eine handvoll Menschen versammelt. Sie sitzen auf Bänken am Pier und schauen dem Schiff zu, das sich der Landungsbrücke nähert.

Das Touristenboot fährt den Rhein hinab zur Loreley. Genauer: zum Felsen, der nach ihr benannt ist. Die Besucher haben es sich mit Eis und Kaltgetränken auf dem sonnigen Deck des Schiffes bequem gemacht; kommen aus den Niederlanden, den USA, Deutschland, Israel und Brasilien. Die meisten haben von der Loreley-Geschichte gehört. Sie nachzuerzählen trauen sich trotzdem nur wenige:

Jedes Jahr kommen rund 20 Millionen Besucher in das Mittelrheintal, um dort einen Tagesausflug zu machen. Seit 2002 gehört das Obere Mittelrheintal zwischen Koblenz und Rüdesheim zum UNESCO-Weltkulturerbe – damit auch der 132 Meter hohe Schieferfels der Loreley. Ganze Flotten von Touristenbooten steuern ihn an.

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Auf Deck zerzaust der Wind das Haar, an den Tischen lachen und fotografieren die Passagiere: alte Burgen, Fachwerkhäuser und saftig grüne Weinhänge, die in behaglichem Tempo vorüber ziehen. Nach knapp eineinhalb Stunden ist es so weit: Der Rhein macht eine letzte Kurve und der Fels der Loreley erscheint: Schroff, hoch und unscheinbar. Wären da nicht Sagen, Mythen und Dichtungen, die sich um ihn winden, wie der Rhein – und die haben es sogar bis über den Atlantischen Ozean geschafft:

Die Touristenschiffer haben ihren Beruf Clemens Brentano zu verdanken. Als Dichter der Romantik hat er sich ihre tragische Geschichte um 1801 ausgedacht. Er schuf sie als "Zauberin" aus dem kleinen Ort Bacharach, nahe dem Felsen. Ihre Magie: Sie bezauberte alle Männer mit ihrer Schönheit. Ein Bischof ließ sie ins Kloster bringen. Als sie auf dem Weg dorthin dachte, ihren Liebsten noch einmal zu erblicken, stürzte sie sich von einem Felsen hinab in den Rhein.

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Diese Geschichte kennen die wenigsten. Was die Loreley zu einem Star der Literatur gemacht hat, war das Gedicht, das Heinrich Heine rund 20 Jahre später über sie schrieb. Es wurde fast 300 Mal vertont. Die bekannteste Version stammt von Friedrich Silcher. Bei Heine ist Loreley allerdings keine Zauberin mehr - er stellt sie eher als Nixe dar, die ähnlich der Sirenen in der griechischen Mythologie, wehrlose Matrosen kentern lässt:

Nico Gradowitsch hat die Loreley noch nie singen hören. Und das, obwohl er bereits seit fünf Jahren Boote an ihrem Felsen vorbei steuert. Nico Gradowitsch ist 31 Jahre alt und man könnte sagen, dass durch seine Adern Rheinwasser fließt. Seine Familie besitzt schon seit Anfang des 20. Jahrhunderts einen Fährbetrieb.

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Fahrtechnisch ist das Mittelrheintal anspruchsvoll: In den engen Windungen des Rheins muss er gut auf den Gegenverkehr achten. Man sagt, dass der Rhein am Loreley-Felsen mit rund 25 Metern seine tiefste Stelle hat:

"Aus Liebesbande war keine Rettung mehr"– heißt es bereits am Anfang des Loreley-Gedichts von Brentano. Die unglücksbringende Zauberin – für die Familie von Nico Gradowitsch ist sie ein Segen: Garantiert der Rummel um sie ihnen doch immer wieder vollbesetzte Boote. Deshalb kann Nico Gradowitsch auch ruhig hin und wieder einen Blick zum Loreley-Felsen riskieren, wenn er im Führerhaus seines Bootes sitzt. Blonde Schönheiten kommen lediglich als Touristen ins Mittelrheintal.

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