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Lukaschenko will besseres Verhältnis zur EU

Volker Wagener13. Oktober 2015

Alexander Lukaschenko bleibt für weitere fünf Jahre unangefochten der starke Mann Weißrusslands. Doch er braucht Reformen, um Kredite zu bekommen, sagt SWP-Expertin Astrid Sahm im DW-Interview.

Alexander Lukaschenko auf einem Wahlplakat in Minsk (Foto: AFP)
Bild: Getty Images/AFP/S. Gapon

DW: Frau Sahm, bei der Wahl in Weißrussland (Belarus) entfielen mehr als 83 Prozent der Stimmen auf Alexander Lukaschenko . Wie viele davon stammen von wirklich Überzeugten, wie viele entfallen auf die diejenigen, die genötigt wurden?

Astrid Sahm: Darüber kann man natürlich in einem gewissen Rahmen nur spekulieren, weil das objektiv nicht feststellbar ist. Es gibt aber einige Indikatoren die man zur Bewertung heranziehen kann. Einmal sind das unabhängige Meinungsumfragen, die zeigen, dass Lukaschenko auch bei freien Wahlen eindeutig Wahlsieger wäre, aber wahrscheinlich in eine zweite Wahlrunde hätte gehen müssen.

Und zum anderen muss man sich anschauen wieviele Personen bereits vor dem eigentlichen Wahltag ihre Stimme abgegeben haben. Das waren 36 Prozent der Bürger. Das heißt, dass die Staatsmacht ihre administrativen Ressourcen maximal genutzt hat, um die Bevölkerung zu den Wahlurnen zugunsten des Präsidenten zu bringen. Gleichzeitig kann man aber sehen, dass 20 Prozent der Bevölkerung in Minsk gegen alle Kandidaten gestimmt haben. Also das offizielle Wahlergebnis verweist auf ein gewisses Protestpotenzial in der Bevölkerung.

Astrid Sahm: Die Gefahr der Täuschung bestehtBild: Privat

Lukaschenko hat ein Problem mit den EU-Sanktionen, mit denen der Druck auf die Opposition bestraft wird. Wie wirken sich die Sanktionen im Alltag der weißrussischen Bevölkerung aus?

Die Sanktionen wirken sich auf den Alltag der Bevölkerung faktisch gar nicht aus, weil sie symbolischer Art sind. Sie betreffen einen Kreis von im Augenblick noch knapp 200 Personen, die nicht in die EU reisen dürfen und deren Konten gesperrt sind. Wirtschaftliche Auswirkungen ergeben sich daraus nicht, da wirken sich die Gegensanktionen, die Russland nach der Ukraine-Krise gegen die EU erlassen hat viel, viel stärker auf die belarussische Wirtschaft und damit auch auf den Lebensstandard der Bevölkerung in Belarus aus.

Gibt es Anzeichen für eine Veränderung des Politikstils bei Lukaschenko?

Ein Zeichen, dass er ein Interesse hat, dass die Sanktionen aufgehoben werden, war die Freilassung politischer Gefangenen im August dieses Jahres. Dies ist natürlich kein Systemwechsel, daraus ergibt sich keine automatische Demokratisierung und Liberalisierung, aber es ist ein Zeichen. Das eigentliche Interesse Lukaschenkos dürfte darin liegen, einen wirtschaftlichen Kredit, einen Stabilisierungskredit des internationalen Währungsfond zu erhalten und dafür braucht er Reformen, zumindest wird er solchen zustimmen müssen.

Ob er dies dann auch tatsächlich auch umsetzt ist eine andere Frage, aber da der internationale Währungsfonds (IWF) bereits einmal negative Erfahrungen mit Belarus, was die Umsetzungen von Reformzusagen angeht, gemacht hat, wird der IWF diesmal sehr darauf achten, dass ein stärkeres Controlling der Reformzusagen möglich ist. Und man kann sagen, dass während des Wahlkampfes, wo Lukaschenko erstmals keine wirtschaftlichen Wahlversprechen gemacht hat, die Bevölkerung eigentlich de facto schon auf harte Einschnitte nach den Wahlen eingestimmt hat.

Täuscht Lukaschenko den Westen?

Ich denke, es bringt erst einmal zum Ausdruck, dass - ebenso wie die Freilassung der politischen Gefangenen - Lukaschenko signalisiert, dass er ein Interesse hat, die Beziehung zur EU und insgesamt zum Westen, zu verbessern. Ein Täuschungsmanöver ist das noch nicht. Es sind ja keine weitergehenden Reformversprechen damit verbunden, sondern er erwartet eigentlich aufgrund der geopolitisch veränderten Situation wegen seiner Vermittlungsposition im Ukrainekonflikt, dass das ausreichend sein muss, damit der Westen weiter auf ihn zugeht. Es besteht aber die Gefahr, dass Lukaschenko Reformen nur zu simulieren versucht. Es ist wichtig, dass der Westen eine schrittweise Annäherung der Politik verfolgt. Eine Politik des Geben und Nehmen könnte zum Zuge kommen. Es bleibt das Risiko des Täuschens, aber das Risiko besteht in der Politik immer.

Wie ist es um die sprichwörtliche Loyalität Minsks zu Moskau bestellt?

Erstens hängt das belarussische Regime im Augenblick wirtschaftlich von Subventionen und Krediten aus Moskau ab. Das heißt, dass wirtschaftliche Überleben des Landes ist von Moskau abhängig und damit ist der Handlungsspielraum von Lukaschenko beschränkt. Er ist aber daran interessiert - gerade vor dem Hintergrund der Ereignisse in der Ukraine - seinen Handlungsspielraum möglichst zu erweitern. Dabei ist immer die Möglichkeit gegeben, dass er die Annäherung an den Westen nur nutzt, um von Moskau mehr Zugeständnisse und Handlungsfreiheit zu bekommen. Damit sind wir wieder bei der Frage: Täuscht Lukaschenko den Westen und wie aufrichtig meint er es mit dieser Annäherung? Grundsätzlich bestehen im Augenblick mehr Chancen, dass er es aufrichtig mit dieser Annäherung meint, weil er um seine Souveränität angesichts des Ukraine-Konflikts fürchtet. Aber letztendlich wird die EU ihm niemals so viel wirtschaftliche Unterstützung bieten wie Moskau.

Dr. Astrid Sahm ist Weißrussland-Expertin der Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin.

Das Interview führte Volker Wagener.

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