Ehrenamtliche Insektenkundler hatten vor zwei Jahren Alarm geschlagen: Die Zahl der Fluginsekten sei drastisch eingebrochen. Nun bestätigt eine neue Studie zu drei deutschen Naturregionen die Befürchtungen.
"Bisherige Studien konzentrierten sich […] entweder ausschließlich auf die Biomasse, also das Gesamtgewicht aller Insekten, oder auf einzelne Arten oder Artengruppen", stellte Forschungsgruppenleiter Seibold die Besonderheit der neuen Forschungsarbeit heraus.
"Das Urteil ist klar. Mindestens in Deutschland ist der Insektenschwund real - und er ist so schlimm wie befürchtet", schrieb der Biologieprofessor William Kunin von der University of Leeds in einem Kommentar zu der Studie. Die Studie liefere den stärksten bisher verfügbaren Beleg für das Insektensterben, betonte er.
Warum wir Insekten brauchen
Kein Kaffee und viel Mist – ohne Insekten sähe das Leben anders aus. Wissenschaftler warnen, zehn Prozent der Arten könnten in den nächsten Jahrzehnten aussterben. Warum verschwinden Insekten und welche Folgen hat das?
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Planet der Insekten
Von hübschen Schmetterlingen bis zu lästigen Mücken - Insekten gehören zu den artenreichsten Lebewesen auf der Erde. Fast eine Million Arten sind bekannt. Doch in manchen Regionen der Erde sind laut einem Bericht des Weltbiodiversitätsrates (IPBES) über 40 Prozent der dort vorkommenden Insektenarten bereits vom Aussterben bedroht. Was das für uns bedeutet, ist vielen nicht klar.
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Fleißige Bestäuber
Nutzpflanzen wie Weizen oder Reis werden vom Wind bestäubt, viele andere benötigen dafür Insekten. Ohne Insekten müssten Lebensmittelproduzenten tief in die Tasche greifen: Pro Jahr helfen sie uns Nahrungsmittel im Wert von 235 Milliarden US-Dollar zu produzieren. In China müssen einige Obstbäume bereits von Hand bestäubt werden, weil die Bienen fehlen. Das verteuert die Lebensmittel drastisch.
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Leere Teller
Das Verschwinden der Bestäuber würde dazu führen, dass wir auf viele Lebensmittel verzichten müssten, darunter die meisten Obst- und Gemüsesorten, sowie heißgeliebte Genussmittel wie Schokolade und Kaffee. Außerdem verhelfen uns Bestäuber auch zu den Fasern, aus denen wir unsere Kleidung herstellen, und zu Medikamenten aus bestimmten Heilpflanzen.
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Die Müllabfuhr der Natur
Viele Insekten, wie der hier abgebildete Mistkäfer, helfen beim Abbau von abgestorbenen Pflanzen, Aas und Fäkalien, die sonst in der Natur liegen bleiben und verrotten würden. Ohne Insekten würde es folglich mehr stinken. Auch die Hygiene würde leiden.
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Futter für andere Tiere
Insekten sind die Hauptnahrungsquelle für viele andere Tiere, darunter Amphibien, Reptilien, Säugetiere und Vögel. Reduziert sich die Zahl der Insekten, kann es zu einem Rückgang ihrer Fressfeinde kommen. Ornithologen sehen einen Zusammenhang zwischen dem starken Rückgang bestimmter Vogelarten in Großbritannien und der schwindenden Zahl an Insekten.
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Anpassungsschwierigkeiten
Der Klimawandel trifft vor allem Insekten, die sich nur langsam anpassen können. Hummeln zum Beispiel mögen es kühl, steigende Temperaturen machen ihnen zu schaffen. Insekten, die als Schädlinge gelten, breiten sich hingegen weiter aus. So auch der Europäische Maiszünsler (Bild), der ganze Maisernten zerstören kann. Mehr Pestizide werden eingesetzt, die auch den bestäubenden Insekten schaden.
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Kein Ort für Bestäuber
Die intensive Landwirtschaft ist einer der Hauptgründe für das Insektensterben in Europa. Dünger, Pestizide und Insektizide machen den Tieren zu schaffen, ebenso wie Monokulturen, also der Anbau einer einzigen Nutzpflanze auf großer Fläche. Dadurch verlieren Insekten immer mehr Rückzugsorte und Lebensraum, wie etwa wildblühende Wiesen.
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Ein Zuhause für Insekten
Eine insektenfreundliche Agrarpolitik, unter Einsatz von weniger Pestiziden und Monokulturen, würde laut Experten helfen, die Anzahl von Insekten zu erhöhen. Mehr Blühstreifen in Gärten und Städten würde Hummeln und Schmetterlingen Nahrung bieten. Insektenhotels bieten einigen solitär lebenden Wildbienen, wie der gern in hohlen Stängeln nistenden Blattschneiderbiene, mehr Lebensräume.
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Wälder und Wiesen
Die Wissenschaftler hatten zwischen 2008 und 2017 regelmäßig in drei Regionen des Landes sowohl Fluginsekten als auch andere Gliederfüßer wie Spinnentiere oder Tausendfüßer gezählt. Die Studie betrachtete 290 Standorte mit Wäldern und Graslandschaften auf der Schwäbischen Alb, im Hainich - einem bewaldeten Höhenrücken in Thüringen - sowie in der brandenburgischen Schorfheide.
Die Wissenschaftler untersuchten 150 Standorte in Graslandschaften jährlich zwei Mal. Mit Netzen sammelten sie die Tiere von der Grasfläche ein. Von den 140 Waldstandorten nahmen sie 30 jährlich unter die Lupe, der Rest an drei Jahren innerhalb des Jahrzehnts. Sie fingen die Insekten dort mit Fallen.
Insgesamt analysierten die Wissenschaftler Daten von mehr als einer Million Insekten und anderen Gliederfüßlern, die zu mehr als 2700 Arten gehörten. Sie berücksichtigten bei der Erhebung auch Schwankungen im Wetter, um damit verbundene Messfehler weitestgehend auszuschließen.
Sowohl auf Wiesen als auch in Wäldern ging die Artenzahl im Studienzeitraum um etwa ein Drittel zurück. Auch deren Gesamtmasse nahm ab, besonders ausgeprägt in den Graslandschaften - dort um 67 Prozent. In den Wäldern schrumpfte sie um etwa 40 Prozent. Vermutlich hänge der Rückgang mit der Landwirtschaft zusammen, schreiben die Forscher. "Dass solch ein Rückgang über nur ein Jahrzehnt festgestellt werden kann, haben wir nicht erwartet", sagte Weisser. "Das ist erschreckend, passt aber in das Bild, das immer mehr Studien zeichnen."
Es hat was mit der Landwirtschaft zu tun
Die Forscher konnten einen Zusammenhang zur Landnutzung an den einzelnen Standorten herstellen. Diese reichte von Wiesen, auf denen nur einige Tage im Jahr Schafe weideten und die ansonsten weitgehend unberührt blieben, bis zu stark bewirtschafteten Flächen, die gedüngt und mehrmals jährlich gemäht wurden. Auf einigen Flächen weideten etwa ein Drittel des Jahres Rinder.
Auch die Waldflächen unterteilten sie in drei Kategorien von wenig bis stark bewirtschaftet. Der Insektenschwund war auf solchen Grasflächen besonders ausgeprägt, die von landwirtschaftlich genutzten Ackerflächen umgeben waren. Dort schrumpfte vor allem die Biomasse solcher Arten, die keine großen Distanzen zurücklegen. Möglicherweise hätten diese Insekten schlechtere Chancen, wenn ihr Lebensraum von viel Ackerland umgeben ist.
In den Wäldern schwanden vor allem Insekten-Arten, die weite Strecken zurücklegen. "Ob mobilere Arten aus dem Wald während ihrer Ausbreitung stärker mit der Landwirtschaft in Kontakt kommen oder ob die Ursachen doch auch mit den Lebensbedingungen in den Wäldern zusammenhängen, müssen wir noch herausfinden", sagte Martin Gossner, ein weiterer beteiligter Forscher der TUM.
Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD) zeigte sich gegenüber der Deutschen Presseagentur alarmiert: Die Studie führe ein weiteres Mal vor Augen, wie ernst die Lage sei. "Die Art und Weise der landwirtschaftlichen Nutzung entscheidet maßgeblich mit, ob Insekten in der Umgebung überleben können", sagte sie.
Autor Seibold betonte, dass es nicht reiche, nur mit der Pflege einzelner Flächen und Rückzugsräume gegen das Insektensterben vorzugehen. "Um den Rückgang aufzuhalten, benötigen wir […] eine stärkere Abstimmung und Koordination auf regionaler und nationaler Ebene."
"Die Studie zeigt uns, dass die Landwirtschaft Teil der Lösung sein muss", sagte Bauernverbands-Präsident Joachim Rukwied. "Kaum eine Branche ist so essenziell auf die Bestäubungsleistung von Bienen und Insekten angewiesen wie wir." Er fügte hinzu, dass der Bauernverband auf "kooperativen Naturschutz" setze: "Wir [haben] in diesem Jahr - freiwillig - bundesweit Blühstreifen als Lebensraum für Insekten in einer Länge von über 230.000 Kilometern angelegt - ein fünf Meter breites Band, das fast sechs Mal um die Erde reicht." Auch engagierten sich die Landwirte in Naturschutzprojekten, so Rukwied.
Naturschützer fordern indes vor allem ein Verbot von Insektiziden – etwa den Neonikotinoiden, die Frankreich bereits verboten hat oder auch des Herbizids Glyphosat. Dieses Pflanzenschutzmittel steht vor allem in der Kritik, weil es die Pflanzenvielfalt verringert. Unterdessen streiten Experten darüber, ob solche Verbote tatsächlich zielführend sind. Es besteht nämlich auch die Gefahr, dass Landwirte nach einem Verbot auf andere Pestizide zurückgreifen, die nicht weniger gefährlich sind.
Eine Welt ohne Bienen? Unvorstellbar. Sie werden sich wundern, wie sehr wir von den fleißigen Insekten abhängig sind und wie leer unsere Supermarktregale ohne ihre Hilfe wären. Eine Bestandsaufnahme zum Weltbienentag.
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Zuckersüße Kristalle
Was hier zu sehen ist, kommt uns allen vermutlich als erstes in den Sinn, wenn wir an Bienen denken: Honig. Hier wurden in 100-facher Vergrößerung und mithilfe von polarisiertem Licht die Zuckerkristalle sichtbar gemacht. Für ein Glas Honig müssen Bienen etwa 450.000 bis drei Millionen Blüten besuchen.
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Gähnende Leere
Was vielen jedoch nicht so richtig bewusst ist: Der pure, klebrige Honig im Glas ist nur ein winzig kleiner Teil vom Produktionsspektrum der Bienen. Diese symbolische und werbewirksame Aktion eines Supermarkts sollte das kürzlich deutlich machen. Dabei wurden 60 Prozent der Artikel aussortiert. Sämtliche Produkte, die es ohne die fleißigen Insekten nicht geben würde. Es blieben leere Regale.
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Bienen Know-how
Und vor allem: Biene nicht gleich Biene. Eine Wildbiene stellt zum Beispiel keinen Honig her, ist aber eine besonders effiziente Bestäuberin - und insbesondere um sie geht es, wenn vom Bienensterben die Rede ist. Auch Hummeln zählen zu den Wildbienen-Arten. Honigbienen haben dagegen weniger Grund zu Sorge, da sie Nutztiere sind - und Bienenstöcke von Menschen gehalten werden.
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(K)ein Apfel pro Tag
Und natürlich gibt es auch noch andere Bestäuber neben Bienen - Schmetterlinge, Fliegen oder Vögel zum Beispiel. Aber rund ein Drittel von unserem Obst und Gemüse sind von der Bestäubung durch Bienen abhängig. Dazu gehören beispielsweise Äpfel, Birnen, Erdbeeren, Gurken. Und darauf würden wir alle nur ungern verzichten, oder?
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Kleine Warenkunde
Aber zurück in den Supermarkt. Es ist offensichtlich, dass hier ohne Bienen nicht nur die Obst- und Gemüseregale leer bleiben. Darüber hinaus fehlen all die Lebensmittel, die den Zusatzstoff E 901 beinhalten, was der europäischen Zulassungsnummer von Bienenwachs entspricht. Von solchen Produkten gibt es eine ganze Menge.
Bild: Penny/Rewe Group
Multifunktional
Derzeit ist Bienenwachs aus der Lebensmittelindustrie nicht mehr wegzudenken. Es kommt zum Beispiel - wie hier - als Überzugs- und Trennmittel von Fruchtgummi zum Einsatz, damit die Gummibärchen nicht alle aneinanderkleben - ein Glück! Das gleiche gilt für eine ganze Reihe anderer Süß- und Backwaren.
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Hübsch und haltbar
Und warum unsere Schokolade oft so schön aussieht? Nicht, weil wie hier Insekten darauf drapiert sind. Aber auch hier gilt der Dank den fleißigen Bienen oder E 901, das Schokolade hübsch glänzen lässt. Auch Obst und Gemüse ist oft als "gewachst" deklariert, damit es weniger Feuchtigkeit verliert und länger haltbar bleibt - und appetitlich(er) aussieht.
Apropos Schokolade: Ohne Bienen wird es die auch nicht mehr in Hülle und Fülle geben, denn auch hier leisten unsere Bienen bei der Bestäubung ganze Arbeit. Im Notfall bliebe nur die äußerst mühsame und viel ineffizientere Bestäubung per Hand. Das gleiche gilt übrigens für Nüsse.
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Koffeeinkick für alle
Nicht nur wir Menschen, auch Bienen stehen auf Koffein, das hat ein Experiment mit koffeeinfreiem und koffeeinhaltigem Zuckerwasser gezeigt. Dabei suchten die fleißigen Insekten selbst nach dem Versiegen der Quelle noch unentwegt nach einem Koffeeinkick. Gleichzeitig sorgen Bienen durch Bestäubung aber auch für unseren (hoffentlich) nie versiegenden Vorrat an Kaffeebohnen.
Bild: Deutscher Kaffeeverband e.V.
Verlorene Vielfalt
Wie viele Produkte dank der Bemühung der Bienen in unserem Einkaufswagen landen, lässt sich trotzdem nur schwer aufzeigen - da zu den eben genannten Artikeln zum Beispiel diverse Gewürze, Marinaden, Milchprodukte oder sogar Toilettenpapier mit Kamillenblütenduft hinzukommen. Wovon wir zum Teil womöglich weniger abhängig sind als von Obst und Gemüse....
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Ein Hoch auf unsere Bienen!
Dennoch wird deutlich, wie sehr wir von der harten Arbeit der Tiere profitieren und dass wir uns ohne die tatkräftige Unterstützung der Insekten ganz schön umstellen müssten. Nicht nur am Weltbienentag sollten wir ihnen deshalb Tribut zollen.
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Wie helfen?
Zum Schutz der Bienen geht es nicht nur um eine möglichst zurückhaltende Nutzung von Pestiziden durch die Landwirtschaft. Auch Sie können etwas tun, um die Tiere zu schützen: Insektenhotels dienen Bienen als Nist- und Überwinterungsmöglichkeit, Blumen im Balkonkasten und Obstbäume auf der der Wiese sind eine sichere Nahrungsquelle.