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Luftfahrt: Airbus hat Boeing abgehängt

Dirk Kaufmann
16. Juni 2025

Boeing dominierte einst den Flugzeugmarkt – bis Airbus kam. Heute kämpft der US-Konzern Boeing mit Imageproblemen und Skandalen, die seine einstige Vormachtstellung ins Wanken bringen.

Ein Airbus A380 in Werkslackierung und eine Boeing 747 der United Airlines auf dem Vorfeld des Frankfurter Flughafens - der Airbus rollt bereits, die Boeing noch nicht (17.03.2007)
Symbolträchtige Aufnahme einstiger Flaggschiffe: der Airbus rollt zum Start, die Boeing noch nicht (Archivbild)Bild: Boris Roessler/dpa/picture alliance

Flugreisen gelten als die sicherste Art, lange Strecken zu überwinden. Rein statistisch gesehen ist die Fahrt zum Flughafen für die Reisenden gefährlicher als das Fliegen selbst. Statistisch.

Stürzt ein Flugzeug aber ab, wie in dieser Woche der Air-India-Flug 171, verbietet sich ein Blick in die Statistik. Denn 269 Menschen starben, darunter 241 der 242 Flugzeuginsassen. Sie verloren ihr Leben bei dem ersten Totalverlust einer Maschine vom Typ Boeing 787-8.

Boeing 787 der Air India im Landeanflug auf London-Heathrow (Archivbild)Bild: Nicolas Economou/NurPhoto/picture alliance

So schrecklich ein solcher Unfall ist, so weitreichend sind seine Folgen auch in wirtschaftlicher Hinsicht. Denn neben Wirtschaftlichkeit und Umweltverträglichkeit ist vor allem die Betriebssicherheit das entscheidende Verkaufsargument für ein Passagierflugzeug.

Airbus hat die Nase vorn

Der US-Konzern war jahrzehntelang der führende Anbieter in der zivilen Luftfahrt. Doch in den vergangenen Jahren liefen die Geschäfte nicht mehr rund, es gab oft Verluste. 2024 verzeichnete Boeing mit rund 170.000 Angestellten einen operativen Verlust von fast elf Milliarden Euro, bei einem Umsatz von 66,5 Milliarden Dollar, umgerechnet 57,8 Milliarden Euro.

Zu diesem Zeitpunkt hatte der europäische Flugzeugbauer Airbus die Amerikaner im Passagierflug-Segment bereits überholt. Airbus, der Konzern hat seinen Sitz im Leiden in den Niederlanden, erwirtschaftete im selben Zeitraum mit rund 160.000 Mitarbeitern einen operativen Gewinn von rund fünf Milliarden Euro, bei einem Jahresumsatz von 69,2 Milliarden Euro.

Auch die Zahlen für die Auslieferungen von Passagiermaschinen sprechen eine deutliche Sprache: Die Europäer haben die Nase vorn und bauen ihren Vorsprung noch aus.

Allerdings sind die Zahlen für Produktion und Verkauf von Maschinen für die zivile Luftfahrt nur bedingt aussagekräftig. Denn beide Konzerne sind auch in der Raumfahrt tätig und außerdem Rüstungsfabrikanten. Das macht eine vergleichende Beurteilung, wie später zu sehen sein wird, insgesamt schwierig.

Pech und Pannen

Der Absturz der Air-India-Maschine ist nur der vorläufig letzte dunkle Punkt in der Boeing-Statistik. In den vergangenen Jahren waren die US-Amerikaner von einem Fettnäpfchen ins nächste getreten, hatten eine Panne nach der anderen verkraften und immer wieder Rückschläge wie jetzt den Absturz in Indien hinnehmen müssen.

Das beste Beispiel für den unglücklichen Trend - gerade im Vergleich zu Airbus - bietet der Umgang mit der jeweils größten Maschine im Portfolio: Bei Airbus war dies die A380, die größte Passagiermaschine überhaupt. Für den Betrieb dieses Flugriesen hatten Flughäfen weltweit ihre Infrastruktur anpassen müssen, weil die Terminals und Abfertigungskapazitäten einfach nicht groß genug waren.

Auftragsmangel bei Airbus A380

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Als klar wurde, dass vielen Airlines die A380 doch zu groß war, stellte Airbus die Produktion 2021 ein. Der Riesenjet war wegen seiner beiden zusätzlichen Triebwerke im Unterhalt zu teuer. Außerdem sind Flugzeuge mit einer so großen Zahl von Sitzen (bei einer A380 zwischen 500 und 850) nur schwer auszuverkaufen und daher oft wirtschaftlich nicht kalkulierbar.

Vom Dreamliner zum Albtraumflieger

Anders bei Boeing. Als der Konzern Produktion und Verkauf des legendären Jumbo-Jets 747 eingestellt hatte, weil das Modell nicht mehr zeitgemäß war, sollte ein Versuch unternommen werden, auf die A380 von Airbus zu reagieren und selbst wieder ein konkurrenzfähiges Langstreckenflugzeug anzubieten. Dazu setzte man mit der Weiterentwicklung der 767 auf die neue 787 - "Dreamliner" genannt.

Rollout des Dreamliners im Boeingwerk Everett (2007)Bild: DPA

Doch statt ein Traumflieger (engl. Dreamliner) zu werden, entpuppte sich die neue Maschine eher als Albtraum. Bei dieser Maschine ging schief, was nur schiefgehen konnte.

Während Airbus die A380 fast geräuschlos aus dem Angebot nahm, brachte der Dreamliner für Boeing ganz schlechte Schlagzeilen: Es gab Schwierigkeiten mit neuen Verbundstoffen und Kommunikationsprobleme mit Zulieferern - mehrfach mussten Testflüge abgesagt und Erstflüge verschoben werden, Auslieferungsfristen konnten nicht eingehalten werden.

Schließlich gab es sogar Flugverbote: 2013 - die ersten Modelle waren ausgeliefert und im Einsatz - kam es unabhängig von einander zu zwei Zwischenfällen. Wegen Problemen mit den Batterien waren an zwei Maschinen Brände ausgebrochen.

Streit um Subventionen

Der Wettstreit zwischen den beiden Luftfahrtkonzernen geht nun schon seit der Gründung von Airbus im Jahr 2000 (unter dem Namen EADS) immer wieder in eine neue Runde. Beim Versuch, die Marktführerschaft zu übernehmen, wurden auch die Welthandelsorganisation und die Regierungen in Washington und Europa eingeschaltet.

Hauptstreitpunkt: Welcher Konzern erhält mehr staatliche Subventionen? Sind sie gerechtfertigt oder nicht? Eine fast nicht zu beantwortende Frage, denn während in den USA nur eine Bundesregierung involviert ist, reden in Europa gleich mehrere mit: unter anderem in den Niederlanden und Großbritannien, in Frankreich, Spanien, Deutschland und bei der EU in Brüssel.

Dazu kommt, dass beide Konzerne nicht nur in der Luftfahrt, sondern auch in der Raumfahrt und vor allem im Rüstungsgeschäft konkurrieren. Dabei rangieren sie weltweit zwar nicht auf den vorderen Rängen: Boeing liegt bei den größten Rüstungskonzernen auf Platz sechs sehr deutlich vor Airbus, das es nicht in die "Top Ten" schafft (Platz 13), doch "Big Player" sind sie allemal.

Das Problem: Als Rüstungsunternehmen sind sie weitgehend von Regierungsaufträgen abhängig. Von denen werden sie nicht nur mit Forschung und Entwicklung beauftragt, die Regierungen sind auch ihre wichtigsten Kunden. Da kann man Subventionen kaum genau quantifizieren oder bestimmten Geschäftsfeldern zuordnen.

Wo bleibt die Konkurrenz?

Der Flugzeugbauer Embraer aus Brasilien beschränkt sich auf kleine Maschinen, Bombardier aus Kanada bedient inzwischen ausschließlich den Nischenmarkt für Business-Jets.

Singapur 2018: Modell der C919 von Comac - inzwischen ist die Maschine bereits im DienstBild: Nicholas Yeo/AFP/Getty Images

Doch einer der größten Luftfahrtmärkte der Welt ist China und dort gibt es inzwischen auch einen zu beachtenden Flugzeugbauer: die Commercial Aircraft Corporation of China Ltd., kurz COMAC. Die Gesellschaft wurde unter anderem von der chinesischen Regierung 2008 in Shanghai gegründet.

2015 wurde das erste Exemplar der C919 präsentiert, das erste zweistrahlige Passagierflugzeug, das vollständig in China zusammengebaut wurde. Gemeinsam mit dem Luftfahrt- und Rüstungskonzern OAK aus Russland will COMAC bis 2028 eine Langstreckenversion C929 bauen. Wenigstens bis dahin beschränkt sich der Wettbewerb auf dem Markt für zivile Großraumflugzeuge auf die Protagonisten aus den USA und Europa.

 

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