Seit Jahrtausenden ist klar: Die Mächtigen der Welt sitzen. Das Vitra Design Museum zeigt, wie die Macht von Königen und Kaiserinnen, FIFA-Bossen und Päpsten mit deren Sitzgelegenheiten zusammenhängt.
Bild: Getty Images/C. Platiau
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Die Macht der Stühle
Ob Papstthron oder Schaukelstuhl, ein Blick in die Geschichte zeigt: Wer auf dem richtigen Stuhl sitzt, hat Macht. Ein Blick auf die Mächtigen und ihre Sitzgelegenheiten.
Bild: Luca Zanier
In königlicher Pose
Emmanuel Macron ist zwar überzeugter Demokrat und demokratisch gewähltes Staatsoberhaupt einer Republik. Dennoch ähnelt dieses Bild von seiner Amtseinführung eher einer Krönungszeremonie. Es zeigt, welche Bedeutung der klassische Thronsessel für die Inszenierung der Politik noch bis heute hat.
Bild: Getty Images/C. Platiau
Der Heilige Stuhl
Im Mittelalter war der Mann auf diesem Sitz oft mächtiger als die Kaiser und Könige. Als geistliches Oberhaupt von knapp 1,3 Milliarden Menschen ist der Papst noch heute einer der einflussreichsten Männer der Welt. Auf diesem Thron nahm Johannes Paul II. bei einem Besuch im kroatischen Zagreb im Jahr 1994 Platz. Derzeit ist er Teil der Ausstellung im Vitra Design Museum in Weil am Rhein.
Bild: Roland Schmid
Macht auch ohne Thron
Muammar al-Gaddafi, der ehemalige Herrscher Libyens, war für seine Extravaganz berühmt und galt jahrzehntelang als einer der mächtigsten Männer Afrikas. Auf Auslandsreisen musste allerdings auch er ab und zu auf Luxus verzichten. Bei einem Treffen mit dem Tansanischen Präsidenten im Rahmen eines Gipfeltreffens der Afrikanischen Union 2010 in Uganda musste er mit einem Plastikstuhl vorliebnehmen.
Bild: picture alliance/dpaDai Kurokawa
Elitäres Relaxen
Ende des 19. Jahrhunderts kamen in den USA bequeme, verstellbare Sitzmöglichkeiten in Mode. Doch wer entspannen wollte, musste sich das auch leisten können. Schaukelstühle wie dieser von George Wilson blieben vorerst ein Privileg des wohlhabenden Bürgertums. Bestimmte Stühle waren also auch zu Beginn der Neuzeit ein Zeichen von Macht und Einfluss.
Bild: Vitra Design Museum/Jürgen Hans
Die großen Fünf
Auf den ersten Blick sehen die kreisförmig angeordneten blauen Sitzgelegenheiten recht einfach aus. Doch wenn hier der UN-Sicherheitsrat tagt, nehmen darauf Vertreter der mächtigsten Staaten der Welt Platz. Besonders die fünf ständigen Mitglieder mit Vetorecht bestimmen das Weltgeschehen: China, Russland, USA, Frankreich und Großbritannien.
Bild: Luca Zanier
007 mag es weich
Auch ein Superagent muss mal sitzen. Am besten auf einem von Mies van der Rohes "Barcelona-Sesseln" (auch "MR90" genannt). Der deutsch-amerikanische Architekt hatte diesen komfortablen Vierbeiner für den deutschen Pavillon bei der Weltausstellung 1929 in der katalanischen Hauptstadt kreiert. Knapp 80 Jahre später sitzt Daniel Craig alias James Bond in "Casino Royale" immer noch gerne darauf.
Bild: Sony Pictures/ Metro-Goldwyn-Mayer
Frauen an die Macht
Seit der Antike saßen nur wenige Frauen auf den Stühlen der Macht. Das ist heute zum Glück anders - auch wenn von Gleichberechtigung noch lange keine Rede sein kann. Hier diskutieren Bundeskanzlerin Merkel, IWF-Chefin Christine Lagarde und Ivanka Trump (v.r.n.l.), Tochter und Beraterin des amtierenden US-Präsidenten, 2017 auf dem W20-Gipfel in Berlin.
Bild: picture-alliance/Reuters/H. Hanschke
Symbol einer Tragödie
Dieses Kunstwerk des mosambikanischen Designers Gonçalo Mabunda trägt den ungewöhnlichen Namen "www.crise.com". Mit seinem Thron aus recycelten Waffen möchte er aber nicht auf eine Webseite, sondern auf die Opfer des Bürgerkriegs (1975-1992) in seinem Heimatland aufmerksam machen. Besonders die mächtigen Clanchefs nimmt er in die Verantwortung für die bis zu 900.000 Opfer von Gewalt und Hunger.
Bild: Vitra Design Museum/Jürgen Hans
Sport, Macht, Geld
Düster mutet dieses Bild des FIFA-Exekutivkomitees in Zürich an. Das passt zu den unzähligen Korruptionsskandalen, die das höchste Gremium des Weltfußballverbands in den vergangenen Jahren erschütterten. 2016 wurde es aufgelöst und durch den FIFA-Rat ersetzt. Die Macht der Männer und Frauen in den schwarzen Ledersesseln wird das aber wohl kaum beschnitten haben.
Bild: Luca Zanier
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Sitzen hat heute ein negatives Image. Es sei schlecht für Rücken und Durchblutung, warnen Mediziner. Manche behaupten sogar, Sitzen sei das neue Rauchen. Doch von den gesundheitlichen Folgen einmal abgesehen: Sitzen ist seit jeher ein Symbol von Macht und Stärke. Natürlich war und ist dabei immer entscheidend, wo und auf welchem Stuhl jemand sitzt.
Das Vitra Design Museum in Weil am Rhein widmet sich mit seiner aktuellen Ausstellung"Stühle der Macht" der Beziehung zwischen den Mächtigen dieser Welt und ihren Sitzgelegenheiten. Anhand von rund 20 ausgewählten Objekten aus der Museumssammlung zeigt das Ausstellungsteam um Kuratorin Heng Zhi, wie sich Auffassungen von politischer, gesellschaftlicher und wirtschaftlicher Macht bis heute in unseren Sitzgelegenheiten ausdrücken.
Sitzen: Privileg der Herrschenden
Die Ursprünge des modernen Stuhls gehen auf Thronsitze der Antike zurück. "Bis ins Mittelalter war das erhöhte Sitzen den Herrschenden und der Oberschicht vorbehalten", erklärt Kuratorin Heng Zhi im DW-Gespräch. "Damals ging es nicht um die Funktion des Sitzens aus Gründen der Bequemlichkeit, sondern darum, ein Zeichen der Herrschaft zu vermitteln."
Kuratorin Heng Zhi will den Zusammenhang zwischen Macht und Sitzgelegenheit aufzeigenBild: Vitra Design Museum/B. Matthiessen
Aber warum gerade im Sitzen? Stehend wirkt ein Herrscher doch viel größer, mächtiger und bedrohlicher. Zhi klärt auf: "Damals waren die Machtsymbole ja nicht einfache Stühle. Der Herrscher saß erhöht auf einem übergroßen und überhohen Thron, der weit über die eigentliche Körpergröße hinausging. Der Papstthron, den wir in der Ausstellung zeigen, hat beispielsweise eine Rückenlehne, die über zwei Meter hoch ist. Außerdem ist der Stuhl sehr breit. Mit einem solchen Sitzobjekt kann der Herrscher seine Machtposition noch einmal verstärken."
Demokratisierung durch Industrialisierung
Heute sitzen die Mächtigen der Welt nicht mehr auf opulenten Thronkonstruktionen, sondern auf viel schlichteren Vierbeinern. Doch der Prozess der Demokratisierung des Sitzens war ein langsamer. Er begann erst in der Neuzeit mit dem Aufkommen des Bürgertums. "Eine tatsächliche Demokratisierung erfolgte aber erst durch die industrielle Massenproduktion", weiß Zhi. "Der Thonet-Stuhl aus dem 19. Jahrhundert ist beispielsweise einer der ersten 'Massenstühle' der Geschichte."
Vater des ersten "demokratischen Stuhls": Der deutsche Tischler und Industrielle Michael ThonetBild: picture-alliance/akg-images/
Es ist kein Zufall, dass die Verbreitung einer demokratischen Sitzordnung mit der Verbreitung demokratischer Werte in den westlichen Gesellschaften einherging. Nicht nur die meisten nationalen Parlamente haben heute eine runde Sitzordnung, auch internationale Institutionen folgen diesem Prinzip. Ein Bild in der Ausstellung zeigt den Sitzungssaal des UN-Sicherheitsrats. "Die Vertreter der Staaten sitzen dort in einer runden Sitzordnung und jeder Platz hat ein eigenes Mikrofon. Es gibt in diesem Kreis keinen herausgestellten Vorsitzenden mehr im klassischen Sinne. Jeder ist möglichst gleichwertig repräsentiert", erklärt Zhi.
Nichtsdestotrotz hat sich die Verbindung zwischen Sitzgelegenheit und Machtstatus bis heute gehalten. "Die Unterschiede werden heutzutage aber subtiler vermittelt", so Zhi. Auch wenn die Mächtigen in Politik, Wirtschaft, Kultur und Sport versuchen, das Image der Gleichberechtigung zu pflegen: Durch minimale Höhenunterschiede der Rückenlehne oder die Verwendung teurerer Materialien werden immer noch unterschiedliche Machtverhältnisse zum Ausdruck gebracht. Es gibt sie also noch, die Throne der Gegenwart - nur stehen die meisten heute nicht mehr in Schlössern und Palästen.
Die Ausstellung "Stühle der Macht" ist bis zum 17.02.2019 im Vitra Designmuseum in Weil am Rhein zu sehen.