1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen
Politik

Machtkampf bei den Tories spitzt sich zu

30. September 2018

Die britischen Konservativen sind tief gespalten und suchen auf ihrem Parteitag in Birmingham nach einem Ausweg aus dem Brexit-Schlamassel. Premierministerin May ruft zur Geschlossenheit auf.

England Parteitag der Konservativen in Birmingham
Der Parteitag der Konservativen in Birmingham ruft auch Brexit-Gegner auf den PlanBild: Reuters/D. Staples

Kurz vor dem viertägigen Parteitag der Tories hat Parteichefin und Premierministerin Theresa May an ihre Partei appelliert, einen einheitlichen Brexit-Kurs einzuschlagen und sich hinter ihrem Plan zu versammeln. "Meine Botschaft an meine Partei ist, lasst uns zusammenkommen und das beste Abkommen für Großbritannien erzielen", sagte May dem britischen Sender BBC in Birmingham. Kritikern entgegnete sie, deren Wunsch nach freiem Handel sei das Herzstück ihrer Brexit-Vorschläge.

Rückendeckung für May kam von Außenminister Jeremy Hunt. Er warb bei seiner Rede am ersten Tag der Parteikonferenz für Einigkeit in Sachen Brexit in der Partei. Zugleich rief er die EU in scharfen Worten auf, ihre harte Verhandlungsführung gegenüber Großbritannien aufzugeben. Die EU dürfe nicht versuchen, die Briten für ihre Entscheidung zum EU-Austritt zu bestrafen. "Verwechseln Sie niemals britische Höflichkeit mit Schwäche, wenn Sie ein Land wie Großbritannien in die Enge treiben, geben wir nicht nach, wir kämpfen", sagte Hunt. Dem Nachfolger von Johnson als Chef des Außenamts werden selbst Ambitionen auf das Amt des Premiers nachgesagt.

Außenminister Hunt fordert mehr Entgegenkommen von der EU Bild: picture-alliance/empics/S. Rousseau

Unterdessen attackieren zwei ehemalige Minister erneut den ihrer Ansicht nach zu weichen Kurs der Parteichefin. Ex-Außenminister Boris Johnson beschimpfte die Pläne Mays als ein Ergebnis "geistiger Verwirrung" und "lächerlich". Seine Wortwahl war auch innerhalb der eigenen Partei umstritten. Der "Sunday Times" sagte Johnson weiter: "Im Gegensatz zur Premierministerin kämpfe ich für den Brexit." Was zurzeit passiere, sei nicht das, was den Menschen 2016 versprochen worden sei. Auch der frühere Brexit-Minister David Davis nannte Mays Pläne "einfach falsch". Zugleich bezifferte er die Wahrscheinlichkeit, dass die Regierung mit der EU noch ein Abkommen erziele, mit 80 bis 90 Prozent.

Im BBC-Interview ruft Premierministerin May ihre Partei zur Einheit aufBild: Reuters/BBC/J. Overs

Johnson entwirft Sechs-Punkte-Plan

Bereits am Freitag hatte Johnson Mays sogenannten Chequers-Plan erneut abgelehnt. Dieser sei eine "moralische und intellektuelle Erniedrigung" für Großbritannien. Zugleich legte der frühere Bürgermeister Londons in einem Gastbeitrag für die Zeitung "Daily Telegraph" einen eigenen Sechs-Punkte-Plan für den Austritt seines Landes aus der Europäischen Union vor.

Darin sprach sich Brexit-Hardliner gegen eine "Auffanglösung" für die Grenze zwischen Irland und Nordirland aus. Nach ihr würde Nordirland de facto im EU-Binnenmarkt bleiben. Stattdessen schlug er vor, die Zollkontrollen abseits der Grenze mit modernen technischen Methoden vorzunehmen, um eine "harte" Grenze zu vermeiden. Zudem warb er für ein Freihandelsabkommen mit der EU nach dem Vorbild des europäisch-kanadischen Ceta-Abkommens. Dieses hatte die meisten Zollschranken für die Exporte zwischen Kanada und der EU aufgehoben. Die Verhandlungen eines solchen Abkommens würden laut Johnson eine Verlängerung der Übergangszeit zum endgültigen Austritt bis 2020 erfordern.

Machtkampf in Birmingham

Die Tories sind wegen des Brexit tief gespalten. Vom Verlauf des viertägigen Parteitags könnte daher auch Mays politisches Schicksal abhängen. Sie gilt seit Längerem als angezählt. Dem Exzentriker Johnson wird nachgesagt, seine Rivalin beerben zu wollen. Johnson war im Juli - ebenso wie der damalige Brexit-Minister David Davis - aus Protest gegen Mays Pläne von seinem Amt zurückgetreten.

Zum Showdown dürfte es auf dem Parteitag am Dienstag bei Johnsons Rede kommen. Mays großer Auftritt ist am Abschlusstag des Parteitages geplant. Die Premierministerin signalisierte, dass sie auch nach der Trennung Großbritanniens von der Europäischen Union auf ihrem Posten bleiben möchte. Sie habe einen langfristigen Job zu erledigen, sagte sie der "Sunday Times".

Einer Forschergruppe zufolge kostet die Entscheidung der Briten zum EU-Austritt das Land jede Woche 500 Millionen Pfund (rund 560 Millionen Euro). Damit würden die Einsparungen durch künftig wegfallende Zahlungen an die EU zurzeit wieder zunichtegemacht. Die britische Wirtschaftskraft sei durch die Abstimmung für den Brexit im Juni 2016 etwa um 2,5 Prozent gesunken, teilte das Zentrum für Europäische Reformen am Sonntag mit.

EU bleibt auf Kurs

Großbritanniens Austritt aus der EU ist auf den 29. März 2019 festgelegt. Eine Übergangsphase für Wirtschaftsfragen bis Ende 2020 ist bereits jetzt im Austrittsvertrag vorgesehen. Auch bei den 27 EU-Partnern und der EU-Kommission stoßen Mays Pläne auf Ablehnung. Sechs Monate vor dem angepeilten EU-Austrittstermin stocken daher die Verhandlungen über ein Brexit-Abkommen. Ohne eine solche Vereinbarung droht ein ungeregelter Abschied aus der Staatengemeinschaft und mit potenziell großen politischen und wirtschaftlichen Verwerfungen.

EU-Bürger in Großbritannien

02:50

This browser does not support the video element.

Überschattet wurde der Auftakt zum Parteitag von einer Sicherheitslücke bei einer Konferenz-App, die dazu führte, dass die persönlichen Daten von Ministern und Abgeordneten der Tory-Partei am Samstag vorübergehend für jedermann zugänglich waren. Laut britischen Medienberichten erhielten mehrere Minister Anrufe von Unbekannten. Ein Parteisprecher betonte am Abend, das Problem sei behoben, die Daten seien wieder sicher. Die britische Datenschutzbehörde leitete nach eigenen Angaben eine Untersuchung des Vorfalls ein.

kle/rb (rtr, afp, dpa)

Den nächsten Abschnitt Mehr zum Thema überspringen