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Macht Donald Trump Europa groß?

28. Juni 2025

Die rüde Handelspolitik des US-Präsidenten verschreckt Investoren. Für Europa und Deutschland ergeben sich dadurch neue Chancen. Aber werden sie auch genutzt?

Sonnenaufgang über Berlin
Morgenröte: Anleger blicken vermehrt auf den Standort DeutschlandBild: lorian Gaertner/photothek/IMAGO

Die Uhr tickt: Schon am 9. Juli läuft die Frist für eine Einigung im Zollstreit der USA mit der EU ab. Ob es zu einer Eskalation mit dauerhaft hohen US-Zöllen kommt, ist dabei völlig offen. Genauso offen ist, mit welchen Maßnahmen die EU reagieren würde. Doch trotz des enormen Drucks, den die US-Regierung unter Donald Trump in den vergangenen Monaten aufgebaut hat, blicken internationale Investoren mittlerweile skeptischer auf die US-Wirtschaft und gleichzeitig mit gesteigertem Interesse auf Europa - und dabei besonders auf die größte EU-Volkswirtschaft Deutschland.

Während der US-Börsenindex S&P 500 seit Jahresbeginn im Minus liegt, legte das deutsche Börsenbarometer Dax um mehr als 15 Prozent zu und markierte dabei immer neue Rekorde. Seit dem Amtsantritt von Donald Trump hat der US-Dollar gegenüber dem Euro zehn Prozent an Wert verloren. Ebenso ging es für den Greenback im Vergleich zum britischen Pfund und dem Schweizer Franken bergab.

IWF und Bundesbank kritisieren USA

Die USA wirken angeschlagen: Der Internationale Währungsfonds (IWF) kritisiert, dass die US-Schulden aus dem Ruder laufen könnten. Und Bundesbank-Präsident Joachim Nagel warnte beim Finanzgipfel der G7 in Kanada vor erneuten Turbulenzen an den Finanzmärkten, sollte der Handelsstreit mit den USA nicht gelöst werden.

Nagel hatte Ende Mai im Tagungsort Banff den toxischen Mix aus fallenden Aktienkursen, einem schwächeren US-Dollar und zugleich steigenden Anleiherenditen nach der Verkündung von hohen Sonderzöllen gegen fast alle US-Handelspartner mit drastischen Worten beschrieben: "Manchmal hatte ich an bestimmten Tagen das Gefühl, wir sind nicht weit weg von der Kernschmelze an den Finanzmärkten", so der deutsche Zentralbank-Chef.

Die stellvertretende geschäftsführende Direktorin des IWF, Gita Gopinath, hatte kurz davor in einem Interview mit der Financial Times angemahnt, dass die Haushaltsdefizite der USA zu groß seien und das Land seine "ständig wachsende" Schuldenlast in Angriff nehmen müsse.

Wie lange kann können sich die USA ihre Rekordverschuldung noch leisten, fragt IWF-Vizechefin Gita GopinathBild: Andrew Caballero-Reynolds/AFP

Die USA leiden nach Angaben des US-Finanzministeriums unter einem riesigen Schuldenberg von mehr als 36 Billionen Dollar. Im vergangenen Jahr entsprach das mehr als 120 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) - das ist fast doppelt so hoch wie die Verschuldungsquote in Deutschland. Und jedes Jahr kommen neue Schulden hinzu: Für das Jahr 2025 wird das US-Haushaltsdefizit auf mehr als 6,5 Prozent der Wirtschaftsleistung geschätzt.

Blick auf USA immer kritischer

Auch für den Ökonomen Hans-Werner Sinn werden die Spielräume für das bisherige US-Schuldenmodell immer kleiner. "Die Amerikaner müssen den Gürtel enger schnallen. Dieser Lebensstandard, diese Welt, die aus lauter Malls und wenig Fabriken besteht, die lässt sich so auf die Dauer nicht aufrechterhalten", so der frühere Präsident des Münchner Ifo-Instituts im Interview mit der DW.

"Die USA pfeifen auf dem letzten Loch"

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Dass die USA nach Wegen suchen, um ihr Handelsbilanzdefizit mit der EU abzubauen, kann auch Ralph Ossa verstehen. Aber der Chefökonom der Welthandelsorganisation (WTO) denkt wie die meisten seiner Fachkollegen. "Aus volkswirtschaftlicher Sicht sind sich eigentlich alle Ökonomen einig, dass Zölle nicht das geeignete Instrument sind, um Handelsbilanzdefizite anzugehen", so Ossa zur DW. Er vergleicht das Vorgehen der USA mit einer Privatperson, die mehr kauft, als sie durch ihre Arbeit verdient und sich deshalb verschuldet.

"Und wenn ich als Ralph ein Schuldenproblem habe - zum Beispiel, weil ich mir zu viele Autos kaufe - dann ist es natürlich eine Möglichkeit, die Autos zu besteuern, damit ich mir nicht mehr so viele kaufe. Aber es ist natürlich nicht der direkteste Weg, das Problem anzugehen", beschreibt Ossa das Vorgehen der USA.

Stimmung gegenüber Europa und Deutschland hat sich "völlig gedreht"

Dass die aggressive Handels- und Zollpolitik Donald Trumps die Anleger abschreckt und nach Europa blicken lässt, unterstrich auch der Chef der staatlichen deutschen Förderbank KfW, Stefan Wintels, vor kurzem im Interview mit dem Handelsblatt. "Ich beobachte auf meinen Roadshows in New York, London und Zürich, dass das Interesse internationaler Investoren am Standort Deutschland wächst. Viele institutionelle Investoren sind in den USA überinvestiert und würden gern stärker in Europa und innerhalb Europas, insbesondere in Deutschland, investieren", so Wintels.

Stephen Schwartzman ist der Chef des weltgrößten Vermögensverwalters für alternative Investments Blackstone Bild: Markus Schreiber/AP/picture alliance

In nur wenigen Monaten habe sich die Stimmung gegenüber Europa und Deutschland bei internationalen Investoren völlig gedreht. "In meinen mehr als 30 Berufsjahren habe ich noch nie einen so rasanten Stimmungswechsel miterlebt. Wir sollten alles dafür tun, dieses positive Momentum für Deutschland und Europa zu nutzen", so der KfW-Chef.

US-Investoren folgen dem Lockruf Europas

Auch internationale Schwergewichte wie der weltgrößte alternative Vermögensverwalter Blackstone lockt Europa. Blackstone-CEO Steve Schwarzman kündigte an, in den nächsten zehn Jahren bis zu 500 Milliarden Dollar (437 Milliarden Euro) in Europa zu investieren. In einer Zeit geopolitischer Umbrüche wird Europa zunehmend attraktiv für Investoren - nicht zuletzt durch die milliardenschweren Investitionspakete für Infrastruktur und Verteidigung in Deutschland.

"Wir sehen darin eine große Chance für uns", hatte Blackstone-Chef Schwarzman Anfang Juni gegenüber Bloomberg TV betont. "Sie beginnen hier, ihre Herangehensweise zu ändern, was unserer Meinung nach zu höheren Wachstumsraten führen wird."

Dass die EU ihren Binnenmarkt mit fast 450 Millionen Verbrauchern effektiver machen muss, hat man in Brüssel erkannt. So will die EU-Kommission im Zuge des globalen Handelskriegs gegen die "zehn größten Übel" im Binnenhandel vorgehen. In einem geleakten und von der Medien-Plattform "Table Briefings" verlinkten und als "sensibel" eingestuften EU-Strategieapier wird die folgende Rechnung aufgemacht: Um einen Rückgang der Exporte in die USA um 20 Prozent auszugleichen, reicht bereits der Anstieg des Warenhandels innerhalb der EU um 2,4 Prozent. Möglich werden soll das unter anderem durch Bürokratieabbau. Davon sollen vor allem kleine und mittelgroße Unternehmen profitieren, die dann künftig einfacher in der Europäischen Union über nationale Grenzen hinweg operieren können.

Investitionsmagnet Deutschland

Außerdem herrscht in Brüssel Einigkeit darüber, dass man das Tempo beim Abschluss von Freihandelsabkommen mit Partnern wie Indien oder Indonesien erhöhen muss und sich nicht mehr leisten kann, wie beim Mercosur-Abkommen mit südamerikanischen Ländern zwei Jahrzehnte lang zu verhandeln.

Hat Deutschland als Ziel für Investitionen fest im Visier: Jim Zelter, Chef des Finanzkonzerns ApolloBild: Ariana Ruiz/IMAGO

Doch Europa profitiert schon jetzt vom neuen Blick auf den alten Kontinent. Bei der Investoren-Konferenz "SuperReturn International" versammelten sich Anfang Juni Tausende Großinvestoren in Berlin, darunter Pensionsfonds, Versicherungen und Staatsfonds aus aller Welt - mit einem verwalteten Vermögen von rund 46 Billionen Euro. Laut Bloomberg sprachen sich die Manager von Großinvestoren wie BC Partners, Permira und Brookfield Asset Management wegen der zunehmenden globalen Wirtschaftsrisiken für Europa als Investitionsstandort aus. Und der New Yorker Finanzriese Apollo Global Management, der schon jetzt etwa 100 Milliarden Dollar seines rund 800 Milliarden Dollar schweren Vermögens in Europa angelegt hat, will sich in den kommenden zehn Jahren vor allem in Deutschland noch stärker engagieren.

"Wir sehen allein in diesem Land die Möglichkeit, in den nächsten zehn Jahren 100 Milliarden Dollar in die Erde zu bringen", sagte Apollo-Präsident Jim Zelter gegenüber der Financial Times und fügte hinzu, dass dies "eine Zahl ist, die weltweit nur schwer zu übertreffen ist".

 

Thomas Kohlmann Redakteur mit Blick auf globale Finanzmärkte, Welthandel und aufstrebende Volkswirtschaften.
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