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Luftfahrt auf der Suche nach Nachhaltigkeit

Andreas Spaeth
4. Januar 2022

Das vergangene Jahr war für die internationale Luftfahrt ein Desaster: für Airlines, Flugzeugbauer und Flughafenbetreiber. Doch trotz der anhaltenden Pandemie blickt die Branche verhalten optimistisch auf das neue Jahr.

Kanada Vancouver Lufthansa A 330-300 beim Start
Neu durchstarten: Wie realistisch ist der Wunsch der Branche angesichts neuer Corona-Varianten und der Klimakrise?Bild: Bayne Stanley/ZUMA Wire/picture alliance

Gerade schien sich die seit bald zwei Jahren von der Pandemie gebeutelte Flugbranche einigermaßen erholt zu haben. In einigen Wochen der Sommerferien 2021 lag das Verkehrsaufkommen vereinzelt fast wieder so hoch wie vor der Pandemie, in seltenen Fällen sogar darüber. Mitte Dezember waren über Europa rund drei Viertel der Flüge im Vergleich zum gleichen Zeitraum 2019 unterwegs.

Wobei sich die Gewichte erheblich verschoben haben: Ryanair als größter Anbieter legte nach Angabe von Eurocontrol Mitte Dezember viermal so viele Flüge auf wie British Airways, doppelt so viele wie Easyjet oder Turkish Airlines und sogar weit mehr als doppelt so viele wie die Lufthansa.

Ryanair war auch die einzige Airline, die mit zwölf Prozent Zuwachs signifikant mehr Flüge durchführte als exakt zwei Jahre zuvor. Bei Lufthansa und Air France waren es dagegen jeweils 21 Prozent weniger, British Airways verzeichnete sogar einen Rückgang von 35 Prozent.

Unsichere Aussichten, verhaltener Optimismus

Doch nun naht mit der Omicron-Variante neues Unheil. "Ab Mitte Januar bis Februar sehen wir einen scharfen Abriss in den Buchungen", hatte Lufthansa-Chef Carsten Spohr zu Weihnachten gegenüber der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung (FAS) geklagt. "Im Winterflugplan müssen wir daher im Konzern 33.000 Flüge oder rund zehn Prozent streichen."

Auch 2022 gilt: Ohne den Nachweis, geimpft zu sein, wird kein Passagier an Bord gehen könnenBild: Frank Hoermann/SVEN SIMON/picture alliance

Noch härter erwischte es Ryanair, die sich aber auch am schnellsten mit viel Kapazität auf den Markt gewagt hatte. Der irische Billigflieger strich für Januar ein Drittel seiner geplanten Kapazität und erwartet nun statt der ursprünglich angepeilten zehn Millionen nur sechs bis sieben Millionen Fluggäste.

Und global sieht es auch alles andere als rosig aus derzeit - vor allem in Asien. China hat seit Beginn der Pandemie das Land für ausländische Besucher faktisch geschlossen. Andere Märkte wie Thailand und Singapur, die gerade behutsam auf Öffnung setzten, machen jetzt wieder einen Schritt zurück. Auch Neuseeland hatte seine Öffnungspläne jüngst wieder verschoben, Australien plant sie weiter für Anfang 2022.

Trotzdem blickt die Branche verhalten optimistisch auf das neue Jahr:Lufthansa, nachdem sie ihre Staatsschulden vorzeitig zurückgezahlt hat, will wieder in die schwarzen Zahlen zurückkehren. Das Fachblatt Airline Business schreibt: "Es gibt weiter solide Gründe zu glauben dass 2022 bedeutend besser sein kann für die Airline-Branche als 2021, aber erst wenn die Omicron-Welle abebbt."

Nachhaltigkeit wird wichtiger

Auf der Agenda ganz oben steht weiterhin die Nachhaltigkeit der Branche, das hat sich durch die Pandemie eher noch verstärkt. Erste Hybridflugzeuge mit Wasserstoff-Elektroantrieb sollen 2022 in die Luft gehen. So der Prototyp einer 19-sitzigen in Deutschland gebauten Dornier 228, umgerüstet vom britischen Unternehmen Zeroavia - die Industrie macht vielfältige Anstrengungen, um bis 2050 klimaneutral zu werden.

Die Lufthansa will - nach Rückzahlung der staatlichen Unterstützung - wieder in die schwarzen Zahlen zurückkehrenBild: Daniel Kubirski/picture alliance

Dazu gehört auch die verstärkte Nutzung von nachhaltigem Flugtreibstoff, der als sinnvolle Überbrückungsmaßnahme gilt, bis künftig neue Energieträger Flugzeuge antreiben können. Dafür ist allerdings die bisher sehr teure Produktion massiv zu steigern, wozu die Politik mit festen Quoten für die Beimischung synthetischen Kerosins verstärkt Anreize schaffen muss.

Zu viele sinnlose Leerflüge

Allerdings gibt es auch Ärgernisse - etwa die Tatsache, dass, wie Carsten Spohr im FAS-Interview beklagte "wir 18.000 zusätzliche, unnötige Flüge durchführen müssen, nur um unsere Start- und Landrechte zu sichern", was den EU-Klimazielen genau entgegen wirke.

Nachdem die EU-Kommission 2020 die strengen Regeln ausgesetzt hatte, gemäß denen eine Gesellschaft die sogenannten Slots nur behalten kann, wenn sie sie auch zu mindestens 80 Prozent nutzt, gelten derzeit 50 Prozent und ab Ende März wieder 64 Prozent Nutzungspflicht zum Erhalt der begehrten Zeitfenster.

Gerade die Billigflieger würden zur Freude der Flughäfen gern viele der Slots übernehmen, die EU muss hier ein möglichst gerechtes, flexibles System der Vergabe finden, das aber sinnlose Leerflüge minimiert.

Neuer Konkurrent

Im neuen Jahr stehen auch interessante Meilensteine in der Flugzeugbranche an. Gerade wurde der zweistrahlige russische Passagierjet Irkut MC-21 von den Behörden für den Passagierverkehr zugelassen, die beiden Platzhirsche Airbus und Boeing bekommen somit erstmals in der Klasse ihrer Jahrzehnte alten Bestseller Airbus A320 und Boeing 737 Konkurrenz.

Ein Airbus A380-800, der europäische Riesenflieger wird nicht mehr gebaut und ist bereits LuftfahrtgeschichteBild: picture alliance/dpa

Wie sehr sich das auf dem Markt niederschlägt muss sich zeigen. Vor allem Boeing hatte zuletzt zu spüren bekommen, dass das hauseigene Angebot nicht mehr zeitgemäß ist, nachdem sich treue Stammkunden wie Qantas und KLM im Dezember entschieden hatten, erstmals zu Airbus überzulaufen und Flugzeuge der A320neo-Familie zu bestellen.

Fortschreitende Marktfragmentierung

Irgendwann im Frühjahr 2022 steht dabei in Hamburg-Finkenwerder der Erstflug eines interessanten Familienzuwachses an: Der Airbus A321XLR ist dank Zusatztanks erstmals in der Lage, 180 bis 220 Passagiere über bis zu 8.700 Kilometer weit auf Langstreckenflügen zu transportieren, aber zu Stückkosten eines kleineren Mittelstreckenflugzeugs. Und damit erstmals wirtschaftlich auch von kleineren Flughäfen einsetzbar, um direkte Interkontinentalrouten abzudecken. So äußerte jüngst etwa der Chef des Nürnberger Flughafens Interesse an direkten Flügen an die US-Ostküste mit dem neuen Airbus A321XLR - möglich wäre es dann.

Dieser fortschreitende Trend zur Fragmentierung des Marktes, wo immer mehr Passagiere unter Umgehung der großen Drehkreuze ihre Ziele nonstop erreichen können, hatte bereits zum Misserfolg des riesigen Airbus A380beigetragen. Anfang 2022 wird nun auch nach über 50 Jahren die Produktion des legendären Boeing-Jumbos, der Boeing 747, eingestellt, die zuletzt in der Passagierversion gar keinen Absatz mehr fand. Ein stolzer Rekord, noch nie wurde ein Verkehrsflugzeug mehr als ein halbes Jahrhundert lang gebaut.

 

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