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Luca Waldschmidt : Mit langem Anlauf nach oben

Niklas Potthoff
29. August 2019

Erstmals beruft Bundestrainer Joachim Löw den Freiburger Stürmer Luca Waldschmidt in die Nationalmannschaft. Der Torschützenkönig der U21-EM steht damit vor der nächsten Stufe einer bemerkenswerten Entwicklung.

Luca Waldschmidt
Bild: Getty Images/A. Sabattini

Mit seinen knapp 1,81 Metern ist Gian-Luca Waldschmidt alles andere als ein Kopfball-Ungeheuer. Doch am 20. Mai 2017 zählt nur der unbedingte Wille. Am letzten Spieltag der Bundesligasaison braucht der Hamburger SV einen Sieg gegen den VfL Wolfsburg, um den Gang in die Abstiegsrelegation zu vermeiden. Beim Stand von 1:1 wird Waldschmidt in der 86. Minute eingewechselt. Zwei Minuten später schraubt sich der Stürmer nach einer maßgeschneiderten Flanke von Teamkollege Filip Kostic in die Luft - und köpft zum umjubelten Siegtreffer ein. Wolfsburg muss in die Relegation, der HSV bleibt einmal mehr in der Bundesliga. Der Held des Tages heißt Luca Waldschmidt. Der feiert sein Tor im Stile eines echten Weltklasse-Stürmers: Er imitiert den Jubel des französischen Stürmerstars Antoine Griezmann. Ein Vorbild für Waldschmidt, das in jenen Tagen beim HSV noch weit weg erscheint.

Luca Waldschmidt Sekunden nach seinem entscheidenden Kopfballtor für den Hamburger SV im Mai 2017.Bild: picture alliance/dpa/C. Jaspersen

Lange Anlaufzeit in der Fußball-Bundesliga

Denn dass gerade Waldschmidt der Matchwinner für die Hamburger sein würde, hatte sich nicht gerade angedeutet. Der Stürmer hatte zuvor bei knapp 30 Einsätzen nicht ein Bundesliga-Tor erzielt. Weder für den HSV, noch für seinen Ausbildungsverein, Eintracht Frankfurt. Dabei hatte Waldschmidt in der Jugend überragende Quoten: In der U17-Bundesliga markierte er in 40 Spielen 30 Treffer, auch in der U19-Bundesliga zeigte er sich treffsicher: 14 Tore in 29 Partien.

Doch der Übergang zu den Profis ist für alle Talente ein entscheidender Moment - und fiel auch Waldschmidt nicht leicht. In Frankfurt unterschreibt er zwar 2014 einen Profivertrag, kommt jedoch in den folgenden zwei Jahren nur auf 15 Einsätze im deutschen Fußball-Oberhaus. Frankfurt würde das Talent gerne behalten, doch Waldschmidt will mehr Spielzeit - und wechselt zum Hamburger SV. Doch der Verein befindet sich in einer Art Dauerkrise. Das macht es für junge Spieler schwer. Nach seinem alles entscheidenden Treffer gegen Wolfsburg erhoffen sich viele, dass Waldschmidt nun der Durchbruch gelingt. In der darauffolgenden Saison bringt er es auch immerhin auf über zwanzig Einsätze. Doch ein Tor gelingt ihm nur einmal: wieder gegen den VfL Wolfsburg, wieder kurz vor Saisonende. Diesmal hilft alles nichts: Der HSV steigt ab.

Familienmensch Waldschmidt

Die zweite Liga wäre im Hause Waldschmidt keine neue Erfahrung. Vater Wolfgang absolvierte in den 80er Jahren dort 14 Partien für den SV Darmstadt. Die ganze Familie Waldschmidt ist fußballverrückt: In Hamburg lebte Luca zusammen mit seinem Cousin Sven Waldschmidt, der für den Oberligisten Altona 93 spielte.

Auch beim hessischen Heimatverein, dem SSV Oranien Frohnhausen, finden sich in der Spielerliste immer noch mehrere Waldschmidts. Luca wird von seiner Umgebung als Familienmensch beschrieben, der oft in seine Heimat in den Westerwald fährt - und dann am Spielfeldrand steht und seinen Verwandten beim Kicken zuschaut.

Quantensprung beim SC Freiburg

Nach dem Abstieg des HSV verschlägt es Luca Waldschmidt beruflich vom Norden in den Süden: Der SC Freiburg zieht die Ausstiegsklausel im Vertrag des Stürmers, der nun für fünf Millionen Euro zur Mannschaft von Christian Streich wechselt. Man sehe noch viel Potenzial in dem Spieler, heißt es bei der Verkündung des Transfers. Eine gern genutzte Floskel im Fußball-Business. Doch über welches Potenzial die neue Nummer 11 der Freiburger verfügt, zeigt er in der folgenden Saison. Im beschaulichen Breisgau wird er schnell zum Stammspieler. Er übernimmt Verantwortung, schießt anstelle von Nils Petersen die Elfmeter. Und er trifft endlich auch regelmäßig in der Bundesliga. Neun Tore gelingen ihm in der vergangenen Spielzeit. 

Luca Waldschmidt feiert einen Treffer für den SC Freiburg gegen Hannover 96.Bild: Imago/J. Hübner

Plötzlich Torschützenkönig - und im Fokus anderer Vereine

Dann kommt im vergangenen Juni die U21-Europameisterschaft in Italien und San Marino. Und wie früher schon in den Jugendmannschaften von Eintracht Frankfurt gelingt Luca Waldschmidt unter Gleichaltrigen plötzlich fast alles: Ob per Lupfer, Fernschuss oder Freistoß - jeder Ball scheint den Weg ins Tor zu finden. Mit sieben Treffern wird er Torschützenkönig des Turniers, schießt die Mannschaft ins Finale, wo sie von Spanien gestoppt wird. 

Waldschmidts Leistungen wecken natürlich das Interesse anderer Vereine. Von Lazio Rom oder Benfica Lissabon ist die Rede, auch in der Bundesliga schauen viele Vereine jetzt genauer hin. So eine Turnierleistung kann einen jungen Profi vor verführerische Angebote stellen. Doch im Gegensatz zu seinem großen Idol Griezmann, der zeitgleich für 120 Millionen Euro von Atletico Madrid zum FC Barcelona wechselt, lässt Luca Waldschmidt erst gar keine Spekulationen über einen möglichen Wechsel aufkommen. Er stellt klar: Ich bleibe in Freiburg. Er sei dankbar für die Chance, die ihm der Club gegeben habe, sagt der Stürmer.

Luca Waldschmidt im Halbfinale der U21-Europameisterschaft. Neben einem Elfmeter- gelingt ihm auch ein Freistoßtor kurz vor Schluss, das die Mannschaft ins Finale bringt.Bild: imago/C. Purini

Im Breisgau in guter Gesellschaft

Kürzlich meinte Waldschmidt, er habe in der letzten Saison angefangen, sich wie ein Bundesligaspieler zu fühlen. Mit seinen nun 23 Jahren hat er in Sachen Bundesligaspiele bald die magische 100 vor der Brust. Mit seiner Marke aus der vergangenen Saison mit neun Treffern wird er sich aber nicht zufrieden geben. In den ersten beiden Saisonspielen trifft Waldschmidt direkt. Es könnte seine Saison werden. Dass man es auch in Freiburg zum Nationalspieler schaffen kann, hatte erst im vergangenen Jahr ein Teamkollege Waldschmidts bewiesen: Sturmkollege Nils Petersen stand sogar im vorläufigen WM-Kader. Und bei einem Blick auf die Freiburger Vereinshistorie fällt auf, dass auch der Rekordtorschütze der Breisgauer mit 83 Treffern kein Unbekannter ist: Bundestrainer Joachim Löw.

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