1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Machtkämpfe

27. Oktober 2010

Der Streit um Wahltermine und Kandidaten überschattet das politische Geschehen in Nigeria seit Wochen. Gleichzeitig verbreiten Rebellen verschiedener Lager Angst und Schrecken.

Ausgebranntes Auto in Abuja, Nigeria (Foto AP)
Terroristen störten die Unabhängigkeitsfeiern Anfang Oktober mit AutobombenBild: AP

Noch im Juni war die Stimmung in Nigeria optimistisch: Präsident Goodluck Jonathan, erst seit ein paar Wochen als Nachfolger des verstorbenen Umaru Yar’adua im Amt, hatte Attahiru Jega zum neuen Chef der Unabhängigen Nationalen Wahlkommission (INEC) ernannt. Der Präsident der Bayero-Universität in Kano (Nigerias zweitgrößte Stadt im Norden) gilt als unbestechlicher Intellektueller. Drei Monate später fand sich Jega dann jedoch mitten im Machtkampf der zerstrittenen Eliten des Landes wieder. Vor dem Parlament musste er um eine Verschiebung des auf Januar vorgezogenen Wahltermins betteln. "Wir als Kommission ... haben immer wieder erklärt, dass wir bessere Ergebnisse erzielen werden, je mehr Zeit wir haben, sowohl bei der Wählerregistrierung als auch bei der Durchführung der Wahlen 2011."

Politiker, Rebellen und Terroristen nutzen die Wut der Massen für ihre ZweckeBild: AP

Streit über Kandidaten

Der Zeitpunkt der Wahl ist auch ein politisches Streitthema: Der frühere Termin im Januar sollte genügend Zeit lassen für den Fall, dass ein zweiter Wahlgang notwendig wird, so die Befürworter. Kritiker sehen es als einen Versuch, der Opposition möglichst wenig Zeit zur Vorbereitung auf die Wahl zu geben. Noch mehr als der Wahltermin bewegt die Nigerianer allerdings die Frage, ob nach den nur drei Amtsjahren des muslimischen Präsidenten Yar'adua sein christlicher Vize und Nachfolger Goodluck Jonathan zur Wahl antreten darf. Nach der Rückkehr des Landes zur Demokratie 1999 saß mit Olusegun Obasanjo schon einmal acht Jahre ein Christ aus dem Südwesten des Landes auf dem Präsidentensessel. Die meisten Politiker aus dem muslimischen Norden fordern deshalb eine weitere Amtszeit für einen Muslim.

Die religiöse und regionale Zugehörigkeit der Kandidaten treibt die Emotionen höher denn je. So sieht es auch Hussaini Abdu, Büroleiter der internationalen Menschenrechtsorganisation "Action Aid" in der nigerianischen Hauptstadt Abuja: "Dieses Mal ist das Land in dieser Frage noch tiefer gespalten. Das ist sehr ungesund. Aber ich glaube, so wie die herrschende Klasse in Nigeria organisiert ist, werden sie am Ende einen Konsens darüber finden, wo der Präsident herkommen soll." Wenn am Ende alle ihre persönlichen Interessen gewahrt sähen, dann würden sie sich auch einigen, glaubt Abdu. Das habe dann allerdings nichts mit den Interessen des nigerianischen Volkes zu tun.

Die Muslime im Land wollen den Christen Jonathan nicht zur nächsten Wahl zulassenBild: AP

Gewalt stört den politischen Prozess

Lediglich die Angriffe bewaffneter Gruppen scheinen derzeit den internen Machtkampf der Elite zu stören. Die Rebellengruppe MEND aus dem Niger-Delta wirft Bomben in der Hauptstadt. Und im Nordosten des Landes ermorden die wiedererstarkten Radikalislamisten der Gruppe "Boko Haram" im Wochenrhythmus Polizisten und führende Politiker. Abubakar Tsav, ehemaliger stellvertretender Polizei-Chef des Landes, sieht die aktuelle Gewaltwelle als Teil des politischen Machtkampfes. "Wir glauben, dass Politiker hinter diesen Problemen stecken. Man müsste diese Leute zur Verantwortung ziehen. Aber wer in diesem Land ein politisches Amt hat, der glaubt, er stehe über dem Gesetz."

Ausländische Einflüsse, etwa von Al-Khaida, sehen die Experten nicht. Noch gebe es keine Beweise dafür, obwohl internationale Terror-Netzwerke angekündigt haben, sich in Nigeria zu engagieren. Viele bewaffnete Gruppen haben ihre Wurzeln in früheren Wahlkämpfen, als Politiker sich ihre Privatarmeen schufen. Unter der Masse der perspektivlosen Jugendlichen finden sich immer wieder willige Kämpfer. Menschenrechtler sind sich deshalb einig, dass sich die Gewalt im Lande nur eindämmen lässt, wenn die Eliten endlich die sozialen Fragen ins Zentrum ihrer Politik stellen, anstatt die Menschen weiter entlang ethnischer und religiöser Linien zu spalten.

Autor: Thomas Mösch
Redaktion: Hans Sproß/Nicola Reyk

Den nächsten Abschnitt Mehr zum Thema überspringen