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Gesellschaft

"Männerwelten" - Debatte über Sexismus

Rebecca Staudenmaier
26. Mai 2020

Ein Video, das die tägliche sexuelle Gewalt in Deutschland zeigt, löst eine Debatte in sozialen Netzwerken aus. Männer äußern sich überrascht und schockiert, Frauen fragen, ob sich jemals etwas ändern wird.

Standbild Sendung Joko und Klaas - Sophie Passmann und Palina Rojinski
Bild: picture-alliance/dpa/ProSieben

Das Video "Männerwelten" beginnt mit dem Gang durch den dunklen Raum einer Foto-Ausstellung - es ist eine endlos scheinende Abfolge von Fotos männlicher Geschlechtsteile, die Frauen ungebeten zugeschickt bekommen haben. "Vielleicht ist es die gruseligste, aber auch nötigste Ausstellung der Welt," hört man die Autorin Sophie Passman im Video sagen. 

Die Entertainer Joko Winterscheidt and Klaas Heufer-Umlauf - bei einem jungen Publikum bekannt und beliebt für ihre Wettstreite und spektakulären Stunts - hatten es der Feministin Sophie Passmann ermöglicht, ihr Video in der besten Sendezeit auf Pro7 zu zeigen.

Die Resonanz auf das Video nach seiner Ausstrahlung Mitte Mai war überwältigend. Es verzeichnet inzwischen rund vier Millionen Abrufe, der Hashtag #Maennerwelten war schnell ein Trend auf Twitter. Es veranlasste Frauen im gesamten deutschsprachigen Raum, eigene Missbrauchserfahrungen zu erzählen und auf social media zu posten.

So zum Beispiel Twitter-Userin Eleviisa aus Salzburg: Sie wollte gegen einen Mann Anzeige erstatten, der ihr ungebeten Fotos von seinem Penis geschickt habe. Die Polizei antwortete ihr, man würde nicht ermitteln, weil es sich nicht um einen exhibitionistischen Akt im echten Leben gehandelt habe.

Während Frauen ihre Erlebnisse und Empörung zum Ausdruck brachten, zeigten Männer sich überrascht: "Einfach nur unfassbar... als Mann Ende 20 fühle ich bei diesem Beitrag nichts als Fremdscham und Ekel... Gleichzeitig finde ich es jedoch super, dass Joko & Klaas die Aufmerksamkeit auf so ein Problem lenken!", so ein Kommentar zum Video auf YouTube.

Das Thema sexueller Belästigung und Gewalt war in Deutschland zuletzt 2017 in der #MeToo-Debatte hochgekocht. Und schon 2013 gab es ähnliche Empörung im Zuge der #Aufschrei-Diskussion. Dass es jetzt wieder so eine große Resonanz geben würde, kam für viele überraschend.

Die 26-jährige Sophie Passmann ist eine der bekanntesten deutschen FeministinnenBild: picture-alliance/Geisler-Fotopress/C. Hardt

"Ich glaube, was dieses Video geschafft hat, ist, dass viele Männer verstanden haben: Jeder von ihnen kennt mindestens eine Frau, die diese Erfahrungen gemacht hat", sagte die frauenpolitische Sprecherin der Grünen, Ricarda Lang, der DW.

Sie erkennt Handlungsbedarf: "Wir haben heute leider immer noch zu oft die Situation, dass von Sicherheitsbehörden digitale Gewalt nicht ernst genommen wird." Zudem gebe es noch etliche Problemfelder, die eine politische Intervention bräuchten: "Erstens brauchen wir eine gute Ausstattung und Weiterbildung der Polizei im Umgang mit sexualisierter Gewalt und vor allem mit digitaler Gewalt, so dass das Netz nicht zum straffreien Raum wird, und jedes Opfer von sexualisierten Übergriffen weiß, dass es bei der Polizei ernst genommen wird und sich dort auch sicher fühlt."

Männer schon wieder "überrascht"

Die Reaktionen auf das "Männerwelten"-Video zeigten auch, dass es nun an der Zeit sei, daß Männer selbst gegen Sexismus aktiv werden, sagt Nils Pickert, Autor und Mitglied der Anti-Diskriminierungsorganisation "Pink Stinks". Er bedauert, dass Männer zum wiederholten Mal "überrascht" seien: "Das liegt daran, dass sie und die gesamte Gesellschaft die eigentlich anstehende Debatte über Gewalt, Geschlechtergerechtigkeit und Männlichkeitskonzepte nicht führen wollen und lieber aussitzen." Pickert fordert Handlungen statt Bekenntnisse.

"Es ist Zeit, sich die richtigen Fragen zu stellen und entsprechend zu handeln, anstatt so zu tun, als wäre alles in Ordnung und das Problem auf Verfehlungen einiger weniger Männer zurückzuführen", fordert Pickert und fragt: "Wie flirten wir, wie bahnen wir Beziehungen an? Warum wird Stalking-Verhalten romantisiert? Wieso ist gekränkte Männlichkeit so gefährlich für Frauen? Warum ist Männlichkeit überhaupt so leicht kränkbar? Wieso sind unsere Erzählungen und Bilder darüber, was Jungen und Männer ausmacht, oft so eindimensional, beschränkt und gewaltfixiert?"

Er mahnt: "Wenn wir uns endlich darum kümmern würden, dass es weniger Täter gibt, als bei den Aufschreien von Opfern überrascht zu tun, wären wir ein ganzes Stück weiter."

Sexismus kombiniert mit anderen Diskriminierungen

Kulturwissenschaftlerin Madita Oeming meint, das Männerwelten Video zu zeigen gehe nicht weit genug und stimmt Margarete Stokowski zu:  

"Stellt Euch vor Joko und Klaas hätten die 15 Minuten genutzt um mit einer Runde Promimänner öffentlich eigene Fehler zu gestehen… und hätten dazu aufgefordert, unter #maennerwelten weitere Täter-Geschichten zu teilen, DANN hätte ich dankbar geklatscht!"

Gegenüber der DW erklärt sie, dass sie es bedauert, dass die Stimmen von nicht-weißen Frauen, Frauen mit Behinderung, trans Frauen und anderen Mitgliedern der LGBT+ Gemeinde in dem Männerwelten Video fast gar nicht zu sehen gewesen seien.
Sie betont gegenüber der DW, dass es in diesem Fall nicht nur eine Frage von Repräsentation sei, sondern auch von Intersektionalität, also Mehrfachdiskriminierung: „Sexismus trifft jene noch härter, die auch von anderen Formen von Diskriminierung betroffen sind“, sagt Oeming.

Männerwelten als ständige Ausstellung

Gegen Ende des Videos teilt Sophie Passmann den Zuschauern mit, dass sie und die Männer, die ihr die Sendezeit überlassen hatten, sich dessen bewusst seien, dass 15 Minuten die Welt nicht ändern  würden.

"Natürlich ist allen Beteiligten dieser Ausstellung - inklusive Joko und Klaas - bewusst, dass dieser kleine Einblick in die Realität von Frauen nicht die Welt verändern wird. Denn leider ist 'Männerwelten' eine Dauerausstellung, die sich nicht auf ein paar Fernsehen-Minuten und einzelne Räume beschränken lässt, sondern auch während und nach dieser Ausstellung weiter geht."

Sie beschließt das Video mit den Worten: "Wahrscheinlich müssen wir eine ganze Weile ertragen, dass diese Scheiße stattfindet, aber wir müssen es nicht akzeptieren."

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