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Wenn Korruption Bäume fällt

Katja Döhne
31. Mai 2018

In den vergangenen Jahren wurden in Peru tausende Hektar Regenwald für Palmöl- und Kakaoplantagen abgeholzt. Firmen haben sich das Land unter den Nagel gerissen, sagen Umweltschützer, auch mithilfe von Bestechung.

Eine Palmölfrucht in einer Hand. Aus den Früchten der Ölpalme wird Öl gewonnen, das für die Produktion vieler Produkte verwendet wird.
Bild: DW/K. Döhne

Der Regenwald in Peru ist nicht mehr, was er früher war. Wo vor ein paar Jahren dichter, wildgewachsener Amazonas-Dschungel stand, stehen jetzt Ölpalmen - in Reih und Glied, soweit das Auge reicht. Von oben mögen die ertragreichen Bäume wie eine gesunde grüne Fläche wirken, tatsächlich wächst zwischen den Stämmen kaum etwas. Andere Pflanzen, die für einen Urwald typisch sind, fehlen. Und mit ihnen sind die Tiere verschwunden, die sich von ihnen ernähren könnten.

Wir sind wegen der Ölpalmen hier. Schwer beladen sind die Bäume, aus deren Früchten das begehrte Öl gewonnen wird. Es wird weltweit in allen erdenklichen Produkten eingesetzt, sei es in Kosmetik, Biodiesel, Kartoffelchips oder Brotaufstrich.

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Wir wollen wissen, wieso hier so viele Ölpalmen stehen. In Peru findet ein regelrechter Ausverkauf von Land statt, erzählen uns die Leute, die in der Region Ucayali mitten im Amazonas-Dschungel zuhause sind. Sie können sich noch daran erinnern, wie es ist, hier ungestört leben zu können. Nun haben sie mit gewaltigen Konsequenzen zu kämpfen.

Saftig grün ist der Regenwald in der Region Ucayali schon lange nicht mehr überall - stattdessen breiten sich Plantagen mit Monokulturen ausBild: picture-alliance/AP Photo/M. Mejia

Mehr Plantagen als anderswo

Nirgendwo sonst in Peru sind so viele Flächen für den Anbau von Ölpalmen und Kakaopflanzen abgeholzt worden wie hier. 13.000 Hektar Land wurden in dem Gebiet in Perus Osten umgewandelt.

Auffallend oft treffen wir auf den Namen Dennis Melka im Zusammenhang mit den Anbauflächen. Der tschechisch-US-amerikanische Investor steckt hinter einer Vielzahl von Firmen, die unter jeweils anderen Namen die Plantagen bewirtschaften.

Melka hat bereits in Malaysia ein Vermögen mit Palmöl-Plantagen gemacht. In Peru hat er ein Konstrukt von 25 Unternehmen aufgebaut, in die er auf unterschiedliche Art und Weise verwickelt ist. Die sogenannte "Melka-Group” zu durchschauen, ist schwierig. Firmen ändern ihre Namen, werden eingestellt, gesplittet. All diese Wirrungen sind Teil der Strategie, um an möglichst viel Land zu kommen. Nur so habe er sich tausende Hektar Dschungel aneignen und für Plantagen roden lassen können, erklärt Proética, der peruanische Ableger von Transparency International, einer Nichtregierungsorganisation, die sich gegen Korruption stark macht.

Die indigenen Einwohner in Peru verlieren immer größere Gebiete ihrer Heimat an Firmen und Konsortien. NGOs geben korrupten Politikern eine Schuld an der EntwicklungBild: DW/K. Döhne

Illegaler Landhandel durch korrupte Politiker?

"Es gibt eine Verbindung zwischen Abholzung, illegalem Landhandel und der Korruption von Funktionären”, sagt Magaly Avila, sie leitet das Programm für Klimapolitik bei Proética. Mit ihrer Organisation hat sie untersucht, wie Landrechte in Peru vergeben werden. Dabei sei man zu dem Ergebnis gekommen, dass die Vergabe in derart großem Ausmaß an die Palmöl- und Kakao-Unternehmer nur durch Bestechung möglich sei.

Im zugehörigen Bericht schreibt Proética, dass es 2011 bis 2014 einen regelrechten Boom bei der Ausstellung von Landbesitz-Dokumenten an Privatpersonen in der zuständigen Regionalbehörde gegeben habe. Insgesamt seien rund 3500 Zertifikate in Ucayali vergeben worden. Dabei sei eine Strategie der Großunternehmer erkennbar, sagt Proética. Die Organisation vermutet Korruption. Politiker, die von den Unternehmen geschmiert wurden, hätten Landrechte oftmals Privatpersonen zugesprochen, die wiederum als Mittelsmänner das Land weiterverkauften, bis es in den Händen der Firmen landete. Andernorts wurden gültige Landrechte über Nacht aberkannt. Oder Bauern wurden unter Vorspiegelung falscher Tatsachen zum Verkauf überredet.

Von oben gesehen sind Monokulturen aufgeräumt, Bäume stehen in Reih und Glied - diese Ordnung nimmt wildlebenden Pflanzen und Tieren allerdings die LebensgrundlageBild: DW/K. Döhne

"Wenn ich das Land nicht verkaufe, sagten sie mir, würde der Staat es mir wegnehmen", erzählt der Bauer Walter Muñoz Quiroz. "Zur Begründung sagten sie, ich würde nicht das gesamte Land ordentlich bewirtschaften, das sie mir gegeben hatten. Ich war ahnungslos und hatte Angst.”

Quiroz verkaufte sein Land schließlich weit unter Wert. 100 Soles pro Hektar wurden ihm ausgezahlt, das sind umgerechnet gerade einmal 25 Euro (30 US$). Erst später habe er herausgefunden, dass es keine Auflagen zur Bewirtschaftung des Landes gegeben habe. Der Landwirt wurde schlicht angelogen. Sein Land war trotzdem weg.

Palmöl-Plantagen als "nationales Interesse”

Im Jahr 2000 hatte die peruanische Regierung den Ausbau von Palmöl-Plantagen zum "nationalen Interesse" erklärt. Einerseits, weil der Anbau von Ölpalmen eine Alternative zum Anbau von Coca-Pflanzen werden sollte - Peru gehört, zusammen mit Bolivien und Kolumbien, zu den Ländern, in denen weltweit die meisten Coca-Sträucher stehen. Ein weiterer Grund war ein Gesetz, das in Peru, wie in vielen anderen Ländern auch, ab 2005 eine Beimischungsquote von 5 Prozent des Pflanzenöls in Dieselkraftstoffe etablierte.

Insgesamt sollten 50.000 Hektar Fläche zu Plantagen werden, inzwischen wachsen Ölpalmen in Peru aber auf knapp 80.000 Hektar Land. Die Hilfsorganisation Oxfam (pdf) fürchtet eine Verdreifachung der Anbaufläche bis zum Jahr 2021 und schreibt, dass insgesamt 1,4 Millionen Hektar in Peru für den Anbau von Ölpalmen geeignet wären.

Der Ort Santa Clara de Uchunya liegt mitten im Regenwald, direkt an der Grenzlinie des schwelenden Konflikts: Die Palmöl-Plantagen des Melka-Imperiums sind auf der anderen Flussseite in SichtweiteBild: DW/K. Döhne

Indigene wehren sich

Damit die indigenen Gemeinden nicht von solchen Entwicklungen überrollt werden, hält Proética Workshops vor Ort ab. Die Organisation holt außerdem Justiz und Regierung mit in die Diskussion. "Wir wollen die betroffenen Menschen über die Vorgänge aufklären, und damit dazu beitragen, dass sie sich in Zukunft wehren können”, so Magaly Avila. Proética will für mehr Transparenz sorgen und eine bessere Zusammenarbeit der verschiedenen Behörden erreichen.

Wir sind bei einem dieser Workshops dabei, der in Santa Clara de Uchunya stattfindet, einer indigenen Siedlung mit etwa 200 Einwohnern. Die Reise dorthin ist aufwendig: Aus Pucallpa, der Hauptstadt der Region Ucayali, müssen wir mit dem Auto zwei Stunden zum Flussufer des Rio Ucayali. Von dort an geht es eine knappe Stunde mit dem Boot weiter.

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Santa Clara de Uchunya liegt quasi direkt an der Grenzlinie des schwelenden Konflikts. Die Palmöl-Plantagen des Melka-Imperiums sind auf der anderen Flussseite in Sichtweite. Dasselbe Land haben die indigenen Einwohner früher zum Jagen genutzt. Heute dürfen sie es nicht mehr betreten.

Insgesamt geht es um 20.000 Hektar Wald, den die Bewohner von Santa Clara von der Regionalregierung zugesprochen bekommen wollen. Für sie ist der Wald "Ahnenland”, wie sie sagen. Nicht nur Proética unterstützt sie, auch Robert Guimaraes, Präsident der Föderation indigener Gemeinden FECONAU, setzt sich für das Vorhaben ein. FECONAU gehört zu den ältesten Föderationen in der Region, sie vertritt mehr als 30 verschiedene indigene Gemeinden.

"Ich habe viele Morddrohungen erhalten", erzählt Guimaraes. Er glaubt, dass er wegen seines Kampfes gegen Palmöl- und Kakao-Unternehmen in großer Gefahr sei. Und Gewalt scheint nicht unwahrscheinlich, erfahren wir von den Menschen in Santa Clara. Sie erzählen von Bedrohungen, von Überfällen und sogar Morden, die dem Landkonflikt zugeschrieben werden. Im Dezember 2017 wurden sechs Bauern erschossen in einem Feld aufgefunden. Ob sie wegen des Widerstands gegen die Palmöl-Riesen umgebracht wurden? Offiziell geklärt ist das nicht.

"Die Täter sind Einheimische, die von der jeweiligen Firma bezahlt werden", meint ein Einwohner. "Man findet immer jemanden, wenn man genug Geld bietet.”

Die Bewohner von Santa Clara de Uchunya wollen sich nicht einschüchtern lassen und kämpfen, bis die Regierung ihnen Landrechte zusprichtBild: Imago

Lösung bisher nicht in Sicht

Aber einschüchtern lassen wollen sich die Bewohner von Santa Clara de Uchunya nicht. Sie wollen solange kämpfen, bis die Regierung ihnen die Landrechte zuspricht und der Dschungel vor der Komplett-Rodung gerettet ist. Das kann noch lange dauern.

Auch wenn in der Vergangenheit einige illegale Machenschaften aufgedeckt werden konnten, ist eine Verbesserung der Situation in Peru derzeit nicht absehbar. Die Nachfrage nach Palmöl ist weltweit weiterhin hoch. Heute werden rund 62,6 Millionen Tonnen Palmöl weltweit verbraucht, das ist dreimal mehr als im Jahr 2002. In anderen Worten: Palmöl ist ein lukratives Geschäft für die peruanische Regierung.

Solange das so ist, werden die Bewohner von Santa Clara de Uchunya mit der Angst leben müssen, noch größere Flächen ihres Regenwaldes zu verlieren. Der Einschnitt in ihre Art zu leben könnte kaum größer sein. Oder, wie es der Dorf-Oberste Carlos Hoyos zusammenfasst: "Eine indigene Gemeinde ohne ihr Land ist gar nichts.”

Unterwegs in Peru

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