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Lutz muss gehen: Wie geht es weiter bei der Deutschen Bahn?

15. August 2025

Mit der Entlassung von Bahnchef Richard Lutz gerät Bundesverkehrsminister Patrick Schnieder unter Zugzwang. Binnen Wochen müssen Nachfolge und neue Konzernstrategie stehen - inmitten einer tiefen Bahnkrise.

Deutsche Bahn-Chef Richard Lutz
Der Chef der Deutschen Bahn, Richard Lutz, muss gehen - wer folgt?Bild: Carsten Koall/dpa/picture alliance

In Deutschland ist die Diskussion um die Nachfolge von Noch-Bahnchef Richard Lutz und die künftige Strategie für die Deutsche Bahn (DB) voll entbrannt. "Damit wächst der Druck auf den Verkehrsminister enorm", sagte der Chef des Interessenverbands "Allianz pro Schiene", Dirk Flege. "Er muss nun innerhalb weniger Wochen die längst überfällige Bahnstrategie der Regierung vorstellen und den dazu passenden Vorstandsvorsitzenden gleich mit." 

Lutz wird die Bahn nur noch solange führen, bis ein Nachfolger für ihn gefunden ist. Darauf haben sich Bundesverkehrsminister Patrick Schnieder, Richard Lutz und der Bahn-Aufsichtsratsvorsitzende Werner Gatzer verständigt. "Die Suche nach einem neuen Bahnchef, einer neuen Bahnchefin hat mit diesem Augenblick begonnen", sagte Schnieder am späten Donnerstagnachmittag bei einer eilig anberaumten Pressekonferenz in Berlin.

Sanierungsfall Deutsche Bahn

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Lutz leitet den bundeseigenen Konzern seit Anfang 2017. Davor war er von 2010 bis 2017 Finanzvorstand der DB. Im Konzern arbeitet der 61 Jahre alte Pfälzer seit 1994, er kennt das Unternehmen und die Branche besser als viele andere.

Kritiker hoffen auf Veränderungen

Der Bundesverkehrsminister will am 22. September eine neue Strategie für den bundeseigenen Konzern vorstellen. "Idealerweise können wir mit der Strategie im September den oder auch die neue Vorstandsvorsitzende präsentieren", ergänzte Schnieder. Die Strategie sei in weiten Zügen fertig, es seien lediglich noch Detailfragen zu klären.

"Die Lage bei der Bahn ist dramatisch, allein wenn Sie auf die Kundenzufriedenheit, die Pünktlichkeitswerte oder die Wirtschaftlichkeit schauen", sagte Schnieder. Zuerst wolle er die Strategie klären, dann die Personalfragen.

Bundesverkehrsminister Patrick SchniederBild: Fabian Sommer/dpa/picture-alliance

Der Chef der Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG), Martin Burkert, sagte der Nachrichtenagentur AFP, es sei Schnieders Recht, den Bahn-Chef zu entlassen. "Dass er das tut, ohne eine Nachfolge zu präsentieren, nehmen wir aber überrascht zur Kenntnis."

Mit Blick auf die dramatische Lage bei der Bahn und die anstehenden Sanierungsmaßnahmen "verbietet sich ein Führungsvakuum", sagte Burkert, der auch im Aufsichtsrat der Bahn sitzt. Schnieder werde jetzt daran gemessen werden, ob seiner Entscheidung eine schnelle Lösung folgt "oder ob sich die Situation bei der Bahn noch verschärft".

Kritiker des Noch-Bahnchefs erhoffen sich nun eine Chance auf einen grundlegenden Kurswechsel beim bundeseigenen Konzern. Die "Unzulänglichkeiten" der Bahn, die das Management in den vergangenen Jahren verursacht habe, müssten "jetzt ein Ende haben", sagte der Bundesvorsitzende der Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL), Mario Reiß. Nötig seien nun eine "Sanierung und Entflechtung der Finanzströme" des Konzerns, die Modernisierung der Infrastruktur sowie eine "grundlegende Reform" der Unternehmensstruktur.

Spekulationen über Nachfolger

Spekulationen über potenzielle Lutz-Nachfolger und -Nachfolgerinnen gibt es seit Wochen. Genannt wurde bereits die aktuelle Chefin der Regionalverkehrstochter DB Regio, Evelyn Palla, oder der kurzzeitige Bundesfinanzminister Jörg Kukies. Allerdings herrscht Skepsis darüber, ob die tiefgreifenden Probleme bei der Bahn mit einem Wechsel an der Konzernspitze ausgeräumt werden können. 

So fährt man in Deutschland mit dem Zug

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"Dass DB-Chef Lutz gehen wird, macht nichts besser", sagte Matthias Gastel, der für Bündnis 90/Die Grünen im Bundestag sitzt. Es brauche eine stärkere Kontrolle und Steuerung durch den Bund - und mehr Geld. "Die Finanzplanung der schwarz-roten Koalition hätte zwangsläufig den Stopp von Aus- und Neubauprojekten zur Folge."

Auch die Elektrifizierung und Digitalisierung kämen nicht voran, so der Grünen-Verkehrsexperte. Damit werde erkennbar, dass die Regierung bei der Bahn nichts verbessern möchte.

Viele offene Baustellen bei der Bahn

Egal, wer neuer Bahn-Chef wird: Es warten große Herausforderungen, die sich nicht in kurzer Zeit werden lösen lassen. Die Bahn dürfte erst einmal eine Dauerbaustelle bleiben - und das unter besonderer Beobachtung der Politik und leidgeplagter Kunden. Die Pünktlichkeit ist das Dauerthema bei der Bahn und das Dauerärgernis für die Fahrgäste.

Im Fernverkehr kamen im vergangenen Jahr nur 62,5 Prozent der Züge pünktlich an. Im Jahr 2017 waren es noch deutlich mehr, nämlich 78,5 Prozent. Im Vergleich mit den Bahngesellschaften zehn anderer EU-Staaten war die DB AG im vergangenen Jahr Schlusslicht. Allzu oft fallen zudem Züge aus oder sind überfüllt, während andernorts nur selten einer fährt.

Die Bahn führt marode, hoch belastete Strecken als Hauptgrund für die unpünktlichen Züge an. Deswegen sollen rund 40 besonders belastete Strecken bis 2036 einer Generalsanierung unterzogen werden. Der Plan: keine schrittweise Sanierung im laufenden Betrieb, sondern monatelange Vollsperrungen für umfassende Modernisierungen.

Der Anfang wurde im vergangenen Jahr zwischen Frankfurt und Mannheim gemacht, derzeit wird die Strecke zwischen den Metropolen Hamburg und Berlin grundlegend saniert. Für Fahrgäste bedeutet das zunächst monatelange Belastungen.

ICE bei der Abfahrt im Hamburger Hauptbahnhof (im Juli)Bild: Hanno Bode/IMAGO

Doch die Entwicklung der Infrastruktur und des Bahnbetriebs hängt auch stark vom Wohlwollen der Regierung ab - und vom Geld, das die Politik bereitstellt. Die Bahn-Infrastruktur wurde jahrzehntelang vernachlässigt, die Folge ist ein riesiger Investitionsstau im höheren zweistelligen Milliardenbereich. Die Bahn erhielt zuletzt zwar deutlich mehr Geld, dennoch warnte Noch-Bahnchef Lutz davor, dass auch diese Mittel nicht reichten, um die Bahn wirklich zukunftsfest zu machen. 

Die neue Bundesregierung aus CDU/CSU und SPD hatte in ihrem Koalitionsvertrag eine Neuaufstellung des Aufsichtsrats und des Bahn-Vorstands angekündigt, "mit dem Ziel, mehr Fachkompetenz abzubilden und eine Verschlankung zu erreichen". Diese Neuaufstellung hat nun offensichtlich begonnen.

Der Bahn-Konzern schreibt seit Jahren rote Zahlen. Das von Lutz 2024 gestartete Sanierungsprogramm sah daher nicht nur Veränderungen für Infrastruktur und Betrieb vor, sondern auch für den Konzern selbst. So sollen Tausende Stellen eingespart und die Profitabilität erhöht werden.

pgr/AR (afp, dpa, rtr)

Redaktionsschluss: 18:00 Uhr (MESZ) - dieser Artikel wird nicht weiter aktualisiert.

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