1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen
Politik

Fall Maaßen: Loben und Wegloben

19. September 2018

Die zerstrittene Merkel-Regierung entlässt den Verfassungsschutz-Präsidenten und löst nicht nur im Innenministerium Turbulenzen aus. Derweil zeichnet Ressort-Chef Seehofer das Bild von einem Musterbeamten.

Hans-Georg Maaßen
Bild: picture-alliance/S. Stache

"Desaster" und "Dilettantismus" sind nur zwei von vielen deftigen Wörtern, mit denen die am Dienstag angekündigte Entlassung des Verfassungsschutz-Chefs kommentiert wird. Hans-Georg Maaßen soll die Geschäfte aber noch so lange weiterführen, bis über seine Nachfolge entschieden ist. Das teilte der fachlich und dienstlich für den Inlandsgeheimdienst zuständige Innenminister Horst Seehofer (CSU) am Mittwoch in Berlin mit.

Am Dienstag hatte er sich in einem Krisen-Gespräch mit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und SPD-Chefin Andrea Nahles auf die Ablösung Maaßens verständigt. Auslöser waren dessen umstrittene Bewertungen ausländerfeindlicher Ausschreitungen in Chemnitz (Sachsen). In einem Interview hatte er entgegen der Einschätzung Merkels Hetzjagden auf mutmaßliche Ausländer angezweifelt und damit in den Augen vieler Kritiker seine Kompetenzen als politischer Beamter überschritten.

Seehofer schiebt die Verantwortung geschickt auf Nahles ab

Allgemeines Kopfschütteln und beißende Kritik muss die Bundesregierung nun vor allem wegen der faktischen Beförderung Maaßens einstecken. Der 55-Jährige soll als Staatssekretär im Innenministerium künftig für die Bundespolizei sowie Cyber- und Informationssicherheit verantwortlich sein. Die Aufsicht über das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) gehört aber ausdrücklich nicht zu seinem Bereich. Seehofer sieht darin kein Problem. Man könne die Aufsicht über dieses Amt und die Arbeit für die öffentliche Sicherheit "sauber trennen". Darauf könne sich Frau Nahles verlassen.

SPD-Chefin Andrea Nahles muss nun erklären, warum ein SPD-Staatssekretär für Maaßen weichen mussBild: picture-alliance/dpa/B. v. Jutrczenka

Wer will, kann diesen Satz als kleine Spitze gegen die SPD-Partei- und Fraktionsvorsitzende verstehen. Sie hatte auf Maaßens Ablösung bestanden. Dass für ihn der SPD-Staatssekretär Gunther Adler seinen Platz räumen muss, lässt Nahles in den eigenen Reihen zunehmend unter Druck geraten. Am deutlichsten wurde der Vorsitzende des SPD-Nachwuchses (Jungsozialisten), Kevin Kühnert: "Meine persönliche Schmerzgrenze ist erreicht." Für die Sozialdemokraten sei der Preis "zu hoch für den Fortbestand der Koalition". 

Der Innenminister hat "keinen Namen im Kopf"

Gedanken an ein Scheitern des erst im März mühsam geschmiedeten Regierungsbündnisses von Konservativen (CDU/CSU) und Sozialdemokraten scheinen Seehofer völlig fern zu sein. Auf seiner  kurzfristig einberufenen Pressekonferenz nahm er äußerlich ruhig zu den Ereignissen der vergangenen turbulenten Tage Stellung. Vor den etwa 80 Journalisten aus dem In- und Ausland räsonierte er über den am Vortag gefundenen Kompromiss, für den zwei gemeinsame Krisengespräche mit der Kanzlerin und der SPD-Vorsitzenden nötig waren. Das erste am zurückliegenden Donnerstag war ohne Ergebnis geblieben.

Umso größer war die Erwartungshaltung der Öffentlichkeit dieses Mal. Und wieder gab es eine Überraschung, nachdem am Dienstag der Name eines möglichen Maaßen-Nachfolgers gefallen war: Hans-Georg Engelke, einer von acht Staatssekretären im Seehofer-Ministerium. Der soll nun aber an Bord bleiben - und sich um den Verfassungsschutz kümmern. Wer die Behörde selbst übernimmt, ließ Seehofer offen. Auch er habe "keinen Namen im Kopf". Das werde ein geordneter Prozess in den nächsten Tagen, "möglicherweise Wochen" - er wisse es nicht.

Die Suche nach einem Maaßen-Nachfolger kann "möglicherweise Wochen" dauern, erklärte Innenminister Horst SeehoferBild: picture-alliance/dpa/K. Nietfeld

Der Dienstherr spricht dann doch über die "große Erfolgsagenda"

Ein persönliches Gespräch mit dem bisherigen Amtsinhaber hat Seehofer nach eigenen Angaben zuletzt am Dienstag geführt. Mit dem gefundenen Kompromiss ist Maaßen demnach nicht zufrieden - trotz höherer Besoldung. Er könne nicht sagen, "dass der Herr Maaßen das so gewollt oder angestrebt hat". Er sei ein klassischer Beamter, der seinen Dienst dort tut, "wo er hingestellt wird". Es werde versucht, ein anderes Bild von ihm zu zeichnen. Seehofer hält das für falsch.

Er habe bewusst darauf verzichtet, auf Maaßens "große Erfolgsagenda" einzugehen, sagte Seehofer und zählte dann doch sämtliche Bereiche auf, in denen er sich aus des Ministers Sicht Verdienste erworben hat: Terror-Bekämpfung, Reichsbürger, Rechtsradikalismus, Linksradikalismus, Clan-Bildung, Hooligan-Bildung, Banden-Bildung, Organisierte Kriminalität. So viel Lob für jemanden, der gerade wortreich weggelobt wird, hinterlässt eine gewisse Ratlosigkeit.

Und dann geht es noch um Maaßens "Mission"

Besonders betonte Seehofer dann noch die "internationalen Beziehungen", womit Kontakte zu Geheimdiensten anderer Länder gemeint sind. Die seien "unheimlich wichtig, wenn man Sicherheit wirklich gewährleisten will". Dann nannte Seehofer Beispiele: Israel, USA, Großbritannien "und andere Länder". Da habe Maaßen zu jeder Stunde überzeugt. Parteipolitik habe nie eine Rolle gespielt, sondern immer die Mission: "Wie können wir eine extreme Gefährdungslage beherrschen?"

Seehofer freute sich über die Wertschätzung der ehemaligen US-Außenministerin Madeleine Albright (Archivbild) Bild: Getty Images/AFP/S. Loeb

Vor einigen Wochen habe er eine amerikanische Delegation zu Besuch gehabt, darunter sei die frühere Außenministerin Madeleine Albright gewesen. Und es erfülle ihn mit Stolz, wenn er merke, "wie unsere Leute auf Augenhöhe sind mit anerkannten Spezialisten in der ganzen Welt". Seehofer sagte es zwar nicht, aber er meinte damit: Das haben wir alles auch Hans-Georg Maaßen zu verdanken.  

"Ich hätte die Ablösung von Herrn Maaßen nicht betrieben"

Und wie geht es nun weiter? Man spreche natürlich mit den Parteivorsitzenden über Namen "die da zur Diskussion stehen". Seehofer war spürbar daran gelegen, den Eindruck eines faulen Kompromisses in der Causa Maaßen zu entkräften. Er sei kein Freund von geteilten Verantwortungen. Und deshalb werde man von ihm auch nichts mehr zu der Frage hören, welche Alternativen diskutiert worden seien. Eine Bemerkung schob er dann aber noch hinterher: "Ich hätte die Versetzung oder Ablösung von Herrn Maaßen nicht betrieben."

Maaßen habe sein Vertrauen gehabt, das habe er im Bundestag nochmal zum Ausdruck gebracht - "und zwar aus Überzeugung". Wenn er aber feststelle, dass ein Koalitionspartner das Vertrauen nicht habe, könne man noch Monate lang weiterdiskutieren. Oder man könne nach einer Lösung suchen, dass diese Position wieder von einer Person besetzt wird, "in die alle das Vertrauen haben".

Einen Vertrauensentzug durch Merkel will er nicht gehört haben

Der Innenminister kann "keinen Vertrauensentzug" für Maaßen durch Kanzlerin Merkel erkennenBild: picture-alliance/dpa/O. Berg

Er sei für die Arbeit dieser Regierung verantwortlich, sagte Seehofer, und für seine Partei. Aber wie andere Parteien agieren, "das ist nun wirklich nicht meine Zuständigkeit". Er sei in der Diskussion um den Verfassungsschutz in keiner Sekunde "Auslöser, Ursache oder sonst was" gewesen, betonte der Innenminister und CSU-Chef. "Aber zu den Ergebnissen stehe ich, die schiebe ich nirgendwo hin." Am Ende erweckt er noch den Eindruck, auch Angela Merkel stehe eigentlich hinter Maaßen: "Einen Vertrauensentzug durch die Kanzlerin, den habe ich nicht gehört." In den Tagen zuvor war im Berliner Regierungsviertel allerdings das Gegenteil kolportiert worden.

Als Seehofers Pressesprecherin schon ungeduldig auf die Uhr blickte und die Presse-Konferenz beenden wollte, schob der Innenminister noch einen letzten Satz zu Maaßens Versetzung hinterher: "Ich habe es mir nicht gewünscht und es wäre auch, aus meiner Sicht jedenfalls, nicht nötig gewesen." Als hätte er diese Botschaft in der zurückliegenden halben Stunde nicht schon mehrmals zum Ausdruck gebracht. Das lässt erahnen, wie schwer es Seehofer gefallen sein muss, sich auf diesen Deal einzulassen.        

 

Den nächsten Abschnitt Mehr zum Thema überspringen