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Politik

"Love out loud" - Die re:publica entwickelt Gefühle

Konstantin Klein Berlin
8. Mai 2017

Wer die re:publica für ein Treffen ungewaschener Technik-Nerds hält, war noch nie dort. Vom Klassentreffen der deutschen Blogger hat sie sich zur ernstzunehmenden Konferenz über die Gesellschaft der Zukunft entwickelt.

re:publica 2017
Bild: picture alliance/dpa/B.Pedersen

Carolin Ehmcke, Autorin und Friedenspreisträgerin, weiß, was man auf der re:publica von ihr erwartet. Ihren ersten Auftritt vor einem Jahr bezeichnet sie als "Desaster", weil sie ganz uncool mit einem fertigen Text auf die Bühne gekommen sei. Diesmal weiß sie es besser - und tritt mit einem Text auf die Bühne und einer PowerPoint-Präsentation aus gerade mal fünf Folien.

Liebe auf Befehl?

Die re:publica, mit geschätzten 8000 Teilnehmer und über 1100 Speakern die größte Konferenz ihrer Art, stellt sich in diesem Jahr in neuer Aufmachung dar. Herrschten 2016, zum 10-Jährigen, die coolen Farben schwarz, grau und silber vor, ist 2017 alles hellblau, rosa, gelb und aus Sperrholz. "Love out loud" ist das Thema der Konferenz, die sich in früheren Jahren eher ironisch mit Datingtipps für Nerds an das Thema angenähert hat. Eine Abwandlung des "LOL", der im Internetslang gebräuchlichen Wendung "Laughing out loud", die Lachen suggeriert.

Carolin Ehmcke reflektiert darüber: "Love out loud" - das ist eine Aufforderung, ein Befehl. Aber kann man Liebe befehlen? Oder bezieht sich die Aufforderung auf das "out loud", darauf, Scham zu überwinden und sich zu einer bestimmten, der eigenen Art zu lieben zu bekennen?

Carolin Ehmcke auf der re:publica 2017Bild: DW/K. Klein

Zum Glück dauert Ehmkes Rede 45 Minuten, und so kommt sie auch noch zu dem aktuellen Hintergrund des re:publica-Mottos: der Hass, der sich nicht nur auf Netzplattformen wie Facebook oder YouTube breitmacht, sondern zunehmend in der politischen Wirklichkeit des Jahres 2017. "Dem Hass ist die Scham abhanden gekommen. Wer dem Hass mit Hass begegnet, hat sich schon verformen lassen. Diesen Triumph sollten wir denen, die hassen, nicht lassen", sagt Ehmcke, und die re:publicaner applaudieren stehend.

"Wir müssen was gegen Hate Speech machen", sagt Tanja Haeusler, eine der Organisatoren der Konferenz im DW-Gespräch. "Ich habe manchmal das Gefühl, es wird ganz viel dagegen gemacht. Aber es gibt viele Kampagnen, bei denen ich nicht weiß, wieviel die bringen. Ich weiß nicht, wieviel es bringt, wenn ich Kindern und Jugendlichen sage, sie sollen das unterlassen, wenn ich in Wahrheit sehe, dass Regierungen hinter hate speech stecken."

Gegen Fake News schon verloren?

Mit Veranstaltungen zu "Fake News, Leaks und Desinformation", zur These "Survival of the Fakest?" oder zum Thema "Die Macht der Sprachbilder" greift die Konferenz aktuelle Erscheinungen auf, die neuen Waffen in der politischen Auseinandersetzung. ZDF-Moderator Claus Kleber sagt: "Den Wettlauf gegen Fake News haben wir schon verloren. Es dauert zwei Minuten, eine Falschmeldung in die Welt zu setzen, und drei Tage, sie zu widerlegen." Er nennt Fake News "Um-zu-Nachrichten", Nachrichten, die mit einer bestimmten Absicht geschaffen werden, nicht versehentlich. Oft bleibt auch nur die Falschmeldung im Gedächtnis der Öffentlichkeit, nicht die Richtigstellung durch Journalisten, berichtet die ZDF-Journalistin Eva-Maria Lemke.

Mit Liebe hat die Auseinandersetzung nichts zu tun, schon eher mit dem Hass, den Carolin Ehmke anprangert, und mit dem Respekt, den sie einfordert. "Wir brauchen nur Respekt, und manchmal würde es höfliche Gleichgültigkeit auch tun. Eine plurale Gesellschaft wirklich zu wollen, heißt auch, Differenzen auszuhalten”, sagt sie.

Bild: DW/K. Klein

Ein Präsident lädt ein

Vor der Saaltür sitzt ein US-Präsident. Ja, es soll Donald Trump sein, und die lebensgroße Plüschfigur lädt lächelnd dazu ein, sich zu ihr zu setzen. Wer das tut - und es sind nicht viele - bekommt von dem Plüschpräsidenten etwas Freundliches ins Ohr gegrummelt. Ein Projekt einer Hamburger Kreativ-Agentur, die möglicherweise testet, zu wieviel "Love" die Besucher bereit sind.

Die re:publica im Zeichen der Liebe als Gegenkraft zum Hass in der Gesellschaft - so deutlich hat sie es in den elf Jahren ihres Bestehens noch nicht gemacht. Für Tanja Haeusler ist das aber nichts Neues: "Die re:publica war immer auch eine Kuschelveranstaltung." Früher für ein paar hundert Blogger, jetzt eben für 8000.

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