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Machtkampf eskaliert

Alexander Göbel / Dirk Bathe11. Februar 2009

Auf der Tropeninsel vor Afrikas Ostküste ist nichts mehr wie es war. Ein Blutbad mit vielen Toten und Verletzten vor dem Stadtpalast von Antananarivo hat die Nation tief gespalten.

Der madegassische Staatssender geht in Flammen aufBild: AP

Es ist die bisher blutigste Eskalation im erbitterten Machtkampf, der seit zwei Wochen zwischen Ravalomanana und seinem politischen Herausforderer Andry Rajoelina tobt. Schirmmützen, Blutlachen, Schuhe und ein ausgebranntes Polizeifahrzeug künden als stumme Zeugen von der Panik der letzten Tage. Ohne Vorwarnung hatten schwer bewaffnete Soldaten einer Eliteeinheit aus automatischen Waffen wahllos in eine demonstrierende Menschenmenge geschossen und ein Blutbad angerichtet. Auch die rund 40 in- und ausländischen Fotografen und Journalisten mussten hinter Mauern und in Eingängen in Deckung gehen. Der Kameramann einer lokalen Fernsehstation erreichte sie nicht mehr und starb im Kugelhagel. Seine Kollegen waren die ersten, die halfen und Verletzte bargen, die mit den Fahrzeugen eines benachbarten Hotels, mit Privatwagen oder einfach huckepack auf dem Rücken ins nächste Krankenhaus gebracht wurden.

Joghurt-Verkäufer gegen Disc-Jockey

Medienmogul und Präsident: Marc RavalomananaBild: picture-alliance/ dpa

Auf der an Bodenschätzen reichen Insel - vor drei Jahren wurde auch Öl gefunden - stehen sich Präsident Ravalomanana und sein politischer Herausforderer Andry Rajoelina im Kampf um die Macht gegenüber. Der eine ist ein ehemaliger Joghurt-Verkäufer, der andere ein ehemaliger Disc-Jockey - beide sind ehemalige Bürgermeister der Hauptstadt. Ravalomanana hatte bei seinem Reformkurs mit einsamen Entscheidungen, demonstrativer Anhäufung von Reichtum und der angeblichen Vergeudung von Staatsgeldern Unmut bei der bitterarmen Bevölkerung hervorgerufen. Sein politischer Rivale versucht sie für sich zu nutzen, um ihn staatsstreichähnlich aus dem Amt zu drängen.

Ravalomanana - Ostafrikas "Berlusconi"

Antananarivo: Der Druck der Straße wächstBild: AP

Schon kurz nach seiner Wiederwahl im Dezember 2006 hatte der madegassische Präsident Marc Ravalomanana einen klaren Plan, wie es mit der Insel weitergehen soll. MAP – Madagaskar Action Plan, hieß das Strategiepapier, mit dem schneller und effektiver die Armut bekämpft werden sollte. Für die Ideen wurde Ravalomanana international gelobt, vor allem für die genauen Zielvorgaben: Verdoppelung des Wirtschaftswachstums auf langfristig jährlich 12 Prozent, kräftige Steigerung ausländischer Investitionen, deutlich schlankere und billigere Verwaltung. Einiges davon hat die Regierung um Ravalomanana tatsächlich erreicht, so ist Madagaskar nicht mehr zweitärmstes Land der Welt, der Tourismus konnte deutlich zulegen und Fixkosten für die Gründung von Unternehmen gesenkt werden.

Imperiale Präsidentschaft

Abgesetzt: Bürgermeister und Oppositionsführer Andry RajoelinaBild: AP

Doch wer hat davon profitiert? Nur einer – meint Andry Rajoelina. Der ehemalige Bürgermeister der Hauptstadt Antananarivo meint seinen Lieblingsfeind – den Präsidenten. Denn der habe mit seinem Geflecht von Firmen wie der eigenen Supermarktkette, öffentliches Geld in die eigene Tasche gewirtschaftet. Weite Teile der viertgrößten Insel der Welt seien noch immer sehr arm und auch das Investment ausländischer Firmen sei nicht nur positiv. Viele Bauern hätten ihr Land verloren und ständen vor dem Nichts. Und aus dem Versprechen des Präsidenten, mehr Demokratie zu wagen, sei nichts geworden. Im Gegenteil, heute sei Madagaskar eine Diktatur. „Die Menschen wollen den Wechsel“, behauptet Rajoelina, „doch was ist die Antwort der Regierung? Schüsse!“

Junge Demokratie mit Hindernissen

Drängende Probleme: Mangelernährung auf dem LandBild: picture-alliance/ dpa

Und so gleicht die aktuelle Krise im Land einem Showdown zweier Kontrahenten, ausgetragen auf dem Rücken der Bevölkerung. Andry Rajoelina ist als führender Oppositioneller bekannt. Er hat die ersten Proteste gegen die Regierung vor einigen Wochen mitorganisiert – und sich dann als Präsident einer Übergangsregierung ernannt. Prompte Reaktion des Präsidenten: er ließ Rajoelina von seinem Amt als Bürgermeister der Hauptstadt Antananarivo absetzen. Zugleich ließ er Rajoelinas Fernsehsender schließen – nachdem dort ein Interview mit dem Expräsidenten Ratsiraka ausgestrahlt worden war. Ob Rajoelina tatsächlich einen vermeintlichen oder tatsächlichen Ausverkauf des Landes verhindern will, oder ob er nur den amtierenden Präsidenten beerben möchte ist völlig unklar – aber er hat es geschafft, die seit Monaten schwelende Unzufriedenheit bei vielen Madegassen zu bündeln. Und selbst wenn es Präsident Marc Ravalomanana gelingen sollte, die akute Krise zu überstehen – sein ungehemmter Neoliberalismus hat sich als politisches Programm für Madagaskar überlebt.

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