Kugelstoßerin Christina Schwanitz hat bei der Leichtathletik-WM in Doha gezeigt, dass auch Mütter erfolgreich sein können. Leistungssport und Schwangerschaft sind miteinander zu vereinen, wie die Wissenschaft beweist.
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Christina Schwanitz war anzusehen, dass sie stolz und gleichzeitig ergriffen war. Der deutschen Kugelstoßerin kullerten Tränen über die Wangen und sie schluchzte herzergreifend. "Ich danke meinem Team für die große Unterstützung in der letzten Zeit. Ohne diese Menschen wären das alles nicht möglich gewesen", sagte Schwanitz.
Was sich anhörte wie ein üblicher Satz von Siegern nach einem Wettbewerb, hatte bei der 33-Jährigen tiefere Bedeutung. Schließlich ist Schwanitz mit dem Gewinn der Bronzemedaille bei der Leichtathletik-WM in Doha wieder in die Weltspitze vorgerückt. Und das, nachdem sie vor zwei Jahren Mutter von Zwillingen wurde. "Aber deshalb habe ich ja auch wieder angefangen. Um zu zeigen, dass man auch mit Kindern in der Weltspitze sein kann", sagte die Kugelstoßerin.
Leistungssport und Schwangerschaft sind offenbar zwei Faktoren, die sich gegenseitig nicht ausschließen. Vor Schwanitz hatten in Doha bereits drei Mütter, die Jamaikanerin Shelly-Ann Fraser-Pryce (100 Meter), Allyson Felix aus den USA (Mixed-Staffel über 4x400 Meter) und die Chinesin Wang Liu (20 Kilometer Gehen), nach ihren Babypausen Gold gewonnen. Aus wissenschaftlicher Sicht schließen sich Muttersein und Erfolge im Leistungssport keineswegs aus.
Große Disziplin der Frauen vonnöten
"Wenn es sich um eine unkomplizierte Schwangerschaft handelt, kann man bis zum Ende der Schwangerschaft in modifizierter Form weitermachen und die Fitness auf einem hohen Standard halten. Im Anschluss kann man auch wieder sein altes Leistungsniveau erreichen und manchmal sogar darüber hinaus gelangen. Das fordert den Frauen allerdings eine große Disziplin ab", sagt Nina Ferrari der DW.
Die Sportwissenschaftlerin von der Deutschen Sporthochschule in Köln beschäftigt sich seit längerer Zeit intensiv mit dem Zusammenspiel zwischen Leistungssport und Schwangerschaft. Ferrari verweist darauf, dass jede schwangere Frau und deren Schwangerschaftsverlauf individuell betrachtet werden müsse. Im besten Fall gebe es ein Ärzteteam - was bei Leistungssportlern zumeist gegeben ist -, das die Leibesübungen mit den Frauen genau abstimme.
Geduld, Leidenschaft und zeitintensives Aufbautraining entscheidend
Grundsätzlich könne dann die Intensität der Trainingseinheiten in etwa beibehalten werden. "Alles, was über 90 Prozent der maximalen Sauerstoffaufnahme ist, wird nicht empfohlen. Das haben Studien ergeben", sagt Ferrari. "Man sollte ungefähr bei 80 Prozent trainieren und sich den jeweiligen körperlichen Gegebenheiten mit alternativen Übungen anpassen. Dann ist das weitere Training meist unkritisch für Mutter und Kind, auch wenn die Herzfrequenzen beider während des Trainings erhöht sind."
Während Ärzte ziemlich genau benennen könnten, wie lange schwangere Frauen vor der Geburt ihrem Sport nachgehen könnten, so die Sportwissenschaftlerin, müsse hinterher differenziert werden: "Die Stabilität des Beckenbodens und der Bauchdecke sind entscheidende Faktoren, um wieder mit dem Training beginnen zu können." Nach den Worten Ferraris ist die zeitliche Spanne bis zur vollen Belastbarkeit groß und kaum zu beeinflussen. Zwischen sechs Wochen und acht Monaten kann die Zwangspause für die jungen Mütter dauern.
Mütter, die sich nach der Geburt wieder in den zeitintensiven Leistungssport stürzen, brauchen Geduld und Leidenschaft. Dann ist alles möglich. Christina Schwanitz hatte deshalb nach ihrem Medaillengewinn in Doha auch noch eine Botschaft an die jungen Mamas: "Daran sollen sich auch viele andere Mütter ein Beispiel nehmen, die sagen, weil ich ein Kind habe, kann ich nicht arbeiten, eine Führungsposition übernehmen. Das ist Blödsinn."
Mütter als erfolgreiche Top-Sportlerinnen
Shelly Ann Fraser-Pryce, Serena Williams und Marit Björgen - sie und andere Sportlerinnen haben die Karriere unterbrochen, um ein Kind auf die Welt zu bringen. Auch mit Nachwuchs ging die Laufbahn erfolgreich weiter.
Bild: picture-alliance/dpa/M. Kappeler
Shelly Ann Fraser-Pryce
Gefeiert wurde natürlich gemeinsam: Nachdem Shelly Ann Fraser-Pryce bei der Leichtahtletik-WM in Doha den 100-Meter-Sprint gewonnen hatte, durfte Söhnchen Zyon mit auf die Ehrenrunde. "Es war eine lange Reise", beschrieb die Jamaikaniern die Zeit, die sie nach der Geburt brauchte, um körperlich und mental wieder in Form zu kommen: "Ich habe mir Sorgen gemacht, ob ich ein Comeback schaffe."
Bild: picture-alliance/dpa/M. Kappeler
Allyson Felix
Auch Allyson Felix ist Mutter. Die US-Amerikanerin - sechsfache Olympiasiegerin und seit Doha elffache Weltmeisterin (400 Meter, 200 Meter, Staffel) - focht nach ihrer Schwangerschaft einen Kampf mit Sponsor Nike aus, der ihr, wegen der Wettkampfpause, einen um 70 Prozent reduzierten Vertrag anbot. Heute hat Felix einen anderen Sponsor - und Nike hat seine Vertragsklauseln angepasst.
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Serena Williams
Die Geburt ihrer Tochter Alexis Olympia am 1. September 2017 war ein tiefer Einschnitt in der Karriere der besten Tennisspielerin der Welt. Nach eigenen Angaben wäre die damals knapp 36-Jährige "fast gestorben". Seit ihrem Comeback nach 13 Monaten Wettkampfpause hat Williams kein Turnier mehr gewonnen. Doch vier Mal stand sie im Finale eines Grand-Slam-Turnieres, verlor aber alle vier Endspiele.
Bild: Reuters/H. McKay
Margaret Court
Besser lief es nach der Babypause für die Frau, deren Rekord Serena Williams vergeblich hinterherjagt. Margaret Court, 24-malige Grand-Slam-Siegerin aus Australien, holte nach der Geburt ihres ersten Kindes noch drei Major-Titel. Während ihrer Karriere bekam sie insgesamt drei Kinder - und beendete ihre erfolgreiche Karriere als Profi-Tennisspielerin erst, als sie zum vierten Mal schwanger war.
Bild: Imago/ZumaPress/Keystone
Marit Björgen
Ende Juni 2015 gab die damals wohl beste Skilangläuferin der Welt bekannt, dass sie schwanger sei und eine Weltcup-Saison aussetzen werde. Ihr Ziel: bis zur Weltmeisterschaft 2017 in Lahti wieder fit zu sein. Das klappte hervorragend. Die Rekordweltmeisterin aus Norwegen brachte Sohn Marius zur Welt und gewann bei der WM 2017 vier WM-Titel. 2018 folgte in Pyeonchang noch zweimal Olympiagold.
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Therese Alshammar
Als die schwedische Top-Schwimmerin ihre Karriere 2013 wegen ihrer Schwangerschaft unterbricht, hat sie bereits zahlreiche WM- und EM-Titel gewonnen, dazu drei olympische Medaillen, allerdings keine goldene. Nach der Rückkehr ins Becken ist Alshammar nicht mehr ganz vorne mit dabei. Aber sie nimmt 2016 in Rio an ihren sechsten Olympischen Spielen teil und darf Schwedens Fahne tragen.
Bild: picture-alliance/dpa/K. Mayama
Darja Domratschewa
Nur vier Monate nach der Geburt ihrer Tochter Xenia lief die Ausnahme-Biathletin bei der WM in Hochfilzen zur Silbermedaille in der Verfolgung. Besser war nur Laura Dahlmeier. Es folgten einige Weltcupsiege, Olympiasilber 2018 in der Verfolgung und Staffel-Gold. 2018 beendete Domratschewa ihre Karriere. Gemeinsam mit Ehemann Ole Einar Björndalen (r.) trainiert sie heute das Nationalteam Chinas.
Bild: picture-alliance/dpa/M. Schutt
Kristin Armstrong
Nicht nur die Mama, sondern auch Sohn Lucas freut sich über die Olympische Goldmedaille. US-Radrennfahrerin Kristin Armstrong gewann 2012 in London schon zum zweiten Mal Gold im Zeitfahren, 2008 in Peking war sie auch schon die Schnellste im Kampf gegen die Uhr. 2016 in Rio krönte sie sich zur dreifachen Olympionikin. Auch in Brasilien feierte Lucas mit seiner Mutter.
Bild: picture-alliance/Photoshot/Li Ga
Isabell Werth
Seit zehn Jahren ist Isabell Werth Mutter von Sohn Frederik - und der ist Nachkomme der erfolgreichsten Dressurreiterin der Welt: sechs Olympiasiege, vier Silbermedaillen, neun Weltmeister-Titel und zwanzig EM-Erfolge - dazu etliche nationale Titel und Championats-Siege. Genug Zeit für Kind und Familie ist oft ein Problem. "Ich hätte gern mehr Kinder und ein paar Medaillen weniger", sagt Werth.
Bild: picture-alliance/dpa/R. Vennenbernd
Heike Drechsler
Die Weitspringerin und Sprinterin brachte 1989 ihren Sohn Toni auf die Welt. Als Mama gewann Drechsler, die schon zu DDR-Zeiten WM- und EM-Gold im Weitsprung holte, in ihrer Paradedisziplin zweimal Olympia-Gold: 1992 in Barcelona (Foto) und 2000 in Sydney. Ihre persönlichen Bestleistungen im Weitsprung (7,44 Meter) und über 200 Meter (21,71 Sekunden) stammen aber aus der Zeit vor Tonis Geburt.
Bild: picture-alliance/S. Simon
Kim Clijsters
Bald kehrt mit Kim Clijsters eine erfolgreiche Tennis-Mutter auf die WTA-Tour zurück. Die Belgierin kennt sich mit Comebacks aus: 2007 trat sie mit 22 erstmals zurück. 2009 wurde sie Mutter einer Tochter und setzte ihre Karriere danach fort. Sie gewann drei Grand-Slam-Turniere und hörte 2012 erneut auf. Für 2020 hat sie - mittlerweile dreifache Mutter - ein erneutes Comeback angekündigt.