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Luftfahrt nicht auf Klimakurs

2. Oktober 2019

Die Luftfahrt wächst rasant und damit der Ausstoß von Treibhausgasen. Läuft alles weiter wie bisher, dann könnten sich diese Emissionen bis 2050 vervierfachen. Das wäre schlecht für die Klimaziele. Wende in Sicht?

Niederlande Luftfahrtkonferenz in Den Haag
Luftfahrtkonferenz in Den Haag: Aktivisten fordern eine Steuer für Umweltschäden im FlugverkehrBild: Martijn Beekman

Die gute Nachricht zuerst: Klimaneutrales Fliegen könnte möglich werden mit konventionellen Verkehrsflugzeugen und dies auch in absehbarer Zeit.

Entscheidend dafür ist der Ersatz des Kerosins auf Erdölbasis durch klimaneutrale Kraftstoffe. Als zukunftsweisend gilt synthetisch erzeugtes Kerosin. Aus erneuerbaren Strom, Wasser und CO2 lässt es sich mit Hilfe der Elektrolyse herstellen oder auch in einem Solarreaktor.  

Die Technik funktioniert. Nach Einschätzung von Experten wäre die Umstellung sogar sehr zügig möglich. 

"Der globale Flugverkehr ließe sich komplett in 10 Jahren auf synthetische Kraftstoffe umstellen, wenn dies das erklärte und unnachgiebige Ziel wäre", sagt Christian Breyer, Professor für Solarökonomie an der Lappeenranta University in Finnland gegenüber der DW. 

Das große Problem dieser Kraftstoffe ist derzeit die Integration in den Markt: Es gibt nur kleine Anlagen, keine industrielle Produktion und ohne politische Steuerung wird es für das klimafreundliche Kerosin schwer, sich gegenüber der günstigeren, herkömmlichen Variante durchzusetzen. Es müssten Anreize geschaffen werden, damit dieser neue Treibstoff von den Fluggesellschaften auch nachgefragt wird. 

Mehr dazu: Klimaneutrales Öl aus Norwegen ab 2020 und Wie wird die Welt günstig klimaneutral? 

Flugverkehr mit klimaneutralen Flugrouten

Ein weiterer Baustein für einen wegweisenden Flugverkehr sind klimaneutrale Flugrouten: Flugzeuge verursachen in großer Höhe zusätzliche Klimaeffekte durch Stickoxide, Ozon, Ruß und Wolkenbildung.

Nach Angaben des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrtforschung (DLR) erzeugt der derzeitige Flugverkehr einen zusätzlichen Erwärmungseffekt der in derselben Größenordnung liegt wie das ausgestoßene CO2. Denn die Verbrennung von Kerosin in der Höhe hat einen doppelt so hohen Treibhausgaseffekt wie die Verbrennung von Kerosin am Boden. Das Umweltbundesamt (UBA) beziffert diesen Treibhauseffekt der Luftfahrt nach aktualisierten Berechnungen mit dem Faktor zwei bis drei.

Durch eine Optimierung von Flugrouten ließen sich diese zusätzlichen Treibhauseffekte allerdings deutlich reduzieren oder gar vermeiden. 

"Zum einen gibt es die Möglichkeit, besonders klimaschädliche Flugrouten für den Luftverkehr zu schließen", erklärt Urban Weißhaar, Flugroutenexperte bei Lufthansa Systems. Die andere Möglichkeit sei die Einbeziehung der Erwärmungseffekte in den Emissionshandel. Airlines die dann klimafreundliche Routen wählen zahlten weniger für die Luftverschmutzung und könnten so Geld sparen.

"Ich halte die Einführung eines entsprechendes Systems bis 2025 für machbar", sagt Atmosphärenforscherin Sigrun Matthes vom DLR der DW.

Mehr dazu: Klimaneutral fliegen – geht das? Und  Wann wird die Luftfahrt grün?

Mit Korrekturen der Flugrouten ließen sich die zusätzlichen Erwärmungseffekte durch die Luftfahrt zukünftig vermeiden.

Luftfahrt derzeit nicht auf Klimakurs

Um die Erderwärmung auf unter zwei Grad, möglichst 1,5 Grad noch zu begrenzen, müssten alle Treibhausgasemissionen laut Weltklimarat bis 2050 auf Null sinken. Derzeit ist der Trend in der globalen Luftfahrt jedoch ein anderer. 2018 emittierte laut International Council on Clean Transportation (ICCT) die kommerzielle Luftfahrt insgesamt 918 Millionen Tonnen CO2

Nach Prognosen der Internationalen Zivilluftfahrtorganisation (ICAO) wird sich der Treibstoffbedarf im internationalen Flugverkehr bis 2050 möglicherweise vervierfachen. Würden der Treibstoffbedarf wie bisher mit Erdöl gedeckt und die Flugrouten nicht für den Klimaschutz optimiert, wäre die global angestrebte Treibhausgasneutralität verfehlt.

"Letztendlich ist das große Ziel für alle im Jahr 2050 bei den Emissionen bei Netto Null zu sein und solange man noch Kerosin verbrennt ist das nicht möglich", erklärt Klimaforscher Carsten Warnecke vom NewClimate Institute gegenüber der DW.

Mehr dazu:  Noch ist Klimawandel begrenzbar und 1,5-Grad-Ziel mit enormen Anstrengungen möglich 

Für die gesetzten Klimaziele müssen die Treibhausgas schnell sinken. Ein weiterer Anstieg wäre für alle fatal.

Welche Lösungen werden diskutiert?

Derzeit diskutiert die internationale Luftfahrtorganisation (ICAO) über Ausgleichsmaßnahmen durch CO2-Verschmutzung im Luftverkehr (CORSIA). Mit Hilfe von CO2-Ausgleichszertifikaten soll ein kleiner Teil der Treibhausgasemissionen der Luftfahrt durch CO2-Einsparung an anderer Stelle ausgeglichen werden. 

In der Fachzeitschrift Nature Climate Change warnen Wissenschaftler in ihrer Analyse  jedoch davor, dass diese Maßnahmen wirkungslos fürs Klima sein könnten, da der Handel mit schon existierenden Verschmutzungsrechten keine neue CO2- Einsparung bewirke.

"Es besteht die reale Gefahr, dass die Maßnahme ihre Ziele verfehlen wird", sagt Co-Autor Warnecke gegenüber der DW. 

Sehr kritisch sehen das angedachte Emissionshandelssystem auch zahlreiche Umweltinitiativen. "CORSIA ist ein gefährliches Ablenkungsmanöver der Flugindustrie, das zu einem weiteren Anstieg der Emissionen führen wird", warnt Magdalena Heuwieser von der internationalen Initiative Stay Grounded. 

Stay Grounded, Umwelt- und VerkehrsverbändeUmweltbundesamt fordern vor allem die Vermeidung und Reduzierung des Flugverkehrs, um den Anstieg der Emissionen im Flugverkehr zu senken.

Als eine wichtige Maßnahme wird die Verlagerung des Flugverkehrs vor allem auf die Schiene gesehen. Hier sollten Anreize geschaffen werden.

"Derzeit wird der Flugverkehr massiv subventioniert. Beispielsweise ist Kerosin nach wie vor von der Energiesteuer befreit, auf internationale Flüge wird keine Mehrwertsteuer erhoben und der Betrieb von Flughäfen wird in vielen Fällen von staatlicher Seite subventioniert. Das sind Unmenengen von Geld in einen Verkehrsbereich der relativ wenig Menschen bewegt und vor allem die Besserverdienenden bewegt", erklärt Verkehrsexperte Jens Hilgenberg von der Natuschutzorganisation BUND. 

Auch sollten die Klimaschäden zukünftig in Ticketpreise eingepreist werden, rät etwa das Umweltbundesamt. Laut aktuellen  Berechnungen vom Umweltbundesamt verursacht eine Tonne CO2 Schäden rund 640 Euro in den nächsten 100 Jahren. Diese werden vor allem von jüngeren und nachfolgenden Generationen getragen und bezahlt werden müssen.

Preist man nur ein Teil dieser Schadenskosten in die Tickets mit ein, so würden klimaschädliche Flüge teurer und klimafreundlichere Verkehrsmittel im Vergleich attraktiv. Eine klimafreundliche Verkehrswahl würde so belohnt.

Einen Vorteil hätte die Einpreisung von Umweltkosten allerdings auch für die Flugbranche selbst: Nachhaltige Flüge und Airlines würden so belohnt, da der Preis für Kerosin aus Erdöl teurer würde und klimafreundliches Kerosin im Vergleich günstiger. Entsprechend könnte die Nachfrage nach alternativen Brennstoffen in der Luftfahrt steigen. 
 

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