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PolitikEuropa

Machtfaktor EU? Merz und Macron wollen die Union pushen

30. August 2025

Das Duo "Merzcron" soll die deutsch-französischen Beziehungen beflügeln und dadurch auch die EU mächtiger werden lassen. Doch was ist geblieben vom ersten Kabinettstreffen mit Bundeskanzler Merz in Toulon? Eine Bilanz.

Frankreich | Frankreichs Präsident Macron (li) und Bundeskanzler Merz (r) umarmen sich auf dem Deutsch-französisches Kabinettstreffen in Toulon
Männerfreundschaft: Frankreichs Präsident Macron (li) und Bundeskanzler Merz (r) suchen auf dem deutsch-französischen Kabinettstreffen in Toulon den politischen Schulterschluss Bild: Manon Cruz/REUTERS

Frankreichs Präsident Emmanuel Macron gab die Richtung vor. "Wenn Frankreich und Deutschland beschließen, gemeinsam voranzugehen, dann verändert sich der Rhythmus ganz Europas, postete er anlässlich des 25. deutsch-französischen gemeinsamen Kabinettstreffen in Toulon auf der Plattform X.

"Dieser deutsch-französische Ministerrat ist kein gewöhnliches Treffen: Er markiert den Abschluss monatelanger gemeinsamer Arbeit und den Beginn einer neuen Dynamik."

In einigen Bereichen wurde diese "neue Dynamik" bereits erkennbar. So wurde in Toulon offiziell der deutsch-französische Streit um Atomkraft beigelegt. In einem neuen Rahmenabkommen verpflichteten sich beide Länder, sich nicht mehr gegenseitig in ihrer Energiepolitik zu behindern, sondern sich stattdessen gegenseitig zu unterstützen.

Frankreichs "grüne" Kernenergie

In der Praxis bedeutet dies, dass Berlin seinen Widerstand auf EU-Ebene gegen die Einstufung von Kernenergie als "grün" aufgibt. Paris wiederum wird deutsche Prioritäten wie die Wasserstoffinfrastruktur mit Südeuropa und eine stärkere Verbindung der deutsch-französischen Stromnetze unterstützen. Frankreich, das zwei Drittel seines Stromes aus Kernenergie bezieht, könnte somit Forschungsgelder von der EU beantragen, um neue Atomreaktoren zu entwickeln. Deutschland bekommt im Gegenzug Unterstützung für den Ausbau von Wasserstoffleitungen aus Südwesteuropa.

"Grüne" Energie? Im Gegensatz zu Deutschland setzt Frankreich auf den Ausbau von Kernenergie: Zwei Drittel der Stromerzeugung stammen dort aus AtomkraftBild: Blondet Eliot/ABACA/picture alliance

"Merz hat verstanden, dass bahnbrechende Entscheidungen über den künftigen Kurs der deutschen und europäischen Politik getroffen werden müssen", sagt Stefan Seidendorf, Geschäftsführer des Deutsch-Französischen Instituts (DFI), im Interview mit der DW.

"Die Dinge laufen nicht mehr auf Autopilot unter dem transatlantischen Sicherheitsschirm und dem vorhersehbaren Welthandel. Diese Grundlagen stehen nun alle zur Debatte."

Gemeinsame europäische Verteidigung verbessern

Beim Thema Sicherheit und Verteidigung sind sich Macron und Bundeskanzler Friedrich Merz einig, dass Europa mehr in seinen eigenen Schutz investieren und gleichzeitig seine Abhängigkeit von Washington verringern muss. In ihrer gemeinsamen Erklärung versprachen sie, "die gemeinsamen Verteidigungsfähigkeiten auszubauen, um die europäische Säule der NATO zu stärken".

Gemeinsame deutsch-französische Verteidigungsprojekte sollen deshalb effizienter werden. Merz und Macron bekräftigten ihr Engagement für das "Main Ground Combat System" (MGCS) und das "Future Combat Air System" (FCAS).

Die beiden Vorzeigeprojekte zielen darauf ab, bis 2040 einen neuen Kampfpanzer als Ersatz für die bisherigen französischen und deutschen Modelle sowie einen hochmodernen Kampfjet zu liefern.

Frankreich strebt dabei die intellektuelle und industrielle Führungsrolle im FCAS-Projekt an. Berlin hingegen wünscht sich eine ausgewogenere Verteilung von Arbeit und Technologie.

Sicherheitsgarantieren für die Ukraine

Angesichts des Kriegs in der Ukraine versprachen Merz und Macron zudem weitere Unterstützung für die Luftverteidigung des Landes. Sie waren sich einig, dass der Ukraine glaubwürdige Sicherheitsgarantien gegeben werden müssen, vermieden jedoch konkrete Zusagen über die Entsendung eigener Truppen.

Meinungsverschiedenheiten gab es über die nukleare Abschreckung. In der Vergangenheit drängte Macron immer wieder darauf, das französische Atomwaffenarsenal als europäische Abschreckungsmacht zu nutzen.

Deutschland, das über keine eigenen Atomwaffen verfügt, hat sich lange Zeit auf die militärische Unterstützung der USA verlassen und darauf bestanden, dass die NATO weiterhin eine zentrale Rolle spielt.

Nun wollen die beiden Länder einen "strategischen Dialog" zu diesem Thema aufnehmen, um mögliche Kompromisse zu finden. Einigkeit herrscht darüber, dass "die unabhängigen strategischen Nuklearstreitkräfte Frankreichs einen wesentlichen Beitrag zur Gesamtsicherheit des Bündnisses leisten."

Noch blockiert Paris das Freihandelsabkommen zwischen EU und Mercosur, denn Frankreichs Landwirte fürchten die Konkurrenz aus SüdamerikaBild: Previtali Leo/ABACA/IMAGO

Hängepartie: Abkommen mit Mercosur

Umschifft wurden verschiedene Themen, bei denen keine Einigkeit erzielt werden konnte, zum Beispiel das geplante EU-Freihandelsabkommen mit dem südamerikanischen Handelsblock Mercosur, das Frankreich blockiert.

Während Paris auf stärkere Schutzmaßnahmen für seine Landwirte drängt, will Deutschland eine Wiederaufnahme der Verhandlungen unbedingt vermeiden. Berlin strebt eine rasche Ratifizierung des Abkommens an, da es darin einen potenziellen Aufschwung für seine leistungsstarke Exportindustrie sieht.

Doch all diese sorgfältig ausgearbeiteten Vereinbarungen werden nun von der politischen Unsicherheit in Paris überschattet. Macrons Amtszeit läuft noch bis 2027. In Kürze wird er wahrscheinlich schon wieder eine neue Regierung zusammenstellen müssen - die siebte in seiner Präsidentschaft. Diese Aussicht wirft Fragen darüber auf, wie viel Gewicht die in Toulon gemachten Zusagen tatsächlich haben werden, wenn Frankreich selbst in innenpolitische Turbulenzen gerät.

Adaption aus dem Englischen: Astrid Prange

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