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Lyon: Keine Hinweise auf Komplizen

26. Juni 2015

Mit einer Horrortat kehrt der islamistische Schrecken nach Frankreich zurück. Präsident Hollande kündigt an, "die verantwortlichen Gruppen und Personen zu vernichten". Verwirrung gibt es um mögliche Mittäter.

Sicherheitskräfte vor der Fabrik in Saint-Quentin-Fallavier (Foto: AFP)
Bild: Getty Images/AFP/P. Desmazes

Es gebe keinerlei Hinweise auf einen Komplizen während des Tatgeschehens, sagte Anti-Terror-Staatsanwalt François Molins in Paris. Nach Zeugenaussagen habe sich der Attentäter allein im Auto befunden, als er auf das Gelände der Industrieanlage in Saint-Quentin-Fallavier nahe Lyon fuhr. Französische Medien berichten hingegen, die Polizei suche mit Hubschraubern nach einem zweiten Verdächtigen.

Zuvor hatte die Nachrichtenagentur AFP unter Berufung auf Justizkreise gemeldet, außer dem mutmaßlichen Täter seien auch dessen Ehefrau und eine Schwester in Polizeigewahrsam. Ein in der Nähe des Anschlagsortes festgenommener Autofahrer, der in der Gegend hin- und herfuhr und damit den Argwohn der Polizei erregte, sei wieder freigelassen worden.

Merkel: "Tief erschüttert"

Bundeskanzlerin Angela Merkel hat dem französischen Präsidenten François Hollande "die Anteilnahme der Menschen in Deutschland" übermittelt. Sie sei "tief erschüttert", schrieb Merkel in einem Kondolenztelegramm.

Die Kanzlerin forderte die EU-Staaten auf, sich stärker gegen das Einsickern von Terroristen der radikal-islamischen Miliz "Islamischer Staat" (IS) zu wappnen. "Wir müssen - gerade mit Blick auf die Migrationspolitik - aufpassen, dass nicht islamistische Kämpfer in die EU eindringen", mahnte Merkel in Brüssel nach dem EU-Gipfel. Deshalb seien "die Registrierung und die Einhaltung der Standards bei der Aufnahme von Migranten" äußert wichtig.

Gewaltige Explosion

Die Gasfabrik in Saint-Quentin-FallavierBild: Getty Images/AFP/J.-P.Ksiazek

Knapp ein halbes Jahr nach den Anschlägen auf die Satirezeitung "Charlie Hebdo" und einen jüdischen Supermarkt in Paris wurde Frankreich erneut zur Zielscheibe von Islamisten. Es ist Freitagvormittag, als ein Angreifer eine Gasfabrik des US-Konzerns Air Products in Saint-Quentin-Fallavier nahe Lyon attackiert.

Mit einem Wagen, der offenbar eine Zugangsgenehmigung für die Industrieanlage hat, dringt der Mann auf das Gelände vor und rast in dort abgestellte Gasflaschen. Ein Anwohner spricht von einer "gewaltigen Explosion". Zwei Menschen erleiden bei der Attacke leichte Verletzungen.

Enthaupteter Leichnam

Herbeigeeilte Polizisten entdecken den enthaupteten Körper eines Mannes - und, am Zaun der Industrieanlage befestigt, den abgetrennten Kopf des Opfers, eines Unternehmenschefs aus der Region. Der Angreifer, heißt es, sei ein Mitarbeiter des Getöteten gewesen. Beide hätten zusammen eine Lieferung zustellen sollen.

Der aufgefundene Kopf ist mit arabischen Schriftzeichen bedeckt, am Zaun hängen islamistische Fahnen. Das Symbol ist eindeutig: Auch in Syrien und im Irak enthaupten Kämpfer der Dschihadistengruppe "Islamischer Staat" ihre Gegner, um mit der grausamen Tat Angst und Schrecken zu verbreiten.

"Viel Mut und Kaltblütigkeit"

Sicherheitskräfte nach den AnschlagBild: picture-alliance/dpa

Der mutmaßliche Angreifer wird wenig später festgenommen. Ein Feuerwehrmann überwältigt den Mann "mit viel Mut und Kaltblütigkeit", wie Innenminister Bernard Cazeneuve sagt. Es handelt sich um einen 35-jährigen Familienvater, der im Großraum Lyon wohnen soll.

Den Geheimdiensten sei er wegen einer islamistischen "Radikalisierung" bekannt, so Cazeneuve: 2006 wurde sein Name auf eine Liste der Sicherheitsbehörden gesetzt, zwei Jahre später jedoch wieder gestrichen. Der Mann soll Verbindungen in die Salafisten-Szene haben, vorbestraft ist er aber nicht.

"Emotionen sind nicht genug"

Noch in Brüssel, wo die EU-Staats- und Regierungschefs über Sicherheits- und Verteidigungspolitik beraten, tritt Präsident Hollande vor die Kameras, spricht seine "Solidarität" mit dem Opfer aus und verurteilt den "terroristischen" Anschlag. Er beruft eine Sitzung des Verteidigungskabinetts im Pariser Elysée-Palast ein und verlässt vorzeitig den EU-Gipfel.

"Emotionen können nicht die einzige Antwort bleiben - es geht um Taten, Vorbeugung, Abschreckung", sagt Hollande und kündigt ein unerbittliches Vorgehen gegen Islamisten an. Es gelte, "Gruppen und Personen zu vernichten, die für solche Taten verantwortlich sind".

Größte muslimische Gemeinde Europas

Knapp ein halbes Jahr nach dem islamistischen Angriff auf die Satirezeitung "Charlie Hebdo" liegen in Frankreich die Nerven blank. Seit Jahren ist das Land im Visier von Islamisten, unter anderem wegen seiner Militäreinsätze in Ländern wie Mali und dem Irak. Mit vier bis fünf Millionen Muslimen besitzt Frankreich nicht nur die größte muslimische Gemeinde Europas - aus dem Land kommen auch die meisten westlichen Kämpfer, die sich in Syrien oder im Irak dem IS angeschlossen haben.

Erst am Mittwoch wurde ein umstrittenes neues Gesetz verabschiedet, das Frankreichs Geheimdiensten im Anti-Terror-Kampf umfassende Befugnisse gibt. Kritiker sehen Parallelen zur weitreichenden Spionage des US-Geheimdienstes NSA. Doch klar ist: Selbst die größte Wachsamkeit kann keine 100-prozentige Sicherheit bieten.

jj/SC (dpa, afp, rtr)

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