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Neue Studie bestätigt Insektensterben

30. Oktober 2019

Ehrenamtliche Insektenkundler hatten vor zwei Jahren Alarm geschlagen: Die Zahl der Fluginsekten sei drastisch eingebrochen. Nun bestätigt eine neue Studie zu drei deutschen Naturregionen die Befürchtungen.

Schmetterlinge auf Blumenwiese
Bild: Imago Images/Becker&Bredel

Die Langzeitstudie des Entomologischen Vereins Krefeld war im Oktober 2017 wie eine Bombe eingeschlagen: Innerhalb von dreißig Jahren sei die Anzahl der Fluginsekten in Deutschland um drei Viertel zurückgegangen. 

Nun bestätigt ein Forscherteam um Sebastian Seibold und Wolfgang Weisser, die an der Technischen Universität München terrestrische Ökologie lehren, diesen Insekten-Schwund. Sie veröffentlichten ihre Ergebnisse am 30. Oktober in der Fachzeitschrift Nature. 

"Bisherige Studien konzentrierten sich […] entweder ausschließlich auf die Biomasse, also das Gesamtgewicht aller Insekten, oder auf einzelne Arten oder Artengruppen", stellte Forschungsgruppenleiter Seibold die Besonderheit der neuen Forschungsarbeit heraus. 

"Das Urteil ist klar. Mindestens in Deutschland ist der Insektenschwund real - und er ist so schlimm wie befürchtet", schrieb der Biologieprofessor William Kunin von der University of Leeds in einem Kommentar zu der Studie. Die Studie liefere den stärksten bisher verfügbaren Beleg für das Insektensterben, betonte er. 

Wälder und Wiesen

Die Wissenschaftler hatten zwischen 2008 und 2017 regelmäßig in drei Regionen des Landes sowohl Fluginsekten als auch andere Gliederfüßer wie Spinnentiere oder Tausendfüßer gezählt. Die Studie betrachtete 290 Standorte mit Wäldern und Graslandschaften auf der Schwäbischen Alb, im Hainich - einem bewaldeten Höhenrücken in Thüringen - sowie in der brandenburgischen Schorfheide.

Die Wissenschaftler untersuchten 150 Standorte in Graslandschaften jährlich zwei Mal. Mit Netzen sammelten sie die Tiere von der Grasfläche ein. Von den 140 Waldstandorten nahmen sie 30 jährlich unter die Lupe, der Rest an drei Jahren innerhalb des Jahrzehnts. Sie fingen die Insekten dort mit Fallen.

Insgesamt analysierten die Wissenschaftler Daten von mehr als einer Million Insekten und anderen Gliederfüßlern, die zu mehr als 2700 Arten gehörten. Sie berücksichtigten bei der Erhebung auch Schwankungen im Wetter, um damit verbundene Messfehler weitestgehend auszuschließen. 

Mehr dazu: Interview zum Insektensterben: Forscher fordert bestäuberfreundliche Politik

Unsere armen Bienen

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Rückgang in zehn Jahren um bis zu zwei Drittel

Sowohl auf Wiesen als auch in Wäldern ging die Artenzahl im Studienzeitraum um etwa ein Drittel zurück. Auch deren Gesamtmasse nahm ab, besonders ausgeprägt in den Graslandschaften - dort um 67 Prozent. In den Wäldern schrumpfte sie um etwa 40 Prozent. Vermutlich hänge der Rückgang mit der Landwirtschaft zusammen, schreiben die Forscher. "Dass solch ein Rückgang über nur ein Jahrzehnt festgestellt werden kann, haben wir nicht erwartet", sagte Weisser. "Das ist erschreckend, passt aber in das Bild, das immer mehr Studien zeichnen."

Es hat was mit der Landwirtschaft zu tun

Die Forscher konnten einen Zusammenhang zur Landnutzung an den einzelnen Standorten herstellen. Diese reichte von Wiesen, auf denen nur einige Tage im Jahr Schafe weideten und die ansonsten weitgehend unberührt blieben, bis zu stark bewirtschafteten Flächen, die gedüngt und mehrmals jährlich gemäht wurden. Auf einigen Flächen weideten etwa ein Drittel des Jahres Rinder.

Auch die Waldflächen unterteilten sie in drei Kategorien von wenig bis stark bewirtschaftet. Der Insektenschwund war auf solchen Grasflächen besonders ausgeprägt, die von landwirtschaftlich genutzten Ackerflächen umgeben waren. Dort schrumpfte vor allem die Biomasse solcher Arten, die keine großen Distanzen zurücklegen. Möglicherweise hätten diese Insekten schlechtere Chancen, wenn ihr Lebensraum von viel Ackerland umgeben ist.

In den Wäldern schwanden vor allem Insekten-Arten, die weite Strecken zurücklegen. "Ob mobilere Arten aus dem Wald während ihrer Ausbreitung stärker mit der Landwirtschaft in Kontakt kommen oder ob die Ursachen doch auch mit den Lebensbedingungen in den Wäldern zusammenhängen, müssen wir noch herausfinden", sagte Martin Gossner, ein weiterer beteiligter Forscher der TUM. 

Mehr dazu: "Ohne Insekten können wir nicht überleben"

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Was tun?

Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD) zeigte sich gegenüber der Deutschen Presseagentur alarmiert: Die Studie führe ein weiteres Mal vor Augen, wie ernst die Lage sei. "Die Art und Weise der landwirtschaftlichen Nutzung entscheidet maßgeblich mit, ob Insekten in der Umgebung überleben können", sagte sie.

Autor Seibold betonte, dass es nicht reiche, nur mit der Pflege einzelner Flächen und Rückzugsräume gegen das Insektensterben vorzugehen. "Um den Rückgang aufzuhalten, benötigen wir […] eine stärkere Abstimmung und Koordination auf regionaler und nationaler Ebene."

"Die Studie zeigt uns, dass die Landwirtschaft Teil der Lösung sein muss", sagte Bauernverbands-Präsident Joachim Rukwied. "Kaum eine Branche ist so essenziell auf die Bestäubungsleistung von Bienen und Insekten angewiesen wie wir." Er fügte hinzu, dass der Bauernverband auf "kooperativen Naturschutz" setze: "Wir [haben] in diesem Jahr - freiwillig -  bundesweit Blühstreifen als Lebensraum für Insekten in einer Länge von über 230.000 Kilometern angelegt - ein fünf Meter breites Band, das fast sechs Mal um die Erde reicht." Auch engagierten sich die Landwirte in Naturschutzprojekten, so Rukwied.

Naturschützer fordern indes vor allem ein Verbot von Insektiziden – etwa den Neonikotinoiden, die Frankreich bereits verboten hat oder auch des Herbizids Glyphosat. Dieses Pflanzenschutzmittel steht vor allem in der Kritik, weil es die Pflanzenvielfalt verringert. Unterdessen streiten Experten darüber, ob solche Verbote tatsächlich zielführend sind. Es besteht nämlich auch die Gefahr, dass Landwirte nach einem Verbot auf andere Pestizide zurückgreifen, die nicht weniger gefährlich sind. 

fs/af (dpa)

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