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Machtspiele im Jemen

Kersten Knipp1. September 2014

In der jemenitischen Hauptstadt Sanaa demonstrieren Zehntausende Huthi-Rebellen für politische Mitsprache. Ihr Protest wirft ein Licht auf die Konflikte des Landes. Diese machen sich auch die Nachbarstaaten zunutze.

Huthi-Proteste in Sanaa, 18.08.2014 (Foto: Reuters)
Bild: Reuters

Zehntausende Huthi-Rebellen marschieren durch Sanaa, der Hauptstadt des Jemens. Die zentralen Verkehrsachsen der Stadt halten sie ebenso besetzt wie die Zufahrt des Parlaments. Mit der Blockade wollen sie den Rücktritt der Regierung von Premierminister Mohammed Basindwa erreichen - jener "Regierung der nationalen Einheit", in der die Huthi nicht vertreten sind und von der sie nicht repräsentiert werden.

Zwar entzündeten sich die Proteste an einer zuletzt beschlossenen Erhöhung des Benzinpreises. Das eigentliche Anliegen der Demonstranten ist aber eine stärkere Beteiligung an der Macht. "Die Huthi fordern keinen eigenen Staat", erläutert Ariela Gross, Leiterin der Friedrich-Ebert-Stiftung in Sanaa. "Ebenso wie ander Akteure im Jemen gegenwärti versuchen, ihren Einfluss auf die Zeit nach der politischen Transitionsphase zu sichern, wollen auch die Huthies sich als politische Macht etablieren." Nach Angaben der Online-Ausgabe der Zeitung "Yemen Post" hatte Huthi-Führer Abdulmalik al-Huthi am Sonntagabend zu den Maßnahmen aufgerufen. Al-Huthi drohte demnach mit einer weiteren Eskalation des Konflikts, sollten seine Forderungen nicht erfüllt werden. Der UN-Sicherheitsrat hatte die Rebellen zuvor aufgerufen, ihre Lager und Straßensperren rund um Sanaa aufzulösen. Der Rat drohte ihnen mit Sanktionen.

Die Huthi, die sich nach ihrem 2004 verstorbenen Führer Hussein Badreddin al-Houthi nennen, sind eine politische Gruppierung aus dem Umfeld der schiitischen Zaiditen. Sie stellen ungefähr ein Drittel der jemenitischen Bevölkerung. Im sunnitisch dominierten Jemen sehen sie sich auch nach der Revolution nicht hinreichend vertreten. Der sogenannte Huthi-Konflikt stehe dabei für eine Reihe miteinander in Beziehung stehender Auseinandersetzungen, in denen tribale, konfessionelle Konfliktlinien sowie Auseinandersetzungen zwischen Angehörigen des alten Regimes und den Huthi eine Rolle spielen und die für eine höchst komplexe und äußert schwer zu lösende Gemengelage sorgten, erklärt Gross. Seit die Umwandlung des Jemen in eine politische Föderation mit sechs Teilstaaten beschlossene Sachen ist, bemühen sie sich verstärkt um ein größeres politisches Gewicht.

Der Zorn der Schiiten: Huthi-Demonstranten in SanaaBild: Reuters

Die Wirtschaft stagniert

Die Demonstration der Huthi-Rebellen fällt in eine Zeit hochgradiger politischer und ökonomischer Spannungen. Die meisten Jemeniten litten unter der schwierigen wirtschaftlichen Lage des Landes, sagt Gross. "Bislang hat es für die jemenitische Bevölkerung noch keine wirtschaftliche Transitionsdividende gegeben. Stattdessen wird die wirtschaftliche Lage immer schlechter, die Arbeitslosigkeit ist enorm hoch - insbesondere bei den Jugendlichen, wo sie fast 60 Prozent erreicht. Der jemenitischen Bevölkerungen werden immer größere Lasten zugemutet, während die wirtschaftliche Lage stagniert."

Die politische Krise des Jemen machen sich auch einige der Nachbarländer zunutze. So versucht der Iran über die Huthi einen Fuß in den Jemen und damit auf die arabische Halbinsel zu bekommen. Im Syrienkonflikt ist die Rivalität zwischen Schiiten und Sunniten offen entbrannt. Seitdem versuchen die Führungsmächte der beiden Konfessionen, der Iran auf der einen und Saudi-Arabien auf der anderen Seite, ihren jeweiligen Einflussbereich zu erweitern. Zwar nähern sich beide Länder angesichts des Vorrückens der Terrororganisation "Islamischer Staat" in Syrien und im Irak derzeit wieder vorsichtig einander an. Doch noch sind die Rivalitäten nicht ausgeräumt.

Saudi-Arabien fürchtet politische Veränderungen

Indem der Iran nun die Huthi unterstützt, stößt er gleichzeitig die Tür zur schiitischen Minderheit in Saudi-Arabien auf - denn diese ist mit den Huthi über Stammes- und Familienbeziehungen eng verbunden. Allerdings trete der Iran im Jemen nicht so offen auf wie etwa im Libanon, auf dessen politischen Prozess er über die Hisbollah starken Einfluss nehme, sagt Gross. "Aber der Iran ist im Jemen präsent und schürt das konfessionelle Element zusätzlich."

Schützer eines bedrängten Staats: jeminitisches MilitärBild: Reuters

Saudi-Arabien seinerseits ist sehr besorgt über das Erstarken einer schiitischen Gruppe an seiner südlichen Landesgrenze. Es fürchtet, die saudischen Schiiten könnten sich mit ihren Glaubensbrüder im Jemen solidarisieren. Ebenso großes Kopfzerbrechen bereitet der politische Gesamtprozess des Nachbarlandes. Das konservative Saudi-Arabien steht den seit 2011 anhaltenden politischen Veränderungen sehr verhalten gegenüber. Das saudische Königshaus fürchtet politische und religiöse Veränderungen. Wie es den sozialrevolutionären Kurs der ägyptischen Muslimbrüder ablehnte, schaut es nun beunruhigt auf den zähen Demokratisierungsprozess im Jemen. "Bei allen Fehlern, die die jemenitische Demokratie hat, basiert sie doch auf einem republikanischen Regierungssystem - dem einzigen auf der arabischen Halbinsel. Dieser Umstand sowie der politische Transformationsprozess lässt die saudische Monarchie sehr misstrauisch werden", sagt Gross.

Doch der Protest der Huthi ist nicht der einzige Brennpunkt des Jemens. Die Regierung in Sanaa sieht sich auch einer starken Präsenz der Terrororganisation von Al-Kaida gegenüber. Sie ist vor allem im Süden des Landes präsent. Dessen prekäre wirtschaftliche Lage, die hohe Arbeitslosigkeit ebenso wie die stark vernachlässigte Infrastruktur kommen Al-Kaida sehr entgegen. "Die Organisation nutzt die desolate Situation, um neue Anhänger zu rekrutieren", erklärt die Expertin der Friedrich-Ebert-Stiftung.

Profiteure des Elends: Al-Kaida Kämpfer im JemenBild: AFP/Getty Images

In den knapp 25 Jahren ihres Bestehens hat sich Al-Kaida stark gewandelt. Von einer geschlossenen, streng hierarchisch gegliederten Organisation ist sie zu einem losen Netzwerk geworden, dem die unterschiedlichsten Gruppen mit unterschiedlichsten Zielen und Vorstellungen angehören. So werden Al-Kaida in Libyen immer wieder Verbindungen zu Angehörigen des gestürzten Gaddafi-Regimes nachgesagt. Diese, so der Vorwurf, versuchten mithilfe sunnitischer Extremisten ihren verlorenen Einfluss wieder zurückzuerobern. Ähnlich verhält es sich im Jemen. "Es gibt viele Anzeichen dafür, dass Al-Kaida Verbindungen zu Personen des alten Regimes hat", sagt Ariela Gross. "Darüber kann Al-Kaida den politischen Transitionsprozess auch ganz erheblich stören."

Der Jemen steht vor zahlreichen Problemen. Wirtschaftlich geht es quälend langsam aufwärts. Die politischen Herausforderungen lassen sich vielleicht leichter lösen. Sie setzen allerdings die Bereitschaft voraus, alle Bevölkerungsgruppen am politischen Prozess zu beteiligen. Gelingt dies, könnte das auch den Demonstrationen einen erheblichen Teil ihrer Wucht nehmen.