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Mühsame Annäherung: Kongos Kobalt und Europas Rohstoffhunger

22. November 2024

Die enormen Bedarfe an Rohstoffen für Elektromobilität haben Kongo in eine bessere Verhandlungsposition gebracht. Europa setzt auf Rohstoffsicherheit. Doch die Realitäten vor Ort sind andere.

Demokratische Republik Kongo | Bergbau | COMMUS-Mine
Industrielle Tagebaue, aber auch kleine Minen sind in der Region um Kolwezi viele zu finden - doch Europa liegt ihnen als Absatzmarkt fernBild: Johannes Meier/streetsfilm

Brüssel, im Sommer 2024. In einem Büro des Europäischen Parlaments steht die französische Abgeordnete Marie-Pierre Vedrenne von der liberalen Fraktion Renew Europe und erklärt ihre Position zur europäischen Rohstoffpolitik.

EU-Abgeordnete Marie-Pierre Vedrenne sieht den Bedarf an Kobalt für Europa - aber bitte frei von AusbeutungBild: Johannes Meier/streetsfilm

"Wir haben ein Interesse, zusammenzuarbeiten", sagt Vedrenne im DW-Interview. "Frankreich, Deutschland und die ganze EU müssen gemeinsam handeln, um eine Versorgung der EU zu schaffen, die sicher und nachhaltig ist. Die Fördermethoden sollen unserer Vision gerecht werden, keine Ressourcen auszubeuten und nicht dazu beizutragen, dass Kinder unter schrecklichen Bedingungen arbeiten müssen."

7000 Kilometer weiter südlich, nahe der südkongolesischen Bergbaustadt Kolwezi, steht Paul Zagabe Banze in einer Kupfer- und Kobaltmine. Er hält zwei Brocken Erzgestein in die Kamera, die Baseballcap als Schutz gegen die glühende Sonne über dem bärtigen Gesicht. Hier wird von Hand gearbeitet, 50 Kilogramm schwere Säcke mit Gestein auf dem Rücken getragen. Kinder sind keine zu sehen.

Paul Zagabe Banze ernährt mit den Erträgen aus dem Kobaltabbau seine FamilieBild: Johannes Meier/streetsfilm

Die Männer hinter ihm sorgen mit rastlosen Schlägen der schweren Hämmer für eine rhythmische Untermalung. "Wir Bergarbeiter wissen nicht, was dieses Kupfer und Kobalt für einen Nutzen hat", sagt er. "Die Weißen kaufen das. Wir verkaufen es, aber wir wissen nicht, was sie damit machen." Als könnte er es selbst nicht glauben, sagt er den Satz gleich noch einmal.

Kein Weg vorbei an Kongos Kobalt

Zwischen den staubig-roten Abbruchkanten in Kongos Bergbaugebieten und dem Gewirr aus klimatisierten Gängen im politischen Zentrum Europas liegen Welten. Die Brücke sind die Rohstoffe. Als Bestandteil von Batterien ist Kobalt ein zentraler Rohstoff für die Energiewende - die sich die europäische Politik zum Anliegen gemacht hat mit dem Versprechen, bis 2050 klimaneutral zu werden.

Tatsächlich entfallen auf den Kongo heute mehr als zwei Drittel der weltweiten Kobaltproduktion. Mit dem zentralafrikanischen Land steht und fällt die weltweite Produktion. Nach einem Tiefpunkt von 800 Tonnen Jahresertrag im Jahr 1994 hat sich das Volumen bis 2020 auf 98.000 Tonnen mehr als verhundertfacht, während der Ertrag in der restlichen Welt sich etwas mehr als verdoppelt hat - ein vergleichsweise sanfter Anstieg.

Abhängigkeiten umgekrempelt

Europa sucht, der Kongo bietet - so einfach ist die Gleichung in diesem Kontext nicht. Cecilia Trasi, Analystin für Energie und Klima beim europäischen Thinktank Bruegel, ordnet ein: "Die Mehrheit der weltweiten Kobaltreserven liegt im Kongo, aber verarbeitet werden drei Viertel davon in China. Wenn wir das Kobalt nutzen wollen, müssen wir uns also an China wenden."

Auch die Europaabgeordnete Vedrenne zeigt sich der Schieflage bewusst - und versucht gleich eine Erklärung: China beherrsche zurzeit die ganze Wertschöpfungskette der Rohstoffe, von der Extraktion über die Veredelung und Weiterverarbeitung bis hin zum Recycling. Gerade im Kongo bediene sich China ausbeuterischer Methoden - "mit dem Willen, keine lokale Wertschöpfung in Afrika aufzubauen, auch wenn das das Ziel sein sollte", findet die liberale Abgeordnete.

So treten europäische Akteure in Kongos Kupfergürtel kaum in Erscheinung. Stattdessen kommt das Kobalt über den Weltmarkt nach Europa - nach Veredelung in China und meist fünf bis sechs Zwischenstationen, wie Expertin Trasi schätzt.

Es geht nicht ohne China, sagt Expertin Cecilia TrasiBild: Johannes Meier/streetsfilm

Dass europäische Länder nicht unbedingt Wunschpartner für den Kongo sind, ist für Simon Tuma Waku nur folgerichtig. Der Geschäftsmann und Funktionär, der 2002 als Bergbauminister nach Jahren des Kriegs das erste Bergbaugesetz auf den Weg brachte, vergleicht das Verhältnis der afrikanischen Länder zu ihren ehemaligen Kolonialmächten mit jungen Erwachsenen, die sich von ihren Eltern emanzipieren. "Genau das passiert jetzt. All diese afrikanischen Länder sagen: Ihr müsst jetzt auch unsere Gefühle, unsere Wünsche bedenken. Auch wenn ihr uns helft, Geld gebt oder was auch immer: Zwingt uns nicht auf, was ihr für unser Bestes haltet. Sondern fragt uns: Was wollt ihr tun? Und wir sagen euch, wie ihr euer Geld investieren könnt."

Kongos neues Selbstbewusstsein

Und Kongo geht in großen Schritten voran. Der Fokus auf Rohstoffe ist nicht neu. Vor mehr als hundert Jahren förderten Sklaven in der Privatkolonie des belgischen Königs Leopold unter menschenunwürdigen Bedingungen Kautschuk für den europäischen Bedarf. Nach der Unabhängigkeit installierte Diktator Mobutu Sese Seko ein System, in dem durch Verstaatlichung, fehlende Investitionen und ausbeuterische Vetternwirtschaft kaum Gewinne übrigblieben und die Produktion zuletzt deutlich einbrach. Erst unter Joseph Kabila, dem Vorgänger des aktuellen Präsidenten Félix Tshisekedi, mehrten sich die Bemühungen, die Branche zu regulieren, wichtige Unternehmen zu umwerben und gar mit dem benachbarten Sambia zusammenzuarbeiten - mit dem Ziel, selbst in die Batterieherstellung einzusteigen.

Das Geschäft floriert - zu den Profiteuren gehören nicht zuletzt chinesische Unternehmen und AufkäuferBild: Johannes Meier/streetsfilm

"Wir haben eine wichtige Entscheidung getroffen, den Bergbausektor für Privatinvestoren zu öffnen, um ihn vor dem Verfall zu bewahren, weil der Staat nicht so große Gewinne erzielte", sagt Tuma Waku am Rande einer belebten Bergbaumesse in der südkongolesischen Metropole Lubumbashi.

Der heutige Geschäftsmann lobt sein eigenes Bergbaugesetz von 2002 als Startpunkt für die Wiederbelebung des Sektors. Die Kulisse von Hochglanzmaschinen und internationalen Gästen scheint ihm Recht zu geben. Inzwischen gilt eine neue Fassung des Gesetzes von 2018. Die setzt einen Fokus auf die Umweltverträglichkeit der Branche.

Europa arbeitet weiter an seinen Idealen

Bei genauem Hinsehen finden sich dann tatsächlich Spuren europäischer Projekte im Kongo: Ein groß angelegtes Infrastrukturprojekt soll die Bergbaustadt Kolwezi direkt mit Lobito in Angola verbinden, neue Straßen und Stromtrassen entstehen. So soll der Anschluss an den Atlantischen Ozean und damit an Europa verbessert werden - ein Stück Selbstständigkeit und Entscheidungsmacht für den Kongo.

Wir fragen in Brüssel bei Jutta Urpilainen nach. Als scheidende EU-Kommissarin für internationale Partnerschaften hat sie viel in die Beziehungen zu Afrika investiert. "Es ist wichtig, zu verstehen, dass die Welt, in der wir leben, zunehmend vernetzt ist", sagt Urpilainen. Europa lege zurzeit eine starken Fokus auf Verteidigung, laufe dabei aber Gefahr, sich geopolitisch zu isolieren.

Urpilainen beschwört aber auch die Erfolge. Die EU und ihre Mitgliedsstaaten hätten unter dem Schlagwort "Team Europe" zu neuem Selbstbewusstsein gefunden. Mit der Global Gateway Initiative, einer europäischen Gegeninitiative zu Chinas Neuer Seidenstraße, investiert Europa vor allem in strategische Infrastrukturmaßnahmen wie den Lobito-Korridor. "Es ist wichtig, in Entwicklungszusammenarbeit zu investieren. Es ist wichtig, dass Europa ein Champion für Klimafinanzierung und menschliche Entwicklung und für globale Investitionen bleibt." Das sei es, was auch afrikanische Partner erwarteten.

Ungeachtet der Arbeitsbedingungen und Umweltfolgen entsteht hier ein gefragtes ProduktBild: Johannes Meier/streetsfilm

Doch alle Infrastruktur-Bemühungen Europas können es nicht zum Partner Nummer eins des Kongo aufsteigen lassen. An den Exporten des Landes hält China den Löwenanteil, weitere Länder bringen sich in Position. Und nach den Regeln der früheren Kolonialmächte zu spielen, liegt den Mächtigen in Provinzen und Unternehmen fern. Auch die Fortschritte des neuen Bergbaugesetzes bleiben auf dem Papier: Die Regierung mache keine Anstalten, das eigene Gesetz auch anzuwenden, beklagen lokale Nichtregierungsorganisationen.

In der Mine bei Kolwezi gibt sich Paul Zagabe Banze zufrieden. Er lebe gut mit seiner Frau und seinen vier Kindern. Die Rechnung stimme - mit der Kraft, die Gott ihm gegeben habe.

Mitarbeit: Jan Philipp Scholz, Johannes Meier, Kahozi Kosha

Hinweis der Redaktion: Eine Aussage von EU-Kommissarin Jutta Urpilainen wurde nachträglich präzisiert.