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Politik

Maas: "Ein Land - zwei Systeme" muss gelten

1. September 2020

Beim Besuch seines Kollegen Wang aus China zeigt sich der Bundesaußenminister über die Entwicklung in Hongkong besorgt. Dort streicht Peking Freiheitsrechte.

Deutschland Treffen Heiko Maas und Wang Yi in Berlin
Pressekonferenz der Chefdiplomaten Wang Yi (links) und Heiko MaasBild: Getty Images/AFP/M. Sohn

Bundesaußenminister Heiko Maas hat sich beim Besuch seines chinesischen Kollegen Wang Yi in Berlin kritisch über das in Hongkong verhängte Sicherheitsgesetz geäußert. "Sie wissen, dass unsere Sorgen über die Auswirkungen des Sicherheitsgesetzes nicht ausgeräumt sind", sagte Maas. "Wir wollen, dass das Prinzip 'ein Land - zwei Systeme' im vollen Umfang angewandt werden kann." Unter den Mitgliedstaaten der Europäischen Union bestehe Einigkeit, "dass das unser Maßstab für die Entwicklung in Hongkong bleibt", so der deutsche Außenminister. Auch müsse die verschobene Parlamentswahl dort "schnell und ungehindert" abgehalten werden. Maas hatte seinen chinesischen Kollegen zuvor in der Villa Borsig, dem Gästehaus des Auswärtigen Amts, zu einem Meinungsaustausch empfangen.

Für kommende Woche stellte der SPD-Politiker die Wiederaufnahme des deutsch-chinesischen Menschenrechtsdialogs in Aussicht, der zuletzt 2018 stattfand. Dabei werde es auch um das umstrittene Vorgehen der chinesischen Führung gegen die muslimische Minderheit der Uiguren gehen. Laut Nichtregierungsorganisationen sind in der Provinz Xinjiang mehr als eine Million Menschen in Haftlagern eingesperrt. Sie würden dort zur Aufgabe ihrer Religion, Kultur und Sprache gezwungen und teilweise misshandelt, heißt es.

Wang: "Wir wollen keine fremde Einmischung"

Der Gast aus Peking wies die Vorwürfe zurück und verbat sich eine Einmischung in interne chinesische Angelegenheiten. Dies gelte sowohl für Hongkong wie auch für den Umgang mit den Uiguren. Zugleich betonte Wang, Deutschland und China hätten eine strategische Partnerschaft, die ausgebaut werden müsse. Beide Länder hätten eine Verantwortung, auch die mulilaterale Zusammenarbeit zu fördern und die Weltwirtschaft in der Corona-Krise wieder anzukurbeln.

"'Ein Land - zwei Systeme' muss für Hongkong gelten": Heiko Maas mit Wang YiBild: Getty Images/AFP/M. Sohn

Vor dem Besuch hatte einer der prominentesten Vertreter der Hongkonger Demokratiebewegung von Deutschland gezielte Sanktionen gegen China verlangt. "Wir brauchen Maßnahmen, um das autoritäre, expansionistische chinesische System in Schach zu halten", sagte Nathan Law der Nachrichtenagentur AFP. Der 27-Jährige, der wegen des sogenannten Sicherheitsgesetzes für die Sonderverwaltungszone nach London geflohen ist, rief zu einem deutlichen Zeichen der Solidarität auf. In seiner Heimat pralle ein autoritäres Regime auf demokratische Grundwerte. "Hongkong ist wie Berlin im Kalten Krieg." Schon deshalb sei es "wichtig für die deutsche Regierung, Teil des Kampfes zu sein und die Menschen in Hongkong zu unterstützten", erklärte Law.

Schwerer Eingriff in Hongkongs Autonomiestatus

Das Ende Juni von China erlassene und international scharf kritisierte Sicherheitsgesetz erlaubt den Behörden ein hartes Vorgehen gegen Aktivitäten, die nach ihrer Auffassung die nationale Sicherheit der Volksrepublik bedrohen. Es stellt den bislang schwersten Eingriff in Hongkongs Autonomiestatus dar. Nach dem Prinzip "ein Land - zwei Systeme" waren 1997 bei der Übergabe der früheren britischen Kronkolonie an China grundlegende Bürgerrechte garantiert worden. Laut den Verträgen sollten die Einwohner Hongkongs unter anderem Meinungs- und Versammlungsfreiheit für 50 Jahre genießen.

"Kampf für die Freiheit": Nathan Law an der Spitze einer Kundgebung vor dem Außenministerium in BerlinBild: Getty Images/AFP/T. Schwarz

Demokratieaktivist Law schlägt vor, dass die westlichen Regierungen beim Handel mit China Menschenrechtsklauseln einführen. "Bislang war Deutschland aufgrund seiner Handelsbeziehungen sehr mild gegenüber China. Doch die Regierung muss sich im Klaren sein, dass das die demokratischen Werte schädigt." Die bisherige Strategie gegenüber China sei gescheitert: "Die Politik der Beschwichtigung war definitiv der falsche Ansatz in den vergangenen Jahrzehnten - sie war ein völliger Misserfolg."

Auch deutsche Politiker aus Koalition und Opposition schlugen vor dem Besuch in die gleiche Kerbe. Die Bundestagsabgeordneten Michael Brand (CDU), Margarete Bause (Grüne) und Gyde Jensen (FDP) forderten, "eine andere als die durchgängig zurückhaltende Sprache" gegenüber China. Grünen-Chefin Annalena Baerbock rief dazu auf, weitere Verhandlungen über ein Investitionsabkommen zwischen der EU und China an Bedingungen zu knüpfen. Die geplante Vereinbarung soll den Zugang europäischer Firmen zum chinesischen Markt verbessern und Investitionsschutz garantieren. Baerbock sagte, die EU müsse ihre wirtschaftliche Macht als Hebel für Menschenrechte einsetzen.

"Ein demokratischer Affront"

Wang beendet in Berlin seine erste Auslandsreise seit Beginn der Corona-Pandemie, die ihn bereits in mehrere europäische Staaten führte. Unmittelbar vor seinem Treffen mit Maas hatte er den tschechischen Senatspräsidenten Milos Vystrcil wegen eines laufenden Taiwan-Besuchs gerügt. Vystrcil werde für sein "kurzsichtiges Verhalten" einen "hohen Preis" zahlen müssen, sagte Wang. Maas tadelte die Äußerungen seines Amtskollegen. Die Europäische Union agiere in der Außenpolitik "in engem Schulterschluss" und begegne ihren Partnern mit Respekt. "Wir erwarten dasselbe genauso umgekehrt. Und Drohungen passen dazu nicht."

Der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses des Bundestages, Norbert Röttgen, erklärte: "Dass der chinesische Außenminister während seines Besuchs in Deutschland Drohungen gegen einen anderen EU-Staat und einen Parlamentarier persönlich ausspricht, ist nicht nur ein diplomatischer, sondern auch ein demokratischer Affront." Die EU-Mitgliedstaaten erkennten die Ein-China-Politik an, trotzdem müssten Besuche in Taiwan möglich sein, sagte der CDU-Politiker. Taiwan sei "kein weißer Fleck auf der Landkarte". Die Führung in Peking betrachtet Taiwan als Teil ihres Territoriums, während die auf der Insel angesiedelte Republik China sich als souveränen Staat ansieht und auf politische Selbstbestimmung pocht.

jj/qu (dpa, afp)

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