Luke Rowe ist einer der wertvollsten Helfer im Feld der Tour de France. Er ist oft im Bild, wird aber meist übersehen. Im DW-Interview spricht er über die Dominanz des Teams Ineos und die schnelle Reife von Egan Bernal.
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DW: Sie sind seit 2015 Teil der Mannschaft, die die Tour de France bestimmt. Nervt es sie manchmal, wenn sie hören, ihr Team sei zu dominant?
Luke Rowe: Von außen wirkt es manchmal, als sei unser Team dominant und dass wir das Rennen immer kontrollieren können. Aber Sie können sicher sein: Es gibt Momente, in denen sind wir nahe am Zusammenbruch. Und bei der Tour kannst Du in einer Sekunde alles verlieren. Ja, ich kann verstehen, dass manche Leute frustriert und genervt sind von unserer Fahrweise. Aber das ändert nichts an unserer Herangehensweise. Wir geben immer unser Bestes. Und wenn die Leute sagen, dass wir zu dominant sind, nehme ich das als Kompliment.
Jedes Jahr sehen wir Sie für viele Stunden an der Spitze des Feldes. Wie viel Arbeit steckt hinter dem Ansatz von Team Ineos, das Rennen zu kontrollieren?
Das Rennen zu kontrollieren, bedeutet viele Kilometer an der Spitze im Wind zu verbringen. Das heißt meist, man jagt den Ausreißern hinterher. Aber Du kannst das Rennen nur kontrollieren, wenn Du das Gelbe Trikot hast oder in einer Situation bist, es Dir bald zu holen. Und das ist nicht leicht. Wir sind zum Glück seit ein paar Jahren immer in dieser Situation - und das wissen wir sehr zu schätzen. Dafür lohnt es sich zu arbeiten.
"Jeder in unserem Team ist ersetzbar"
Was ist nötig, um Teil des Tour de France Teams von Team Ineos zu werden?
Das ist keine einfache Aufgabe. Du musst eine Menge arbeiten auf dem Rad, viele Kilometer fahren. Das Wichtigste ist, dass Du in Form kommen musst. Dafür gehen inzwischen immer mehr von uns ins Höhentrainingslager. Ich habe immer versucht, das zu vermeiden, denn zehn Tage in der Isolation der Berge sind nichts für mich. Aber irgendwie haben sie mich überzeugt, mitzufahren. Denn hinter mir wartet eine ganze Reihe starker Fahrer, auf die Chance, für Ineos zur Tour zu fahren. Jeder in unserem Team ist ersetzbar. Hier zu sein und zu unserem achtköpfigen Tour-Team zu gehören, ist eine Ehre.
Ihr junger Co-Kapitän Egan Bernal beeindruckt. Aber manche sagen, er sei noch zu jung und unerfahren für den Tour-Sieg. Was denken Sie?
Ja, er ist erst 22 Jahre alt. Aber das ist nur eine Zahl. Er ist reifer als sein Alter vermuten lässt. Und es geht doch eher darum, ob jemand bereit ist für seine Aufgabe. Er hat bereits drei WorldTour-Rundfahrten gewonnen: die Tour of California, Paris-Nizza und die Tour de Suisse. Paris-Nizza war der eindrucksvollste Sieg, denn dieses Rennen hatte alles: Ein Zeitfahren, Sprintetappen, Berge und auch Windkantensituationen - und Egan ist immer an der Spitze geblieben. Er ist ein geborener Leitwolf. Er hat die Aura, die Persönlichkeit und die Pit-Bull-Mentalität, die auch Chris Froome auszeichnet. Er ist der Typ, für den ich bis zur Ende der Welt fahre, für den ich alles gebe. Die Straße bis nach Paris wird zeigen, wozu Egan fähig ist.
Luke Rowe, geboren 1990 in Cardiff, wurde - wie so viele Fahrer der so erfolgreichen britischen Radsport-Generation - im Olympia-Entwicklungsprogramm des Vereinigten Königreichs ausgebildet. Nach Europameistertiteln auf der Bahn wurde er 2012 Teil der Sky-Mannschaft (heute Ineos). Sein größter Erfolg ist ein Etappensieg bei der Tour of Britain. Sehr viel beeindruckender ist aber der Fakt, dass er als Domestike mithalf, mit seinem Team die letzten vier Auflagen der Tour de France zu gewinnen. Als Helfer für seine Kapitäne Geraint Thomas und Egan Bernal ist es seine Aufgabe, das Rennen auf flachen und hügeligen Etappen zu kontrollieren.
Das Interview führte Joscha Weber.
Wer gewinnt die Tour de France?
Vierfachsieger Chris Froome fehlt bei der Tour de France nach seinem schweren Sturz. Doch auch ohne ihn kämpft ein erlesenes Feld um das Gelbe Trikot - und es könnte einen Überraschungssieger geben.
Bild: Reuters/S. Mahe
Wer macht das Rennen?
Auch ohne den schwer gestürzten Chris Froome wird es ein packendes Rennen. Die Tour de France verspricht Spannung, auch wenn das bisherige Sky-Team (nach Sponsorenwechsel jetzt Ineos) wieder das stärkste ist. Unser Kandidatencheck zeigt, wer den Briten gefährlich werden könnte...
Bild: picture-alliance/Belga/D. Waem
10 Enric Mas (Deceuninck-Quickstep)
Eingefallene Wangen, tiefsitzende Augen, spindeldürre Glieder und kurz geschorenes Kopfhaar - Enric Mas jagt manchem Betrachter einen Schrecken ein. Doch der 24-jährige Spanier ist kerngesund und extrem austrainiert. Als starker Bergfahrer wurde er 2018 überraschend Zweiter der Vuelta, fuhr in diesem Jahr aber bisher unauffällig. Prognose: Es reicht noch nicht für ganz vorne.
Bild: imago images/Sirotti
9 Nairo Quintana (Movistar)
Ist die Zeit von Nairo Quintana schon vorbei? Von 2013 bis 2016 fuhr er bei Tour, Giro und Vuelta stets auf die Plätze eins bis vier, war am Berg eine Macht. Doch in letzter Zeit schwächelt der stille Kolumbianer, der Medientermine scheut und meist abgeschirmt wird, ausgerechnet bei den schweren Anstiegen. Es dürfte seine letzte Chance als Kapitän bei der Tour sein. Prognose: Er nutzt sie nicht.
Bild: Reuters/S. Mahe
8 Romain Bardet (Ag2r La Mondiale)
Die Hoffnungen wiegen schwer auf den schmalen Schultern des Romain Bardet. Der schlaksige Kletterer soll die lange Durststrecke der Franzosen bei der Tour beenden. In den letzten Jahren sah es so aus, als käme er diesem Ziel näher. Doch aktuell fährt Bardet, der einen Uni-Abschluss in Management besitzt, seiner Form und den Gegnern hinterher. Prognose: Verliert im Zeitfahren zu viel Zeit.
Bild: AFP/Getty Images/A.-C. Poujoulat
7 Adam Yates (Mitchelton-Scott)
"Wir haben unterschiedliche Wege genommen, sind uns aber sehr nah und sprechen täglich miteinander", sagt Adam Yates über seine Beziehung zu seinem Zwillingsbruder Simon. Beide sind talentierte Anwärter auf das Gesamtklassement. In Frankreich wird Simon, der beim Giro Kapitän war, wohl für Adam fahren. Der ist in den Bergen gut, im Zeitfahren solide. Prognose: Kann mitspielen, aber nicht gewinnen.
Bild: imago images/Sirotti
6 Emanuel Buchmann (Bora-Hansgrohe)
Vom talentierten Mitfahrer zum Podiumskandidaten - Emanuel Buchmann hat bei den Vorbereitungsrennen einen starken Eindruck hinterlassen. Am Berg zählt der stille Schwabe inzwischen zu den Besten, im Zeitfahren hat er sich gesteigert. Was dem 26-jährigen noch fehlt, ist der Punch und das Selbstvertrauen für einen großen Sieg. Prognose: Seine Kurve geht weiter nach oben.
Das Double aus Giro und Tour hat sich in den letzten Jahren stets als zu anspruchsvoll erwiesen. Auch dem erfahrenen "Hai aus Messina" wird man die Strapazen der Italienrundfahrt, die er auch wegen eines taktischen Fehlers verlor, noch anmerken. Doch mit seiner Konstanz und Leidensfähigkeit wird der 34-Jährige punkten. Prognose: Dem Hai fehlen ein paar Zähne für einen kraftvollen Biss.
Bild: AFP/Getty Images/L. Benies
4 Thibaut Pinot (Groupama-FDJ)
Die Angst vor den Abfahrten ist besiegt, an seiner Zeitfahrschwäche hat er gearbeitet - ist Thibaut Pinot nun endlich bereit für mehr als eine gute Platzierung? Fast. Der Franzose wählte einen kontinuierlichen Aufbau und fokussiert sich erstmals wieder auf die Tour. Sein Team ist gut, aber andere sind besser. Prognose: Pinot wird angreifen, seine Gegner aber nicht alle abschütteln können.
Bild: AFP/Getty Images/A.-C. Poujoulat
3 Geraint Thomas (Ineos)
Der Titelverteidiger hatte bei der Tour de Suisse eine Schrecksekunde: Nach einem schweren Sturz schien bereits der Traum vom zweiten Toursieg ausgeträumt. Doch der 33-jährige Waliser kann starten. Seine Vorbereitung lief nicht ideal - ihm wird die Leichtigkeit des Vorjahres fehlen. Prognose: Aber zum Podium reicht es dennoch.
Bild: picture-alliance/empics/P. Goding
2 Jakob Fuglsang (Astana)
Jahrelang stand der Däne in Diensten anderer Top-Fahrer: Jakob Fuglsang fuhr schon für die Schleckbrüder als Helfer und stand auch bei Astana meist im Schatten. Nun ist er Kapitän und das zu Recht. In diesem Jahr war er der konstanteste der Tour-Kandidaten, hat sich am Berg noch einmal gesteigert. Prognose: Kommt dem Gelben Trikot sehr nah.
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1 Egan Bernal (Ineos)
Viva Colombia! Die radsportverrückte Nation freut sich auf den nächsten Star, der im Juli die Heimat verzückt. Und dieses Mal möglicherweise so richtig. Egan Bernal hat außergewöhnliche Leistungsdaten und fährt bei Ineos im stärksten Team. Bei der Tour de Suisse war er nicht zu schlagen, jetzt könnte er der Tour seinen Stempel aufdrücken. Prognose: Er lässt Kolumbien jubeln.