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Politik

MSC: Friedensplan in Ukraine umstritten

19. Februar 2020

Die diesjährige Münchner Sicherheitskonferenz sorgt in Kiew weiter für Empörung. Der internationale Versuch, Russland auf Expertenebene in die Lösung der Ukraine-Krise einzubinden, zeigt tiefe Gräben auf.

Münchner Sicherheitskonferenz Symbolbild Presse
Bild: Imago Images/S. Zeitz

Seit Tagen überbieten sich ukrainische Zeitungen und Blogger mit martialischen Schlagzeilen. Von einer "Münchner Verschwörung" ist die Rede. Auch vor Vergleichen mit dem Münchner Abkommen von 1938 wird nicht zurückgeschreckt. Für Empörung sorgte das Expertenpapier "Zwölf Schritte zu größerer Sicherheit in der Ukraine und der euro-atlantischen Region", das bei der Münchner Sicherheitskonferenz (MSC) präsentiert wurde. "Dieses Dokument wurde im Kreml verfasst", sagte der DW Ex-Präsident Petro Poroschenko, einer der ukrainischen Teilnehmer der MSC.

Dabei sind die "Zwölf Schritte" größtenteils unspektakulär: Sie reichen von der Beseitigung von Landminen bis hin zu Erleichterungen beim Übertritt der Demarkationslinie. Sprengstoff bergen aber einige politische Forderungen - vor allem die nach einem "nationalen Dialog über Identität". Demnach sollen sich die Ukrainer in strittigen Fragen zu Geschichte, Erinnerungskultur, Sprache, Identität und Minderheiten mit ihren Nachbarn aus Polen und Ungarn, aber eben auch aus Russland verständigen.

Unterzeichner stehen am Pranger

Drei ukrainische Experten, die das Papier unterzeichnet haben, werden in den ukrainischen Medien nun an den Pranger gestellt und in sozialen Netzwerken als "Verräter" gebrandmarkt. Die ominöse Internet-Plattform "Myrotvorets" (Friedensstifter), die seit Jahren eine Art öffentliches Register "russischer Agenten" führt, setzte die Unterzeichner auf die Liste der Personen, die "eine Gefahr für die Souveränität und territoriale Integrität der Ukraine darstellen". Auch MSC-Leiter Ischinger steht jetzt auf dieser Liste.

Wolfgang Ischinger auf der Münchner Sicherheitskonferenz 2020Bild: picture-alliance/AP Photo/J. Meyer

Wolfgang Ischinger wollte offenbar ein Zeichen in der Ukraine-Krise setzen, als er am Rande der Münchner Sicherheitskonferenz das Expertenpapier vorstellte. Seit Jahrzehnten gilt die MSC als eine der wichtigsten Dialogplattformen zu globalen Herausforderungen und regionalen Konflikten.

Neben Ischinger stehen zwei Thinktanks aus Europa und den USA hinter der Initiative, aber auch der ehemalige russische Außenminister und Sicherheitschef Igor Iwanow. Er leitet den Kreml-nahen "Russischen Rat für Internationale Beziehungen", der sich an der Ausarbeitung des Plans beteiligte. Die "Zwölf Schritte" stellen seit der Annexion der Krim und der russischen Intervention in der Ostukraine einen ersten Versuch dar, Moskaus politische Eliten in einen Dialog über einen Ausweg aus der Ukraine-Krise einzubinden.

Der Konflikt in der Ukraine schwelt seit inzwischen sechs JahrenBild: Getty Images/AFP/A. Stepanov

Lockerung der Russland-Sanktionen?

Die Empörung der Ukraine kann der in Kiew lehrende deutsche Politikwissenschaftler Andre Härtel gut nachvollziehen. So füge sich zum Beispiel der Vorschlag, einen "nationalen Dialog über Identität" unter anderem auch mit Russland zu führen ohne Hinweis auf die russische Aggression gegen die Ukraine ins russische Narrativ vom "Bürgerkrieg" in der Ostukraine ein, findet er. "Dieser Punkt macht deutlich, dass die Autoren den Konflikt als einen innerukrainischen Konflikt sehen und den Ball in das Feld der Ukrainer schieben, die angeblich nur über einen schwachen nationalen Zusammenhalt verfügen", so der Experte.

Kritiker sehen in den "Zwölf Schritten" auch "einen "Fahrplan" zur Lockerung der Sanktionen gegen Russland, die mit der Umsetzung konkreter Punkte der Minsker Abkommen verbunden werden könnte. Sabine Fischer von der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) - eine der Unterzeichnerinnen des Plans - meint, erst müssten die russischen Truppen abgezogen werden und dann müsste Kiew die Kontrolle über die Grenze zu Russland wiederbekommen. "Eine Aufhebung der Sanktionen ohne diese Schritte von Seiten Russlands wäre ein katastrophales Signal an die Konfliktparteien, an alle Akteure in der Region, an die EU selbst", so die Berliner Expertin.

Sabine Fischer warnt vor falschen SignalenBild: SWP

Auch das Auswärtige Amt bestätigte auf Anfrage der DW, dass die Sanktionen mit dem militärischen Eingreifen Russlands in den Konflikt in der Ostukraine zusammenhängen. Deswegen seien sie von einer vollständigen Umsetzung der Minsker Abkommen abhängig. "Über eine mögliche Lockerung kann erst anschließend nachgedacht werden", so ein Sprecher des Ministeriums. Ein Signal, das die Nervosität in der Ukraine eindämmen könnte.

Sorge um humanitäre Fragen

Die gereizte Reaktion in Kiew, befürchtet Sabine Fischer, könnte von eigentlichen Kernpunkten des Plans ablenken. Sie hat selbst in der internationalen Expertengruppe an den Vorschlägen zur Verbesserung der humanitären Lage im Donbass mitgearbeitet, bei denen es um den Wiederaufbau der Infrastruktur mit internationaler Hilfe und mehr Bewegungsfreiheit für die Zivilbevölkerung geht. "Ich würde wünschen, dass sobald diese Emotionalität teils wieder abgeebbt ist, die guten Vorschläge, die in dem Papier stecken, weiter diskutiert werden und eine Überlebenschance bekommen", sagte Fischer der DW.

Ob die in München vorgestellten "Zwölf Schritte" jedoch wieder aufgegriffen werden, ist fraglich. Nicht nur in der Ukraine besteht Skepsis. "Das Dokument beschreibt die Lösung des Problems, auf eine Weise, die dem Kreml passen würde, vielleicht um die Mitglieder der russischen Elite zu dessen Unterzeichnung zu bewegen", heißt es in einem Statement der Denkfabrik "Atlantic Council". Die US-Experten halten Versuche, Russland in die Lösung der Ukraine-Krise einzubeziehen, für vergeblich, solange die Rolle Moskaus in diesem Konflikt ignoriert wird.

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