Machtkampf um die Milch
4. Juni 2008Wegen der ausbleibenden Frischmilch droht in der Branche inzwischen Kurzarbeit, wie der Milchindustrie-Verband am Montag (2.6.2008) mitteilte. Ein Lösung des Konfliktes ist noch nicht in Sicht. Zwar wollen Molkereien und Bauern dem Einzelhandel mit einer Linie entgegentreten. Doch die Erzeuger wollen ihren Lieferstopp erst beenden, wenn sie ihre Forderung durchgesetzt haben.
Der Bundesverband Deutscher Milchviehhalter (BDM) zeigte sich kämpferisch. "Unsere Bauern sind nicht bereit, auch nur einen Millimeter zurückzuweichen", sagte Verbandschef Romuald Schaber. Die Verträge zwischen den Handelsketten und den Molkereien seien unmoralisch. Nach seinen Worten erreichen wegen des Boykottes und der Blockaden 70 bis 80 Prozent der Milch nicht mehr die Betriebe.
Tausende Tonnen Milch weggekippt
Am Montag wurde nicht nur der Lieferboykott fortgesetzt. Mit Traktoren blockierten Bauern viele Molkereien, so dass Tankwagen mit ihrer Fracht umkehren mussten. Der Milchproduzent Nordmilch kritisierte die Aktionen: Lieferwillige Bauern seien gezwungen, gigantische Mengen frischer Milch in den Abfluss zu kippen. Nach Angaben des Unternehmens betrifft dies bis zu 12.500 Tonnen am Tag. Nach Angaben des Industrieverbandes organisieren die Unternehmen bereits Kurzarbeit.
Protestaktionen fanden wieder in ganz Deutschland statt. Allein in Bayern versammelten sich nach BDM-Angaben vor zwölf Molkereien Bauern, um gegen die Preispolitik zu demonstrieren. "Es herrscht ein bisschen Ausnahmezustand", sagte Verbandssprecherin Jutta Weiß. Durch die Bank hätten alle Molkereien mehr oder weniger Probleme. Um die Frischmilchversorgung sicherzustellen, seien Käse- und Milchpulverherstellung eingeschränkt worden.
Unterstützung bei der Bevölkerung
Die Bauern erhalten nach Angaben des Bundesverbands Deutscher Milchviehhalter viel Unterstützung aus der Bevölkerung. Autofahrer grüßten hupend oder führen winkend vorbei, sagte Landesverbands-Sprecherin Karin Voss.
Bauernvertreter hatten sich am Sonntag in Berlin mit der Industrie getroffen. Dabei einigten sich beide Seiten auf eine gemeinsame Strategie für Gespräche mit den Handelsketten, die im April eine drastische Senkung der Preise durchsetzten. Nach der Vereinbarung soll der Handel gezwungen werden, schnell die Preise für Milch und Milchprodukte wieder anzuheben. Die Molkereiwirtschaft sagte außerdem zu, innerhalb kürzester Frist entsprechende Verträge mit den Händlern zu schließen, wie der BDM mitteilte. Die Milchbauern wollen 43 Cent pro Liter durchsetzen. Derzeit erhalten sie nach eigenen Angaben maximal 35 Cent.
Bundestag berät über Situation der Bauern
Der Milchboykott beschäftigt inzwischen auch den Bundestag. Die FDP-Fraktion beantragte eine Aktuelle Stunde zu diesem Thema, wie die Partei mitteilte. Die Bundesregierung betreibe eine Symbolpolitik, die den Landwirten nicht helfe, ihre Einkommenssituation zu verbessern und höhere Preise durchzusetzen. Auch die Linkspartei äußerte Verständnis für das Vorgehen der Bauern. CSU-Chef Erwin Huber forderte vor einem Treffen mit Bauern einen Milchpreis von mehr als 40 Cent. (mg)