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Politik

Mörder aus Hongkong für Taiwan unerreichbar

Dang Yuan
23. Oktober 2019

Der Hongkonger, der auf Taiwan seine Freundin ermordet hat, will sich der dortigen Justiz stellen. Wegen der komplizierten Beziehungen der beiden chinesischen Territorien ist ein Prozess aber unwahrscheinlich.

Hong Kong Taiwan Murder Suspect
Bild: picture-alliance/AP Photo/K. Cheung

Am Mittwochvormittag verließ Chan Tong-kai das Gefängnis für männliche Ersttäter in der Clearwater Bay Road in Hongkong als freier Mann. (Artikelbild Mitte, verpixelt) Der 20-Jährige hatte 29 Monate abgesessen - wegen Geldwäsche. Dabei hat er einen Mord gestanden. Weil die Tat auf Taiwan geschah, bleibt sie bislang ungesühnt. Grund sind die speziellen Beziehungen zwischen Hongkong und Taiwan. Denn Hongkong gehört zwar zur Volksrepublik China, genießt aber im Bereich Justiz Sonderrechte. So ist eine Auslieferung an das Festland sowie an Macau und Taiwan ausgeschlossen.

Taiwan wiederum sieht sich als eigener Staat, der zwar de facto von China unabhängig, aber auf diplomatischer Bühne isoliert ist. Würde es Taiwan in dem aktuellen Fall gelingen, mit Hongkong zu einer Übereinkunft über Justizhilfe zu kommen, wäre dies ein diplomatischer Sieg Taiwans. Denn es würde sich um eine offizielle Vereinbarung wie zwischen zwei souveränen Staaten, eben der Volksrepublik China und der Republik China/Taiwan, handeln.

Mord aus Eifersucht

Rückblick: Im Februar 2018 machte Chan mit seiner Freundin Poon Hiu-wing, ebenfalls aus Hongkong, Urlaub auf Taiwan. Sie hatten sich während der Arbeit kennengelernt. Als Chan herausfand, dass Poon bereits in der fünften Woche von ihrem Ex-Freund schwanger war, erwürgte er sie aus Eifersucht. Ihre Leiche packte er in einen Reisekoffer, den er in einem Park versteckte.

Chan kehrte dann am 17. Februar 2018 nach Hongkong zurück. Er verriet sich durch mehrmalige Bargeldabhebungen mit der Karte seiner ermordeten Freundin, deren Eltern eine Vermisstenanzeige aufgegeben hatten. Während des Polizeiverhörs gestand Chan, dass er die Vermisste umgebracht hat. Die Leiche wurde von den Taiwaner Behörden wie von dem Täter angegeben gefunden.

Anhaltende Proteste gegen Auslieferungsgesetz in HongkongBild: Reuters/K. Kyung-Hoon

Eine rechtliche Lücke

Taiwan stellte daraufhin einen Auslieferungsantrag, insgesamt dreimal, wohlwissend, dass Hongkong dem nicht stattgeben konnte. Denn ein Hongkonger Gesetz verbietet die Auslieferung von Einwohnern des Territoriums in "chinesische Gebiete außerhalb Hongkongs".

Bisher unterhält die ehemalige britische Kolonie, die 1997 an China zurückfiel, mit 20 Ländern Auslieferungsabkommen. Als Ausnahme ist die Auslieferung in ein anderes Land als eines der 20 möglich, sofern das Parlament Hongkongs zustimmt - ausgenommen sind das chinesische Festland, Macau und Taiwan.

Chan erhielt eine Freiheitsstrafe aufgrund des Delikts "Geldwäsche", wegen des Kreditkartenmissbrauchs. Wegen seines eigentlichen grässlichen Verbrechens wurde er nicht angeklagt, da es nicht auf Hongkonger Gebiet geschah.

Hongkongs Verwaltungschefin Carrie LamBild: Reuters/T. Siu

Das kontroverse Auslieferungsgesetz

Damit Chan in Taiwan der Prozess wegen Mordes gemacht werden kann, brachte Hongkongs Chief Executive Carrie Lam im Februar 2019 eine Gesetzesänderung auf den Weg, die später als "Auslieferungsgesetz" bekannt wurde und Massenproteste auslöste. Vermutet wird, dass das Gesetzesvorhaben bereits länger geplant war.

Weder Oppositionelle noch Geschäftsleute Hongkongs wollten Gefahr laufen, an ein Land mit politischer Willkürjustiz ausgeliefert zu werden. Die Fälle von auf dem Festland verschleppten beziehungsweise "verschwundenen" Personen, teilweise mit anschließendem "Geständnis" im chinesischen Staatsfernsehen, sind noch sehr präsent. Das Gesetzesvorhaben wurde inzwischen endgültig verworfen.

Chan und Pastor KoonBild: picture-alliance/AP Photo/M. Schiefelbein

Diplomatische Brisanz

Mit der Freilassung Chans am Mittwoch erhält der Fall wieder diplomatische Brisanz. Denn er will sich angeblich vor einem Gericht in Taiwan der Mordanklage stellen. Dies hatte Chan vergangene Woche der Hongkonger Verwaltungschefin Carrie Lam schriftlich mitgeteilt. Vor der beim Gefängnis versammelten Presse bekräftigte Chan: "Ich bin bereit, nach Taiwan zu reisen, mich in Taiwan zu stellen und dort die verdiente Strafe abzusitzen."

Auf Chan wartete auch Koon Ho-ming, Pastor der Anglikanischen Kirche in Hongkong, der ihn nach eigener Aussage davon überzeugt hat, diesen Schritt zu tun. Interessantes Detail: Koon Ho-ming ist außerdem Mitglied der Politischen Konsultativkonferenz der Hauptstadt Peking, eines beratenden Parteiorgans.

Chan droht Todesstrafe

Im Falle einer Verurteilung wegen Mordes droht ihm in Taiwan die Todesstrafe. 2018 wurde in Taiwan nach einem zweijährigen Moratorium die Todesstrafe wieder vollstreckt, an einem Mörder seiner Ex-Frau und Kinder. Weitere 43 Häftlinge sitzen derzeit in Taiwan in der Todeszelle. Ist Chans Reue so groß, dass er diese Strafe in Kauf nimmt?

Das Risiko, dass es soweit kommt, ist sehr gering. Denn Hongkong verweigert nicht nur die Auslieferung, sondern auch jede sonstige Zusammenarbeit mit den Justizbehörden aus Taiwan. Diese verlangen für ein ordentliches Verfahren, die Sicherstellung und Übergabe von Beweismitteln durch die Hongkonger Justiz an diejenige Taiwans. Überdies müsse Chan wegen Verdunkelungsgefahr vorübergehend wieder in Haft genommen werden, notfalls durch Beamte aus Taiwan.

Doch Hongkong mauert. John Lee Ka-chiu, Hongkonger Justizchef, sieht keinen Grund, Chan wieder in Gewahrsam zu nehmen. Chan habe seine rechtskräftige Strafe in Hongkong abgesessen. Die Justiz in Hongkong sehe keinen Anlass für weitere Maßnahmen gegen Chan: "Er ist ein freier Mann."

Taiwans Präsidentin Tsai: "Republik China/Taiwan ist nun zuständig"Bild: Reuters/J. Moon

"ROC/Taiwan ist zuständig"

Taiwans Präsidentin Tsai Ing-wen erklärte am Mittwoch angesichts der Hongkonger Weigerung, seinen Ermittlungspflichten nachzukommen: "Jetzt ist die Justiz der Republik China (ROC)/Taiwan dafür zuständig." Praktische Auswirkungen dürfte diese Äußerung nicht haben.

Nun wird spekuliert, dass die Bereitschaft Chans, sich den Behörden Taiwans zu stellen, eine vom Pastor Koon Ho-ming eingefädelte Finte des Festlands ist. Lässt sich doch damit schön demonstrieren, wie nötig eine gesetzliche Möglichkeit zur Auslieferung "an andere chinesische Territorien", darunter Taiwan, gewesen wäre.

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