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Worum geht's beim Pilotenstreik?

Rolf Wenkel
23. November 2016

Die Lufthansa muss und will Kosten sparen. Die Piloten wittern Sozialabbau und streiken - immerhin schon zum 14. Mal. Der Ausstand wurde gerade bis zum Freitag verlängert und eine Einigung ist noch in weiter Ferne.

Deutschland Symbolbild Streik der Lufthansa-Piloten
Bild: picture-alliance/dpa/A. Dedert

Der mittlerweile 14. Pilotenstreik bei der Lufthansa sorgt für Ärger und Unverständnis. Der aktuelle Ausstand hatte am Mittwoch begonnen und wurde inzwischen bis zum Freitag verlängert: Dann sollen keine Kurzstreckenflüge in Deutschland abheben. Die Lösung könnte eine Schlichtung bringen. Doch erst einmal müssten sich die Parteien auf eine Agenda einigen. Denn es geht um mehr als nur Lohnprozente. Woran hakt es?

Die Lufthansa-Piloten argumentieren, dass sie seit 2011 keinen Tarifabschluss zur Lohnerhöhung erzielt haben. Der Durchschnitt ihrer Forderungen, sagen die Piloten, betrage 3,66 Prozent pro Jahr. Diese Forderungen entsprächen denen anderer Gewerkschaften im gleichen Zeitraum, in den letzten drei Jahren hätten sich die Forderungen nur an der allgemeinen Tariflohnsteigerung in Deutschland orientiert.

Allerdings fordern die Piloten eine "strukturelle Anpassung bei den Copiloten" ab dem zwölften Beschäftigungsjahr, weil diese deutlich länger Copilot blieben als früher und deshalb ein deutlich niedrigeres Lebensarbeitsgehalt zu erwarten hätten als ihre Kapitäns-Kollegen. Diese Anpassung solle die Unterschiede lindern, heißt es. In der Summe fordert die Vereinigung Cockpit (VC) eine Gehaltserhöhung rund 20 Prozent.

Fünf Jahre keine Lohnerhöhung

Die Lufthansa argumentiert, sie werde einerseits von Billigairlines und andererseits von staatlich subventionierten Airlines aus den Golfstaaten in die Zange genommen. Eine Forderung von 20 Prozent sei in diesem schwierigen Marktumfeld schlicht unverhältnismäßig.

Das wiederum lassen die Piloten nicht gelten. Die größtenteils rückwirkenden Forderungen beliefen sich ungefähr auf die durchschnittliche Erhöhung der Bruttolöhne in Deutschland. Was die VC jetzt fordere, sei "nicht unverhältnismäßig, sondern entspricht dem, was alle deutschen Tarifangestellten in dieser Zeit an Lohnanpassung erfahren haben. Seit mehr als fünfeinhalb Jahren gibt es keine Anpassung der Gehälter der Piloten mehr. Das entspricht einem Reallohnverlust von fünf Prozent bis heute."

Das letzte Angebot der Lufthansa ist aus Sicht der VC  kein Angebot, sondern vielmehr eine Forderung seitens Lufthansa. "Die Forderung sah eine 44-monatige Nullrunde mit einem damit verbundenen Reallohnverlust vor. Für die im Anschluss an die Nullrunde gebotene Lohnanpassung verlangt Lufthansa eine Kompensation der Gehaltsanpassungen durch andere Tarifverträge. Damit zeigt sie deutlich, dass sie überhaupt nicht zu einem Ausgleich des Nachholbedarfs bereit ist."

"Nicht schlichtungsfähig"

Konzernchef Carsten Spohr bleibt hart und erträgt lieber die 14. Streikrunde mit Millionenschäden, als dass er einlenkt. Lieber ein paar Tage ohne Lufthansa als in Zukunft ganz ohne Lufthansa, lautet sein Tenor. Die Lufthansa selbst bringt immer wieder eine Schlichtung zum offiziellen Streikanlass der Pilotengehälter ins Spiel, auch wenn die Vorstellungen mit 2,5 und rund 20 Prozent Gehaltsteigerung sehr weit auseinander liegen. Es sind aber noch eine ganze Reihe anderer Tarifthemen strittig, die in der Streikserie schon eine Rolle gespielt haben.

Die VC hat bislang alle Schlichtungsvorschläge abgelehnt, weil sie das Angebot der Lufthansa als "nicht schlichtungsfähig" bezeichnet. Mit der von Lufthansa geforderten Nullrunde und den Reallohnverlusten macht der Einstieg in eine Schlichtung aus Sicht der Piloten keinen Sinn.

"Die Kompromisslosigkeit der VC macht einen einigermaßen ratlos", sagt Airline-Berater Heinrich Großbongardt. "Mit der Brechstange ist der Konflikt nicht zu lösen, sondern es braucht schon den guten Willen aller Beteiligten." Luftverkehrsexperte Gerald Wissel sieht den Moment für eine umfassende Schlichtung gekommen. Wegen der heftigen Auseinandersetzungen müsse ein Schlichter aber erst einmal Vertrauen auf beiden Seiten schaffen. Dabei müsse das Unternehmen die Sorgen und Ängste des fliegenden Personals ernst nehmen, mahnt Wissel. "Als Dienstleister muss Lufthansa ihr Personal mitnehmen, sonst stimmt das Produkt nicht mehr."

Gegen die Konzernstrategie

Einig sind sich die Experten in der Analyse der eigentlichen Streikziele der VC. "Der Konflikt dreht sich nur vordergründig um Zahlen. Kern bleibt die künftige Konzernstrategie", fasst Großbongardt die Lage zusammen. Und urteilt: "Die Ära der Flagg-Carrier wie Lufthansa geht zu Ende und mündet im harten Wettbewerb der Billigflieger, der natürlich mit Sozialabbau für die Beschäftigten verbunden ist. Das will die VC für die Piloten verhindern."

Deshalb treten die Piloten auch der Neiddebatte entgegen, ihre Gehälter seien ohnehin viel zu hoch. "Die Gehälter der Lufthansa Piloten sind marktgerecht. Vergleichbare Wettbewerber zahlen vergleichbare Gehälter. Richtig ist, dass es Piloten gibt, die schlechter entlohnt werden, richtig ist aber auch, dass es Piloten gibt, die erheblich besser entlohnt werden. Lufthansa Piloten liegen mit ihrer Vergütung im internationalen Mittelfeld", heißt es bei der Vereinigung Cockpit.

Die großen Unterschiede in den Kosten im Vergleich zu einer Billig-Airline lägen ohnehin nicht bei den so genannten Cockpitkosten, sondern in der Vereinfachung von Abläufen in allen Bereichen des Unternehmens. Einige Billiggesellschaften drückten die Lohnkosten mit teils illegalen Mitteln wie der Vermeidung von Sozialabgaben, Steuern und Modellen zur Scheinselbstständigkeit. Diese Unternehmen dürften kein Maßstab sein, prekäre Arbeitsbedingungen können nicht der Maßstab für Tarifverträge in Deutschland sein, erklärt die VC.

 

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