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Luftverschmutzung: EuGH stärkt Bürgerrechte

26. Juni 2019

Ein EU-Urteil sieht strengere Vorgaben für die Messung der Luftqualität in Städten vor. Das wird weitreichende Auswirkungen haben. Die Dieseldiskussion und die Umsetzung neuer Verkehrskonzepte werden weiter befeuert.

Belgien Brüssel Urteil zu Luftverschmutzung
Abendverkehr in der Rue De La Loi im Brüsseler EuropaviertelBild: picture-alliance/W. Rothermel

Für die Richter am Europäischen Gerichtshof (EuGH) ist entscheidend, dass die Grenzwerte an jeder einzelnen Station eingehalten werden müssten. Damit entfällt die Bildung von Messmittelwerten. Sie würden das Ergebnis verzerren. 

Die Bestimmung eines Mittelwerts aus den Ergebnissen aller Stationen in einer Stadt oder einem Ballungsraum liefere "keinen zweckdienlichen Hinweis" auf die Schadstoffbelastung der Bevölkerung, erklärte der EuGH. Für die Frage der Einhaltung der Grenzwerte sei vielmehr der an jeder Station gemessene Verschmutzungsgrad entscheidend. Für die Feststellung einer Überschreitung der Grenzwerte genüge es, wenn an einer Stelle zu hohe Werte gemessen würden.

Nationale Gerichte am Zug

Die Gerichte müssten die Einhaltung der Verpflichtungen aus der maßgeblichen EU-Richtlinie zur Luftqualität überprüfen können, stellten die Luxemburger Richter fest. Sie seien auch befugt, gegenüber den nationalen Behörden "alle erforderlichen Maßnahmen" wie beispielsweise Anordnungen zu ergreifen.

Verkehrsknotenpunkt Autobahn A8 bei StuttgartBild: picture-alliance/dpa/S. Kahnert

Der EuGH verwies auf strenge Vorgaben in der EU-Richtlinie und machte deutlich, dass die Bürger deren Einhaltung von Gerichten überprüfen lassen können. Die Regelungen enthielten einige "klare, präzise und nicht an Bedingungen geknüpfte Verpflichtungen", auf die sich Bürger gegenüber dem Staat berufen könnten, erklärte der Gerichtshof. Dies gelte insbesondere für die Verpflichtung, Messstellen so einzurichten, dass sie Informationen über die am stärksten belasteten Orte liefern.

Rechtsstreit in Belgien

Hintergrund der Entscheidung ist ein Rechtsstreit in Belgien. Mehrere Einwohner der Region Brüssel-Hauptstadt sowie die Umweltorganisation ClientEarth streiten mit der Regionalverwaltung darüber, ob ein ausreichender Luftqualitätsplan erstellt wurde. Ein Gericht in Brüssel bat den EuGH in dem Fall um Auslegung des Unionsrechts.

Möglicherweise kommt es auch in deutschen Städten zu Klagen. Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) sieht sich durch die Entscheidung in ihrem Vorgehen bestärkt. Ihre Klagen haben bereits in mehreren Städten zu Diesel-Fahrverboten geführt. Alle deutschen Gerichte könnten sich jetzt in ihren Urteilen bestätigt fühlen, erklärte DUH-Anwalt Remo Klinger.

Feinstaub-Messstation in DeutschlandBild: picture-alliance/dpa/B. Weissbrod

Nach der EuGH-Entscheidung müssten die Länder und Städte in Deutschland sofort handeln und könnten "nicht länger durch absurde Mittelwertbildungen die tatsächliche Belastung ihrer innerstädtischen Atemluft schönrechnen", zeigte sich DUH-Geschäftsführer Jürgen Resch überzeugt. Der EuGH habe sich "eindeutig für den Vorrang des Gesundheitsschutzes der Menschen vor den Profitinteressen der Dieselkonzerne ausgesprochen". Die Hoffnung der Bundesregierung und einiger Bundesländer, die Einhaltung der Grenzwerte sowie die Standorte der Messstationen in Frage zu stellen, sei "endgültig gescheitert".

"Ansage an Bundesregierung"

Die Grünen begrüßen das Urteil als "eine klare Ansage an die Bundesregierung". Bundestags-Fraktionschef Anton Hofreiter sagte der Deutschen Presse-Agentur, "Union und SPD dürfen nicht länger versuchen, die Bestimmungen für saubere Luft aufzuweichen und damit die Menschen in den Städten zu gefährden." Nun sei klar, dass die Diskussion um Messstellen für Stickstoffdioxid (NO2), die im Zentrum des Streits um Diesel-Fahrverbote stehen, eine "Scheindebatte" sei.

Grünen-Fraktionschef Anton HofreiterBild: Getty Images/A. Berry

Die Grünen kritisieren unter anderem, dass die Bundesregierung Fahrverbote für ältere Diesel erst dann für verhältnismäßig hält, wenn in einer Stadt mehr als 50 Mikrogramm NO2 pro Kubikmeter Luft im Jahresmittel gemessen werden - der EU-Grenzwert liegt bei 40 Mikrogramm. Job der Regierung sei, für gesunde Luft in den Städten zu sorgen, "und zwar in jeder Stadt und jederzeit". Dafür müsse Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) eine Blaue Plakette für relativ saubere Autos ermöglichen, Hardware-Nachrüstungen älterer Diesel durchsetzen und Bus und Bahn "kräftig fördern".

Bundesumweltministerin Svenja SchulzeBild: DW

Auch Bundesumweltministerin Svenja Schulze stellt sich hinter das EU-Urteil. "Es unterstützt alle, die sich für bessere Luft in den Städten und für den Gesundheitsschutz einsetzen", erklärte die SPD-Politikerin.

cgn/rb (afp, dpa, epd, rtr)

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