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Müssen Trumps Filmzölle Hollywood retten?

Stuart Braun
28. Mai 2025

In den USA werden immer weniger Filme gedreht. Der Grund: Die Filmindustrie agiert zunehmend globaler. Können Zölle die Produktionen nach LA zurückbringen, wie der US-Präsident verspricht?

Der riesige Hollywood-Schriftzug über den Hügeln von Los Angeles
Im Zuge der Globalisierung der Filmindustrie werden immer weniger Produktionen in den USA gedrehtBild: Chris Cheadle/All Canada Photos/picture alliance

Als Donald Trump ankündigte, 100 Prozent Zoll auf alle Filme zu erheben, die "in fremden Ländern produziert werden", geriet die global agierende US-Filmindustrie in Panik. Die Aktien großer Produktionsfirmen wie Netflix und Disney stürzten ab. Die Überlegung der Märkte: Die Kosten für US-Produktionen werden steigen, wenn sie nicht mehr von billigeren Drehorten in Übersee profitieren können.

In den letzten Jahrzehnten haben US-amerikanische Filme und Fernsehserien nämlich großzügige Steueranreize für Dreharbeiten in Europa, Kanada oder Australien genutzt, wodurch Hollywood-Drehorte vergleichsweise teuer wurden.

Hinzu kommt, dass sich die Film- und Inhaltsindustrie zuletzt stark dezentralisiert hat. Internationale Koproduktionen sind heute in der Lage, Ressourcen gemeinsam zu nutzen und dennoch auf Finanzmittel aus mehreren Ländern zuzugreifen.

Darf Tom Cruise alias Agent Ethan Hunt in "Mission: Impossible" demnächst nur noch vor US-Kulisse die Welt retten, weil es sonst zu teuer wird? Bild: Paramount Pictures and Skydance

Die Stars lästern über Trumps Zollidee

Noch ist unklar, was der US-Präsident genau will. Sollen die Zölle nur für "Filme" gelten? Oder auch für Fernsehserien? So oder so schreckte Trumps Ankündigung die Branche auf. Auf dem Filmfestival in Cannes wurde seine Drohung heftig kritisiert - und verspottet.

Der amerikanische Regisseur Wes Anderson etwa, der in Cannes seinen neuen Film "Der phönizische Meisterstreich" vorstellte, bezeichnete Trumps Vorstoß als absurd. Wie man denn Zölle auf geistiges Eigentum erheben wolle, fragte er. Bei Waren könne man ja noch sagen: "Ihr müsst bezahlen, oder wir lassen nichts ins Land." Filme würden jedoch auf anderen Wegen reisen.

Oscar-Preisträger Robert De Niro, der in Cannes eine Ehrenpalme für sein Lebenswerk entgegennahm, nutzte seine Dankesrede für scharfe Kritik an Trumps Plänen: "Man kann Kreativität nicht mit einem Preis belegen, aber offenbar kann man sie mit einem Zoll belegen", so der Altstar, "das ist inakzeptabel!"

Auch der indische  Schauspieler, Filmemacher und Bollywood-Star Vivek Ranjan Agnihotri äußerte sich in den sozialen Medien zum Thema. Ein Zoll von 100 Prozent auf ausländische Filme könne dazu führen, warnte er, "dass Indiens angeschlagene Filmindustrie völlig zusammenbrechen wird".

Rückgang der US-Produktionen hatte mehrere Gründe 

In einem Beitrag auf seinem Social Media-Kanal "Truth Social" hatte Trump behauptet, dass "die Filmindustrie in Amerika einen sehr schnellen Tod stirbt". 

Tatsächlich sind die Dreharbeiten in Hollywood nach Angaben von "Film LA", einer Publikation der Filmindustrie, in den letzten fünf Jahren um 34 Prozent zurückgegangen. Dadurch verloren viele Filmschaffende ihren Arbeitsplatz. Doch lässt sich dieser Rückgang nicht nur auf die Anreize für Dreharbeiten an ausländischen Standorten zurückführen. Auch die Corona-Pandemie, ein weltweiter wirtschaftlicher Abschwung und der monatelange Streik von Schauspielern und Autoren im Jahr 2023 haben dazu geführt, dass Hollywood zum Stillstand kam.

Der Streik der Drehbuchautoren und Schauspieler im Jahr 2023 hatten erhebliche wirtschaftliche Auswirkungen auf HollywoodBild: David McNew/Getty Images

Da die Budgets immer knapper würden, könnten Filme ohne Koproduktionen, die Anreize im Ausland nutzen, nicht mehr hergestellt werden, sagt Stephen Luby, Dozent für Film am Victorian College of the Arts in Australien. "US-Produktionen, die Steuervergünstigungen in Ländern wie Australien in Anspruch nehmen und ihre Filme im Ausland zu drehen, tun dies, weil die Filme auf diese Weise billiger zu produzieren sind", sagte er der DW. "Vielleicht würden sie sonst gar nicht gedreht."   

Selbst Schauspieler und Regisseur Mel Gibson, der Trump in Bezug auf Zölle und Möglichkeiten berät, um "Hollywood wieder groß zu machen", dreht seinen neuesten Film "Die Auferstehung Christi" in Rom und in Süditalien. 

Wird der Niedergang Hollywoods überbewertet? 

Derzeit verzeichnen die USA ein leichtes Handelsdefizit bei Unterhaltungsinhalten. Das bedeutet, dass mehr importiert als exportiert wird - 27,7 Milliarden Dollar (24,45 Milliarden Euro) gegenüber 24,3 Milliarden Dollar (21,45 Milliarden Euro) im Jahr 2023. Jean Chalaby, Soziologieprofessor an der University of London, sieht diese Zahlen jedoch durch Streaming-Anbieter wie Netflix beeinflusst, die in den USA produzierte Inhalte wie etwa "Stranger Things" nicht offiziell exportieren, sondern über ihre eigene, in den USA ansässige Plattform international vertreiben.

Gleichwohl zählen Serienhits wie "Adolescence" und "Squid Game", die aus dem Ausland bezogen werden, als Importe - selbst wenn sie Netflix "Hunderte von Millionen Dollar" an Abonnementgebühren einbringen, so Chalaby in einem Artikel für die internationale Medienplattform "The Conversation". "Die US-amerikanische Unterhaltungsindustrie war weltweit noch nie so dominant", stellt Chalaby fest, "trotz des Handelsdefizits."

Aktuell sind die USA noch der größte Film- und TV-Exporteur der Welt, wenngleich Hollywood zunehmend Konkurrenz aus Südkorea bekommt. "Wenn diese Zölle eingeführt werden, werden sie sicherlich weitreichende Folgen für die Film- und Fernsehindustrie haben", so Chalaby, "aber sie werden kaum jemanden reicher machen."

Die Serie "Squid Game" brachte Netflix (mit Firmensitz in den USA) viel Geld ein, obwohl der Film in Südkorea produziert wurdeBild: Yonhap/picture alliance

Trump kritisiert EU-Protektionismus

Beifall für seine Zollpläne erhält der US-Präsident hingegen aus der US-amerikanischen Filmindustrie, darunter von der "Screen Actors Guild-American Federation of Television and Radio Artists", der US-Gewerkschaft der Schauspielerinnen und Schauspieler. Auch die Motion Picture Association (MPA), eine Organisation, die Studios von Disney bis Netflix, von Paramount und Universal bis Warner Bros. vertritt, teilt die Auffassung, dass mehr Inhalte in den USA produziert werden sollten und spricht sich für Steueranreize zur Förderung der Produktion in den Vereinigten Staaten aus.

Will die US-Filmindustrie mit Zöllen auf importierte Filme schützen: US-Präsident Donald TrumpBild: Andrew Leyden/ZUMA/IMAGO

Als Trump im Februar seine Handelszölle ankündigte, begründete er das auch mit einem "Protektionismus" auf dem EU-Filmmarkt. Dort müssen die US-Streaminganbieter mindestens 30 Prozent europäischer Inhalte in ihre Programme für die EU-Mitgliedstaaten aufnehmen. Die MPA lehnt diese Quoten ebenfalls ab.

Tatsächlich können EU-Staaten - nach der EU-Richtlinie über audiovisuelle Mediendienste - auch verlangen, dass Netflix und Disney lokale Produktionen finanzieren. Die Streaming-Giganten haben versucht, das durch rechtliche Schritte zu verhindern. Gleichzeitig hat Hollywood bereits enge Beziehungen zu Studios in Ländern wie Australien aufgebaut. Große Filme entstanden hier, wie etwa "Matrix", "Fluch der Karibik: Salazars Rache" oder "Thor: Ragnarok".

Die Skepsis gegenüber Trumps Zollplänen ist groß, wie die Diskussion in Cannes gezeigt hat. Das letzte Wort dazu scheint allerdings noch nicht gesprochen: "Dieser Mann ändert seine Meinung 50 Mal", sagte Regisseur Richard Linklater in Cannes bei der Vorstellung seines Films "Nouvelle Vague". Er könnte recht behalten.

Aus dem Englischen adaptiert von Stefan Dege.

Stuart Braun Australischer DW-Journalist und Buchautor.