1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Machtlose Geheimdienst-Kontrolleure

Marcel Fürstenau19. August 2013

Seit den Enthüllungen über amerikanische und britische Spionage in Deutschland hat das Parlamentarische Kontrollgremium viel zu tun, kann aber nur wenig ausrichten. Ändert sich das nach der Bundestagswahl?

Ronald Pofallagibt ein Presse-Statement ab (Foto: dpa)
Bild: picture-alliance/dpa

Auf dem Papier liest es sich ganz gut. Laut "Gesetz über die parlamentarische Kontrolle nachrichtendienstlicher Tätigkeit des Bundes" ist die Regierung verpflichtet, das geheim tagende Gremium (PKGr) über "Vorgänge von besonderer Bedeutung" zu unterrichten. Diese Voraussetzung ist im Falle von Edward Snowden eindeutig erfüllt. Der frühere Mitarbeiter des US-Auslandsgeheimdienstes NSA hatte enthüllt, was US-amerikanische und britische Geheimdienste in Deutschland angeblich so treiben.

Snowdens erhobene Vorwürfe der systematischen, flächendeckenden Kontrolle des Internets haben eine selten erlebte Geschäftigkeit des deutschen Geheimdienst-Kontrollgremiums ausgelöst. In ruhigeren Zeiten muss das PKGr mindestens einmal pro Quartal zusammentreten. Im Moment finden die Treffen in einem abhörsicheren Raum des Bundestages fast wöchentlich statt – trotz parlamentarischer Sommerpause. Für die elf Mitglieder aller fünf im Parlament vertretenen Fraktionen bedeutet das im ungünstigsten Fall, den Urlaub unterbrechen zu müssen.

Journalisten warten regelmäßig auf Pofalla

Außergewöhnlich ist auch die ansonsten untypische Öffentlichkeit, in der sich das Gremium seit Wochen bewegt. Schon lange vor dem Beginn der Sitzung warten Dutzende Journalisten auf die parlamentarischen Geheimdienst-Kontrolleure und Angela Merkels Kanzleramtsminister Ronald Pofalla (im Artikelbild). Der ist zugleich Koordinator für die drei Geheimdienste des Bundes. In der NSA-Affäre gilt das besondere Interesse dem für das Ausland zuständigen Bundesnachrichtendienst (BND), der seit Jahrzehnten eng mit der NSA zusammenarbeitet.

Die NSA-Affäre versandet

01:29

This browser does not support the video element.

Pofalla betont jedes Mal, dass es seitens des BND keine Rechtsverstöße gegeben habe. In der vergangenen Woche hatte er auch die vielen Fragen der parlamentarischen Kontrolleure für restlos beantwortet erklärt. Doch am Montag (19.08.2013) sprach Pofalla davon, dass man "bei der Klärung von Detail-Aspekten in der vergangenen Woche wieder weiter vorangekommen" sei. Also erhält auch Angela Merkels Geheimdienst-Koordinator nach wie vor Informationen, über die er vorher nicht verfügte oder die er dem PKGr vorenthalten hatte.

FDP-Initiative scheint plötzlich mehrheitsfähig zu sein

Kein Wunder, dass selbst Hartfrid Wolff von den mitregierenden Freidemokraten (FDP) unzufrieden ist. Die Informationen aus den USA und Großbritannien kämen nur "tröpfchenweise", die Aufklärung sei "noch nicht zu Ende". Wolff regt deshalb an, künftig mit den Geheimdienst-Kontrolleuren anderer Länder zusammenzuarbeiten. Was man von befreundeten Diensten bekomme, müsse außerdem "gegengeprüft" werden, verlangt der Liberale und erinnert an einen Gesetzentwurf seiner Fraktion vom Februar. Die FDP schlägt darin unter anderem vor, im PKGr einen ständigen Sonderermittler zu beschäftigen, der mit entsprechender personeller und finanzieller Ausstattung den Geheimdiensten professionell auf die Finger schauen kann.

Hartfrid Wolffs Idee findet AnklangBild: picture-alliance/dpa

Unter dem Eindruck der Enthüllungen des Whistleblowers Edward Snowden sprechen inzwischen alle Parteien von Handlungsbedarf. Das mag auch daran liegen, dass am 22. September ein neuer Bundestag gewählt wird. Entscheidend dürfte allerdings das allgemeine Unbehagen darüber sein, im digitalen Zeitalter von Freund und Feind ausgespäht werden zu können. Dabei geht es auch um den Vorwurf der Wirtschaftsspionage. Offenbar setzt sich die alte Erkenntnis durch, dass Vertrauen gut, Kontrolle aber besser ist – auch gegenüber Verbündeten.

Bundesregierung setzt auf Anti-Spionage-Abkommen

Es dürfte kein Zufall sein, dass die Bundesregierung nach den Worten von Geheimdienst-Koordinator Pofalla nun ein Anti-Spionage-Abkommen mit den USA anstrebt. Das wiederum hält der Vorsitzende des Parlamentarischen Kontroll-Gremiums, Thomas Oppermann (SPD), so lange für sinnlos, wie man nichts über Ausspäh-Programme wie "Prism" und "Tempora" wisse. Damit zapfen die USA und Großbritannien laut Snowden Glasfaserkabel und Internet-Knotenpunkte an. "Wir brauchen eine belastbare Vereinbarung über den Grundrechtsschutz in Deutschland", ist deshalb Oppermanns zentrale Forderung.

Auch der CSU-Politiker Hans-Peter Uhl sorgt sich inzwischen um die Datensicherheit in Deutschland. Noch Ende Juli verglich er Berichte über Edward Snowdens Enthüllungen mit den gefälschten Hitler-Tagebüchern, mit denen sich in den 1980er Jahren die Illustrierte "Stern" blamiert hatte. Nun sagt PKGr-Mitglied Uhl, man müsse sich schon Gedanken machen, wie die elektronische Kommunikation so abwickelt werde, "dass wir auch für Vertraulichkeit sorgen können". Uhl schwebt eine technisch unabhängige Lösung "made in Germany" vor. Deutschland müsse diesbezüglich souveräner werden. "Wir brauchen keine digitale Besatzungsmacht, egal aus welcher Himmelsrichtung", stellt Uhl klar.

Auch Kanzlerin Merkel für bessere Kontrolle

Wie auch immer die Bundestagswahl in knapp fünf Wochen ausgehen wird, die dann neu zu wählenden Geheimdienst-Kontrolleure dürfen auf mehr Rechte hoffen. Unter dem Eindruck der technischen Überwachungsmöglichkeiten plädiert nun nämlich auch Bundeskanzlerin Angela Merkel für eine Reform des PKGr-Gesetzes. Das würde ein "Umdenken" bei Geheimdienstmitarbeitern mit sich bringen und sie an ihre Pflicht erinnern, bestimmte Aspekte ihrer Arbeit transparent zu machen, hofft Merkel.

Den nächsten Abschnitt Mehr zum Thema überspringen