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Tierquälerei? Ludger Beerbaum wehrt sich

Andreas Sten-Ziemons mit dpa, SID, St. Georg
13. Januar 2022

Ein TV-Bericht über verbotene Trainingsmethoden bringt Springreiter Ludger Beerbaum ins Kreuzfeuer. Der Olympiasieger weist die Vorwürfe von sich und kündigt juristische Schritte an. Die Staatsanwaltschaft beobachtet.

Springreiter Ludger Beerbaum schaut unzufrieden und nestelt an seiner Corona-Schutzmaske, die er unter dem Helm trägt
Sieht sich mit schweren Vorwürfen konfrontiert: Springreiter Ludger BeerbaumBild: Rolf Vennenbernd/dpa/picture alliance

Ludger Beerbaum, viermaliger Olympiasieger im Springreiten, hat sich gegen die am Dienstag in einem Beitrag des TV-Magazins "RTL extra" erhobenen Vorwürfe gewehrt, er wende bei seinen Springpferden verbotene Trainingsmethoden an. Der 58-Jährige, der in Riesenbeck, im Norden Nordrheinwestfalens, einen Trainings- und Zuchtstall betreibt, kündigte juristische Schritte gegen die Urheber an. "Der Beitrag von 'RTL extra' ist in vielen Punkten nachweislich falsch, verleumderisch und ehrverletzend", heißt es in einem von Beerbaum veröffentlichten Statement am Mittwoch: "Natürlich werden wir juristische Schritte dagegen einleiten. Es ist nicht hinzunehmen, dass heimlich auf meinem privaten Grund und Boden gefilmt wurde."

Umgekehrt hält die Staatsanwaltschaft Münster Ermittlungen gegen Beerbaum nicht für ausgeschlossen. "Wir haben ein Auge drauf", erklärte ein Sprecher am Donnerstag. Die Tierrechtsorganisation Peta kündigte ebenfalls am Donnerstag an, Strafanzeige wegen quälerischer Tiermisshandlung gegen Ludger Beerbaum und eine weitere, derzeit noch unbekannte Person, zu erstatten.

Barren oder Touchieren?

In der Sendung "RTL extra" sollte auf der Basis heimlich gedrehter Videoaufnahmen der Beweis erbracht werden, dass in den "Ludger Beerbaum Stables" das unerlaubte Barren beim Training der Springpferde zur Anwendung kommt. Beim Barren wird den Pferden während des Sprungs mit einer Stange schmerzhaft gegen die angewinkelten Vorderläufe geschlagen. Damit soll erreicht werden, dass die Tiere künftig aus Angst vor weiteren Schmerzen höher springen.

Erlaubt ist dagegen das leichte Touchieren der Vorderläufe beim Sprung. Ob es sich bei dem Reiter, der im Filmbeitrag zu sehen ist, tatsächlich um Ludger Beerbaum handelt, lässt sich allerdings nicht mit letzter Sicherheit erkennen. Zu sehen ist jedoch, dass hinter dem Hindernis eine zweite Person steht, die beim Sprung des Pferdes eine lange Latte nach oben in Höhe der Vorderbeine hebt.

Ludger Beerbaum: "Hat mit Barren nichts zu tun"

Die gezeigten Szenen auf dem Reitplatz, "haben mit Barren nichts zu tun", sagt Beerbaum, der sich momentan in den USA aufhält. "Es handelt sich dabei um erlaubtes Touchieren, das von einem erfahrenen, routinierten Pferdefachmann durchgeführt wurde." Der im Video zu sehende Gegenstand habe die Vorgaben der Deutschen Reiterlichen Vereinigung (FN) für ein zulässiges Touchieren erfüllt: "Nicht länger als drei Meter, maximal zwei Kilogramm schwer." Tatsächlich wird das Touchieren von Springreitern als Trainingsmethode eingesetzt. Allerdings nicht von allen und auch nicht bei jedem Training.

Paul Schockemöhle (l.) versuchte seine Trainingsmethode im Aktuellen Sportstudio zu verteidigenBild: Erwin Elsner/dpa/picture alliance

Das Barren ist von der FN verboten, seit es im Jahr 1990 einen Skandal um den ehemaligen Top-Springreiter Paul Schockemöhle gegeben hatte. Schockemöhle hatte damals seine Pferde mit gezielten, harten Schlägen vor die Schienbeine trainiert.

Gefühl, Sensibilität und Erfahrung beim Touchieren

Zum Touchieren ist in den FN- Richtlinien für Reiten und Fahren folgendes festgelegt: Es handele sich "um ein fachgerechtes Sensibilisieren des Pferdes durch gezieltes Berühren der Pferdebeine im Sprungablauf". Das Halten der Touchierstange dürfe "nur von sehr erfahrenen, routinierten Pferdefachleuten durchgeführt werden, die über genügend Gefühl, Sensibilität und Erfahrung verfügen". Was der Begriff "fachgerecht" meint und welche Qualifikation die "routinierten Pferdefachleute" besitzen müssen, ist dagegen nicht explizit festgeschrieben.

Der Bundestrainer der Springreiter, Otto Becker, wollte sich gegenüber der DW nicht zu den Vorwürfen äußern, sondern verwies auf die offiziellen Statements der FN. Der Verband hatte bereits vor Beerbaums Äußerung angekündigt, die Vorwürfe zu prüfen. Auch der Weltverband FEI hat sich eingeschaltet. Man habe eine Untersuchung zu den gezeigten Szenen eingeleitet und bereits mit der FN Kontakt aufgenommen, teilte die FEI am Mittwoch mit: "Das Wohlergehen des Pferdes ist immer entscheidend, und die FEI verurteilt alle Maßnahmen, die im Gegensatz dazu stehen." Die in dem Beitrag gezeigten Methoden seien "absolut inakzeptabel und widersprechen allen FEI-Regularien".

Videomaterial aus dem Jahr 2021

Laut dem Pferdesport-Fachmagazin "St. Georg" handelt es sich bei den gezeigten Trainingsbildern nicht um neue Aufnahmen. Wie das Magazin in seiner Onlineausgabe berichtet, habe RTL bereits im Mai 2021 Kontakt mit der FN aufgenommen und einen Fernsehbeitrag zum Thema Barren angekündigt. Der Verband habe daraufhin darum gebeten, das Material sichten zu dürfen und die Namen der involvierten Personen zu erfahren. Beides habe der Sender nicht gewährt. Die Deutsche Reiterliche Vereinigung erstattete daraufhin Anzeige gegen Unbekannt, um ihrer "Verantwortung für den Tierschutz im Pferdesport" nachkommen zu können.

FN-Generalsekretär Soenke LauterbachBild: Friso Gentsch/dpa/picture alliance

Allerdings verlief die Anzeige im Sande. Zudem verzichtete RTL auf die Ausstrahlung der Bilder. Es könne "nach Rücksprache mit Experten kein eindeutiger Verstoß gegen das Tierwohl respektive ein Verstoß gegen das Tierschutzgesetz unzweifelhaft bewiesen werden", sagte eine Sprecherin des Senders damals.

"Wir fordern RTL erneut auf, uns das Material vollständig zur Verfügung zu stellen", sagte FN-Generalsekretär Lauterbach nach den nun erneut erhobenen Vorwürfen, damit man den Sachverhalt seriös beurteilen könne. Unabhängig von dem gezeigten Beitrag könne man aber klar sagen, "dass der Gebrauch von Vierkantstangen sowie genopptem oder gestacheltem Stangenmaterial inakzeptabel ist und nicht im Einklang steht mit den Grundsätzen des fairen Pferdesports".

Kantige Stangen für den Zaunbau oder für das Training?

Weiter kommt im RTL-Beitrag eine heimlich gedrehte Szene vor, in der eine als Praktikantin getarnte RTL-Mitarbeiterin in einer Scheune kantige Holzstangen findet. Dazu stellte Ludger Beerbaum fest, es handele sich dabei um Holzstangen, "die ausschließlich für den Bau und die Reparatur unserer Weidezäune benutzt werden. Gut im Film sichtbar sind die an den Stangen befestigten Isolatoren für die Zaunbänder. Sobald behauptet wird, dass diese zum Barren von Pferden eingesetzt werden, ist dies unzutreffend", so der vierfache Olympiasieger.

Das gelte auch für die sich auf einem Dachboden befindlichen Stangen mit den Noppen, die RTL in dem Beitrag gezeigt hatte. "Dazu kann ich nur sagen, dass diese Elemente dort seit Jahren liegen", sagte Beerbaum: "Diese stammen aus einem gekauften Bestand von Hindernissen und wurden aussortiert, damit sie nicht benutzt werden. Sie werden auch nicht beim Training mit Pferden eingesetzt."

Wie nun eines dieser Teile, "blank geputzt und sauber", zwischen die gebräuchlichen Hindernisstangen komme, "kann ich nur mutmaßen. Für mich ist es naheliegend, dass explizit für den Beitrag eine dieser Stangen dorthin gelegt wurde. Hierzu werden wir weitere Nachforschungen anstellen."

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