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München: NS-Vergangenheit und neues jüdisches Leben

5. September 2024

Das NS-Dokumentationszentrum steht im Herzen der einst von Nationalsozialisten geprägten bayerischen Metropole München. In der Nachbarschaft blüht neues jüdisches Leben.

Ein hohes quaderförmiges helles Gebäude mit hohen schmalen Fenstern: das NS-Dokumentationszentrum in München
Das NS-Dokumentationszentrum in München setzt sich mit der Geschichte des Nationalsozialismus auseinanderBild: Peter Kneffel/dpa/picture alliance

Es ist das Herz des einst braunen, nationalsozialistischen Münchens. Das NS-Dokumentationszentrum in der bayerischen Landeshauptstadt, in dessen Nachbarschaft an diesem Donnerstag Schüsse fielen, erinnert an dunkle Jahre und Jahrzehnte. Denn München ist wie keine andere deutsche Stadt mit dem Aufstieg des Nationalsozialismus verbunden. Das erste deutsche Konzentrationslager Dachau liegt vor den Toren der Stadt.

In München stieg Adolf Hitler mit der nationalsozialistischen Bewegung bis zur Machtübernahme in Berlin 1933 auf. Bis zum Ende von Nazi-Deutschland behielt die Stadt in Bayern große Bedeutung für die Hitler-Partei. Das 2015 eröffnete NS-Dokumentationszentrum steht exakt an der Stelle, an der einst das sogenannte "Braune Haus" stand. So hieß im Volksmund das Palais an der Brienner Straße 34, in dem von 1930 bis 1945 die Hitler-Partei NSDAP in München ihre Zentrale hatte.

9. November 1935: Aufmarsch der Hitler-Jugend in München zur Erinnerung an der Hitler-Putsch von 1923Bild: akg-images/picture-alliance

Die Brienner Straße und der nahe Königsplatz waren Aufmarschplätze der Nationalsozialisten in der Stadt. Am Königsplatz ließ sich Hitler häufig feiern. Bis heute erkennt man an der Architektur die dunkle Geschichte der bayerischen Landeshauptstadt.

München in der Hitler-Zeit: "Hauptstadt der Bewegung"

Das Dokumentationszentrum nahe des Königsplatzes soll vor allem mit Fotografien, Filmen, Dokumenten und Texten die besondere Rolle Münchens für den Nationalsozialismus als von Hitler ernannte "Hauptstadt der Bewegung" dokumentieren: die Geschichte von unsäglichem Leid, Massenmord und Barbarei. Bundes- und Landespolitiker mahnten bei der Grundsteinlegung 2012 und der Eröffnung 2015, exakt 70 Jahre nach der Befreiung der Stadt von den Nazis durch die US-Armee, zur Wahrung der Erinnerung. "Freiheit und Demokratie brauchen Erinnerung", sagte der damalige bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer. Und er betonte das in Politiker-Reden zum Thema so übliche "Nie wieder".

Eine Luftaufnahme von München: Links der Königsplatz, von dem die Brienner Straße nach rechts (Osten) wegführt. Deutlich erkennbar der weiße Bau des Dokumentationszentrums. Am Kreisverkehr, dem Karolinenplatz, das Generalkonsulat. Unweit davon befindet sich der Sitz der Europäischen RabbinerkonferenzBild: Felix Hörhager/dpa/picture alliance

In dem ganz in Weiß gehaltenen, weit sichtbaren Kubus führt eine Ausstellung durch die Vorgeschichte und Geschichte des braunen Münchens - von oben nach unten. Im obersten, vierten Stock beginnt die Geschichte mit dem Ersten Weltkrieg und den Gründen für das bald auf das Kriegsende folgende Entstehen der NSDAP und deren Aufstieg. In den unteren Stockwerken erhalten die Besucher Informationen über die Gesellschaft im nationalsozialistischen München, über Verbrechen von Münchnern im Zweiten Weltkrieg und die Folgen des Vernichtungskriegs über die Stadt hinaus. Das Haus zählt jährlich hunderttausende Besucher.

Israelisches Generalkonsulat und Europäische Rabbiner

Dabei steht die Gegend rund um die Brienner Straße auch für israelische Präsenz und neuerdings für starkes jüdisches Leben in München. Wenige Schritte entfernt befindet sich seit 2011, massiv gesichert, das Generalkonsulat des Staates Israel in München.

Es handelt sich nach israelischen Angaben um das einzige Generalkonsulat des Staates in der Europäischen Union. Das zeigt die vielfältigen, auch wirtschaftlichen Beziehungen Bayerns und Israels. Bereits von 1948 - kurz nach Gründung des Staates Israel - bis 1953 gab es in der Stadt die erste israelische diplomatische Niederlassung in Deutschland. Zu der Zeit gab es noch keine offiziellen diplomatischen Beziehungen. Aber Israel wollte Sorge tragen für Überlebende der Schoa, die nach Israel ausreisen wollten.

Am Eingang zum Büro der Europäischen Rabbinerkonferenz.Bild: Christoph Strack /DW

In dieser Nachbarschaft liegt seit 2023 der Hauptsitz der "Konferenz der Europäischen Rabbiner" (CER). Die Konferenz war 1956 in London gegründet worden und hatte den Wiederaufbau jüdischen Lebens in Europa zum Ziel. Dass sich die Rabbiner für den Umzug nach München entschlossen, lag am Engagement der bayerischen Landesregierung, am Brexit und am erstarkten jüdischen Leben in Deutschland. Und die Stadt hat in zentraler Innenstadt-Lage eine der beeindruckendsten neugebauten Synagogen in Deutschland und eine vitale jüdische Gemeinde. 

Rabbiner Pinchas Goldschmidt (links) mit Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) Bild: Sven Hoppe/dpa/picture alliance

"Historisch gesehen ist München wirklich extrem", sagt 2023 der Präsident der orthodoxen Vereinigung, Rabbi Pinchas Goldschmidt, der Deutschen Welle. "Hier begann die Zerstörung des Judentums in Europa. Hier wurde die Kristallnacht, die Reichspogromnacht geplant." Hier schließe sich ein historischer Kreis. "Die Konferenz der Europäischen Rabbiner, die seit 1956 den Wiederaufbau der jüdischen Gemeinden nach dem Holocaust unterstützen wollte, kommt in dieses Land. Und in München, in Bayern, in Deutschland sehen wir: Jüdische Gemeinden wurden wiederaufgebaut und blühen."

Bislang hat der CER-Sitz diverse, eher unauffällige Schutzmaßnahmen. Aber schräg gegenüber auf der anderen Straßenseite befindet sich eine große Polizeiwache. Sie steht für den ständigen Schutz der Objekte in der Nachbarschaft.

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