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Machtübergabe ohne Truppenabzug

Peter Philipp29. Juni 2004

Nach der Machtübergabe ist vor der Machtübergabe. Denn viel wird sich im Irak nicht ändern, auch wenn nun offiziell eine irakische Übergangsregierung die Macht im Zweistromland hat.

Aus Besatzern sollen "Beschützer" werden: US-Soldaten im IrakBild: AP

Ein Blick in die Geschichte könnte den Eindruck korrigieren, den die offizielle Machtübergabe in Bagdad am Montag (28.6.2004) erwecken soll. Die "Machtübergabe" soll suggerieren, dass ab sofort wirklich die Iraker Herr ihres eigenen Schicksals sein werden und dass das Zweistromland ein freier und souveräner Staat wird. Noch dazu - bis Anfang 2005 - ein demokratischer Staat mit freien Wahlen. Der erste in der Arabischen Welt.

Dieses Bild würde zutreffen, wenn mit der Machtübergabe auch tatsächlich die amerikanische Präsenz und Macht im Irak beendet würden. Davon aber ist man weit entfernt. Wie schon einmal in der Geschichte: Nach dem Zerfall des Osmanischen Reiches wurde der Irak britisches Mandatsgebiet und London "entließ" das Land 1932 in die Unabhängigkeit. Diese war freilich keine, denn die Briten zogen weiterhin die Strippen und waren die eigentlichen Machthaber. Und britische Truppen blieben bis 1958 im Land.

Besatzer, Beschützer, Befreier

Ob die Streitkräfte der "Koalition" so lange bleiben werden oder wollen, kann jetzt natürlich nicht gesagt werden. Aber es steht fest, dass diese Truppen im Irak bleiben und nur ihre Bezeichnung ändern werden. Aus "Besatzern" sollen "Beschützer" werden. Möglicherweise ist dies ein ebenso illusorisches Vorhaben wie der Traum vor dem Irakkrieg, als "Befreier" auftreten zu können.

Aber bei allem Zynismus: Es steht doch auch fest, dass die Anwesenheit der Koalitionstruppen zumindest für eine Übergangsphase unbedingt erforderlich ist. Die Übergangsregierung kann sich - trotz intensiver Anstrengungen auch des Auslandes - noch nicht auf ausreichende eigene Sicherheitskräfte stützen, um der Bevölkerung dass zu geben, was sie am meisten braucht: Sicherheit. Irakische Polizei und Militärs gehören mit zu den wichtigsten Zielen der verschiedenen bewaffneten Gruppen, deren Hauptziel es zu sein scheint, jede Normalisierung im Irak zu vereiteln.

Die Truppen werden verstärkt

Paul Bremer einen Tag vor der offiziellen Machtübergabe im Irak mit zwei arabischen Studentinnen (27.6.2004)Bild: AP

So war es denn nicht überraschend, dass Washington zwar seinen Zivilverwalter Paul Bremer abzieht, nicht aber seine Truppen. Und dass man diese Truppen - zum Beispiel das südkoreanische Kontingent - noch verstärkt. Gegnern der amerikanischen Präsenz wird dies ausreichend Beweis sein, dass Washington nie wirklich vorhatte, den Irak zu verlassen. Und die Ablehnung einer Übergangs- oder später auch gewählten Regierung dürfte geschürt werden, solange diese sich auf amerikanische und andere ausländische Militärhilfe stützt.

Ohne ein Minimum von Eindämmung der täglichen Gewalt allerdings ist auch nicht zu erwarten, was dem Irak von den Vereinten Nationen für die nächsten Monate aufgegeben wurde: Noch im Juli sollen die ersten Versammlungen und Vorbereitungen zur Abhaltung freier Wahlen stattfinden und diese Wahlen sollen spätestens im Januar nächsten Jahres stattfinden. Die Ereignisse der letzten Monate und besonders die jüngste Eskalation haben zur Genüge bewiesen, dass solche Pläne sehr leicht sabotiert werden können. Obwohl die Situation dort in vielerlei Hinsicht anders ist, wird dies am Beispiel Afghanistan besonders deutlich: Die Wahlen sind schon einmal verschoben worden - und niemand glaubt ernsthaft, dass sie wirklich im September stattfinden können.

Hohes Potential im Irak

In mehr als diesem Aspekt sollte der Irak aber nicht mit Afghanistan verglichen werden. Der Irak ist ein moderner Staat mit hohem menschlichen Potential und hohem Bildungsniveau. Und natürlich immensen Bodenschätzen - den zweitgrößten Ölquellen der Welt. Wenn die Sicherheitslage sich beruhigen sollte, dann könnte eine - jede - irakische Regierung dem Land und seiner Bevölkerung zu Wohlstand verhelfen und dann könnte der Irak tatsächlich die erste wahre Demokratie in der Arabischen Welt werden.

In sechs Monaten aber kann ein solcher Übergang nicht bewerkstelligt werden. In diesen sechs Monaten kann im Gegenteil sehr viel schief gehen und von den Hoffnungen zunichte gemacht werden, die man jetzt in diese Übergangsphase setzt.

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