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PolitikChina

Machtkampf im südchinesischen Meer

Tommy Walker
16. Mai 2023

Beide Staaten streiten um Seegebiete und Fischereirechte. Der philippinische Präsident Ferdinand Marcos Jr. setzt auf Unterstützung durch die USA. China hat Gespräche angeboten, aber gleichzeitig mit Drohungen reagiert.

Der philippinische Präsident Ferdinand Marcos Jr. winkt während der Militärübung Balikatan, April 2023
Der philippinische Präsident Ferdinand Marcos Jr. (M.) während der Militärübung Balikatan, April 2023Bild: Ted Aljibe/AFP

Zwischen China und den Philippinen ist ein Streit um das sogenannte Second Thomas Shoal, ein knapp unter Wasser gelegenes Riff in der Spratly-Inselgruppe, entbrannt. Das Gebiet wird vom philippinischen Militär kontrolliert, doch China beansprucht es als eigenes Terrain.

Die Inselgruppe liegt im Südchinesischen Meer, durch das Jahr für Jahr Güter im Wert von Milliarden US-DollarSüdchinesische Meer transportiert werden. Die Spannungen auf der wichtigen Schifffahrtsroute nehmen seit Jahren zu. 

So stieß im April ein Schiff der chinesischen Küstenwache bei dem Versuch, ein philippinisches Patrouillenboot im Südchinesischen Meer zu blockieren, beinahe mit einem philippinischen Fischerboot zusammen. Nur einen Tag zuvor hatte sich der philippinische Präsident Ferdinand Marcos Jr. mit dem chinesischen Außenminister Qin Gang in Manila getroffen. Die philippinische Küstenwache warf China nach dem Vorfall eine "aggressive Taktik" vor.

Und im Februar dieses Jahres, nur ein Monat nach dem Besuch von Präsident Marcos Jr. bei seinem chinesischen Amtskollegen Xi Jinping in Peking, gab die philippinische Küstenwache bekannt, dass eines ihrer Schiffe zweimal mit einem militärischen Laser beschossen worden sei. Daraufhin sei die Besatzung vorübergehend erblindet.

Ein Schiff der chinesischen Küstenwache blockiert eine Patrouille der philippinischen Küstenwache, April 2023Bild: Aaron Favila/AP/picture alliance

Umkämpfte Fischereirechte 

"Die Philippinen beanspruchen die Wahrnehmung ihrer Fischereirechte innerhalb ihrer 'Ausschließlichen Wirtschaftszone' ", sagt Elaine Tolentino, Analystin für internationale Beziehungen an der De La Salle University-Manila. "Doch seitdem China mit der Besetzung und Militarisierung einiger Gebiete im Südchinesischen Meer begonnen hat, verweigert es diese."

Das Konzept der "Ausschließlichen Wirtschaftszone" (AWZ) - in ihr haben souveräne Staaten die Hoheitsgewalt über die dort lagernden natürliche Ressourcen - wurde 1982 im Rahmen des UN-Seerechtsübereinkommens etabliert.

Die Philippinen sind nicht das einzige Land, das sich über das Verhalten der Chinesen beklagt. Auch Indonesien, Malaysia und Vietnam haben sich in den vergangenen Jahren ebenfalls über in ihre Gewässer eindringende chinesische Schiffe beschwert.

Urteil aus Den Haag zugunsten der Philippinen

Bereits im Jahr 2016 hatte der Internationale Gerichthof in Den Haag in dem langjährigen Streit um die Besitzansprüche auf Gebiete im Südchinesischen Meer mit überwältigender Mehrheit zugunsten der Philippinen entschieden.

China wollte die sogenannte Neun-Strich-Linie festschreiben lassen - eine Demarkationsline, die Gebiete im Südchinesischen Meer umschließt, die China für sich beansprucht. Doch das Gericht in Den Haag erklärte diesen Anspruch für unzulässig. Zudem bezeichnete es die jüngsten Maßnahmen Pekings zur Landgewinnung und andere Aktivitäten in philippinischen Gewässern als nicht statthaft. China lehnt das Urteil allerdings ab.

Anfang Mai verkündete Präsident Marcos, China habe sich zu Gesprächen über die Fischereirechte bereit erklärt. Es solle eine "direkte Kommunikationslinie" eingerichtet werden. Oberstes Anliegen sei es, die maritime Sicherheit der Philippinen zu gewährleisten. Er habe die philippinische Küstenwache und das Außenministerium gebeten, eine Karte der Fischereigründe zu erstellen, so Marcos. Diese Karte wolle man dann der Regierung in Peking vorlegen.

Bilaterale Gespräche ohne Erfolg

Hinsichtlich der Erfolgschancen der Gespräche sei er skeptisch, sagt Jay Batongbacal, Professor für Seerecht an der Universität der Philippinen. "Selbst Vorschläge für neue Kommunikationskanäle sind sinnlos; die Philippinen und China hatten bereits 2017 die Einrichtung einer 'Hotline' zwischen den Küstenwachen angekündigt. Doch das hat nichts an Chinas aggressivem Verhalten geändert."

Bereits seit 2012 greife China "aktiv in die Fischereiaktivitäten" im Südchinesischen Meer ein, sagt Batongbacal. Ein Jahr später setzte China Fischereifahrzeuge und Seemilizen in großer Zahl ein, um in den wichtigsten Korallenriffen und den philippinischen Fang-Gründen zu fischen, so Batongbacal weiter.

"Zunächst übernahm China die Kontrolle über das Scarborough Riff. Anschließend breitete sich China in Richtung der Spratly-Inseln sowie der ausschließlich philippinischen Wirtschaftszone aus." Zwar gebe es derzeit Gespräche zwischen Peking und Manila. "Aber dabei ist bis heute nichts herausgekommen".

Der Flugzeugträger USS Nimitz Drill im südchinesischen Meer, Februar 2023 Bild: ABACA/picture alliance

Gestärkte Beziehungen zu den USA

Nach der schwierigen Phase der bilateralen Beziehungen unter Marcos' Vorgänger Rodrigo Duterte setzt der neue philippinische Präsident auf verstärkte Beziehungen zu den USA. So übten die Streitkräfte beider Staaten Mitte April in einem gemeinsamen Großmanöver. Insgesamt sei die Haltung der Philippinen gegenüber China robuster geworden, sagt Batongbacal. 

Chinas "Übergriffe und Zwang" hätten die Regierung dazu veranlasst, "die Verteidigungs- und Sicherheitsbeziehungen mit den USA und dem Westen zu stärken und zu vertiefen", so der Jurist. "Die Regierung hat zwar erklärt, dass sie weiterhin zu Gesprächen bereit sei. Dennoch greife China noch fester nach den philippinischen Gewässern und gehe immer aggressiver vor." Nun liege es an China, aufrichtige und vertrauensbildende Maßnahmen zu ergreifen.

Vermutlich werde China seine 'unbestreitbare Souveränität' über die von ihm beanspruchten Regionen im westphilippinischen Meer bekräftigen, erwartet Raymond M. Powell vom Gordian Knot Center for National Security Innovation an der Stanford University. Entsprechend werde Peking Manila dazu drängen, sich nicht auf Seestreitigkeiten zu konzentrieren oder seine Sicherheitsbeziehungen zu den Vereinigten Staaten auszubauen. "Stattdessen wird China die Notwendigkeit betonen, alle Streitigkeiten bilateral zu lösen und keine 'Außenstehenden' einzubeziehen - vor allem nicht die USA."

China werde die Philippinen wahrscheinlich vor weiteren "provokanten" Aktionen warnen, erwartet Powell, Oberst der US-Luftwaffe im Ruhestand. Dazu zähle aus Pekings Sicht etwa der Versuch, in das Second Thomas Shoal einzudringen oder die Aktivitäten von Chinas Sicherheitsschiffen zu veröffentlichen."

"China könnte implizite Drohungen aussprechen, indem es andeutet, dass jede weitere 'unkluge' Aktion der Philippinen zu Schwierigkeiten in den wirtschaftlichen Beziehungen zwischen den beiden Ländern führen könnte", so Powell.

Aus dem Englischen adaptiert von Kersten Knipp.

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