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Macht Merkel die Corona-Politik bald allein?

Kay-Alexander Scholz
29. März 2021

Mitten in der dritten Infektionswelle mit noch zu wenig Geimpften streiten sich Bund und Länder um das Krisen-Management. Wie es in Deutschland nach Ostern in der Corona-Politik weitergeht, ist derzeit offen.

Kanzleramt | Beratungen von Bund und Ländern zu Corona-Pandemie
Die Frühlingsidylle trügt - aus dem Kanzleramt schallen harsche Töne in die BundesländerBild: Michael Kappeler/dpa/picture alliance

Bund und Länder gemeinsam - so lautet eine Maxime der Corona-Politik in Deutschland. Konkret hieß das bislang: Angela Merkel trifft sich mit den Spitzen der 16 Bundesländer. Gemeinsam beraten sie - zuletzt immer mittels Videokonferenz - ein vom Kanzleramt vorbereitetes Maßnahmen-Papier und machen aus den Maßnahmen mehr oder weniger identische Verordnungen.

Das hat schon immer nicht ganz reibungslos funktioniert und führte bundesweit zu teilweise sehr unterschiedlichen Ergebnissen: Baumärkte auf oder zu, Schulen geöffnet oder nicht. Nun aber scheinen die Vorstellungen noch stärker auseinander zu gehen.

Sonntagabend: Angela Merkel bei "Anne Will"Bild: Wolfgang Borrs/NDR/dpa/picture alliance

Sonntagabend, bester Sendeplatz: Die Kanzlerin droht in einem langen TV-Interview in der Sendung "Anne Will" einigen Bundesländern. Sollten diese die vereinbarten Maßnahmen weiterhin nicht streng umsetzen, könnte sie ihnen auch ihre Eigenständigkeit einschränken. Heißt: Der Bund würde entscheiden.

Der Bund könnte stärker eingreifen

Merkel nannte die Anpassung des Infektionsschutzgesetzes als eine Möglichkeit dafür. Bislang ist dort nicht geregelt, welche konkreten Maßnahmen - zum Beispiel eine Ausgangssperre - bei bestimmten Infektionszahlen durchzusetzen sind.

Schnell allerdings ginge das nicht zu ändern, da auch Bundestag und Bundesrat als Länderkammer zustimmen müssten. Bislang wollte die Politik das Gesetz nicht zu starr gestalten, um auch kurzfristig auf die Pandemie regieren zu können. Andererseits gibt es viel Kritik aus dem Bundestag, die Parlamentarier seien beim jetzigen Verfahren zu wenig eingebunden.

Laut Grundgesetz gebe es noch eine zweite Option. "Maßnahmen gegen gemeingefährliche und übertragbare Krankheiten" könnten auch vom Bund beschlossen werden. Auch hier müsste der Bundesrat mit einbezogen werden, weil zum Beispiel die in der Pandemie so wichtigen Schulfragen Ländersache sind.

Laschet wehrt sich

Montagmittag in Berlin: Überraschend gibt CDU-Chef Armin Laschet, ein möglicher Nachfolger Merkels als Kanzler, eine kleine Pressekonferenz in der Parteizentrale nach einer Sitzung des Partei-Präsidiums. Eigentlich sollte es nur ein Statement werden. Dann dürfen aber doch vier Journalisten rein und Fragen stellen.

Armin Laschet verteidigt den von Merkel kritisierten Kurs mancher BundesländerBild: Michael Kappeler/dpa/picture alliance

Laschet ist auch Ministerpräsident in Nordrhein-Westfalen und dürfte sich von der Merkel-Kritik angesprochen gefühlt haben. Er gab Konter. Sein Bundesland halte sich an die vereinbarten Maßnahmen. Auch das Saarland und Schleswig-Holstein, ebenfalls CDU-regiert, würde ihre "Hausaufgaben" machen. Sollte die Lage dramatischer werden, dann sei er offen "für jeden Vorschlag, was vor noch besser machen können". Aber er kenne keine weiteren Vorschläge.

Es gibt derzeit viele Versuche in Deutschland, mittels Tests wieder normaleres Leben zum Beispiel beim Einkaufen oder in Restaurants zuzulassen. Im Saarland sollen nach Ostern sogar wieder Fitnessstudios und Kinos testweise öffnen, obwohl die Infektionszahlen steigen.

Merkel sieht die Lockerungen und Modellprojekte schon immer skeptisch. Sie hatte vor dem letzten Bund-Länder-Treffen sogar einen harten Oster-Lockdown vorgeschlagen, um die beginnende dritte Infektionswelle zu brechen. Im TV-Interview hatte sie ihre skeptische Haltung noch einmal bekräftigt.

Mehr Anreize für Selbsttests schaffen

Laschet verteidigte eine liberalere Corona-Politik mit dem Argument, man müsse die Leute auch dazu bringen, sich testen zu lassen. Was nützten 6000 Testzentren wie in seinem Bundesland, wenn die Leute keinen Grund hätten, hinzugehen. Einkaufen und Essengehen wären gute Gründe, glaubt Laschet. So könnten schließlich mehr Infizierte aufgespürt und Infektionsketten durchbrochen werden.

Er ist nicht der einzige, der mit Merkels Kritik nicht einverstanden ist. Aus Thüringen hieß es, der Bund selber tue nicht genug. Brandenburg sagte, man setze doch alles um - auch die vereinbarte Notbremse. Diese besagt, dass alle Lockerungen des Lockdowns wieder zurückzuführen sind, wenn die Inzidenz über 100 liegt.

Saarlands Ministerpräsident Tobias Hans: Nach Ostern soll gelockert werdenBild: Jens Krick/Flashpic/picture alliance

Es handele sich nicht um ein Experiment, das Infektionen in Kauf nehme, hieß es aus dem Saarland, sondern im Gegenteil um ein Modell zur Entdeckung von Infektionen. Am Öffnungsplan nach Ostern werde festgehalten. Es gebe aber einen Exit, sollte die Belegungszahlen in den Krankenhäusern wieder zu hoch werden.

Aus Nordrhein-Westfalen hieß es, angesichts der Mängel bei der Impfstoff-Beschaffung sollte sich der Bund lieber auf eigene Versäumnisse konzentrieren. Deutschland liegt im internationalen Vergleich bei der Anzahl der bislang erfolgten Impfungen nur im Mittelfeld.

In sechs Monaten sind Bundestagswahlen

Markus Söder aus Bayern, Laschets Konkurrent um die Kanzlerkandidatur, sprach sich dagegen aus, mehr Macht an den Bund abzugeben und die Bundesländer zu klareren Regeln zu zwingen. Auch Sachsen, Bremen und Hamburg unterstützten Merkels Linie. Für Gesetzesänderungen sprachen sich auch die Grünen und der Bundesinnenminister aus.

Die Grünen, derzeit im Umfrage-Hoch, wiederholten ihren Vorschlag, einen permanent tagenden Corona-Krisenstab einzurichten.

Videokonferenz Bund/Länder - doch kein guter Weg zum Verhandeln?Bild: Jesco Denzel/Bundesregierung/dpa/picture alliance

Laschet sprach sich dafür aus, wieder Präsenz-Treffen im Kanzleramt durchzuführen. Im Bundestag und Bundesrat käme man ja schließlich auch persönlich zusammen. Worauf Merkel aber analog zum Lockdown und der Maßgabe der Kontaktreduzierung verzichtet hatte. Regulär findet die nächste Bund-Länder-Runde am 12. April statt.

Von Merkels Koalitionspartner SPD kam Kritik an der Diskussion: "Wir haben in diesem Land gerade keine Zeit für das Chaos in der CDU/CSU." Stattdessen müsse es darum gehen, schneller zu impfen, mehr zu testen und aus dem Lockdown herauszukommen.

 

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