Seit Jahren wird der Jemen von einem bewaffneten Konflikt zerrissen. An der Spitze der Regierung saß dabei Präsident Hadi - aus Sicht von Kritikern ein Handlanger Saudi-Arabiens. Nun tritt er seine Macht ab.
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Der Jemen soll künftig von einem präsidialen Führungsrat regiert werden. Der Präsident der international anerkannten Regierung des Jemen hat seine Macht überraschend an einen neu gegründeten "Präsidialrat" abgegeben. "Ich übertrage diesem Präsidialrat unwiderruflich meine vollen Befugnisse", sagte Präsident Abed Rabbo Mansur Hadi in einer im Fernsehen übertragenen Erklärung - also zu Beginn des letzten Tages von Friedensgesprächen in der saudi-arabischen Hauptstadt Riad. Bei diesen Gesprächen ist allerdings eine Konfliktpartei nicht dabei: die Huthi-Rebellen, die den Jemen 2014 überrannt hatten.
Der neue Rat solle das Land übergangsweise führen und mit den Huthi-Rebellen auch über eine "endgültige und umfassende" Lösung des jahrelangen Bürgerkriegs verhandeln. Der sogenannte "präsidiale Führungsrat" solle den Jemen politisch, militärisch und mit Blick auf Sicherheitsfragen für eine "Übergangszeit" leiten, heißt es im Dekret. Damit komme er einer Initiative des aus sechs Mitgliedern bestehenden Golf-Kooperationsrates aus dem Jahr 2011 nach, erklärte Hadi.
"Folgenreichste Veränderung seit Beginn des Krieges"
Das Mandat des Rats soll auslaufen, wenn "vollständiger Frieden" im Land wiederhergestellt ist. Der Gremium, das nun den Jemen regieren wird, soll aus acht Mitgliedern bestehen und von Raschad al-Alimi geleitet werden, einem ehemaligen Innenminister und Berater von Hadi. Er hat die Unterstützung Saudi-Arabiens.
Es handle sich um die "folgenreichste Veränderung in der inneren Struktur des Anti-Huthi-Blocks seit Beginn des Krieges", so die Analyse des Jemen-Experten der International Crisis Group, Peter Salisbury. Innerhalb der Koalition, die im Jemen gegen die Huthi-Rebellen kämpft, hatte es immer wieder Streit gegeben. Nun gibt es Hoffnung, dass diese Konfliktpartei bei künftigen Verhandlungen mit den Huthis geeinter auftreten könnte.
Im Jemen herrscht seit 2015 Krieg zwischen den von arabischen Staaten unterstützten Truppen von Präsident Abd Rabbo Mansur Hadi und den Huthi-Rebellen. Er ist auch zu einem Stellvertreterkrieg zwischen Saudi-Arabien und dem Iran geworden. Während der Iran die schiitischen Huthi-Rebellen unterstützt, führt Saudi-Arabien eine Gruppe sunnitisch geprägter Golf-Staaten an.
Der Krieg hat das stark verarmte Land zermürbt. In dem Konflikt wurden nach UN-Angaben bereits rund 380.000 Menschen getötet, Millionen weitere mussten flüchten. Die UNO betrachtet die Krise im Jemen als größte humanitäre Katastrophe weltweit.
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Hoffnung auf Entspannung
Zuletzt gab es Hoffnung auf eine zumindest vorübergehende Entspannung des Konflikts. Am Samstag trat zum Beginn des muslimischen Fastenmonats Ramadan eine Waffenruhe in Kraft - die erste landesweite Feuerpause seit 2016. Die Gewalt ging nach UN-Angaben seitdem deutlich zurück.
Drohende Hungersnot im Jemen
Kinder drohen zu verhungern, Menschen kämpfen ums Überleben: Die Lage im Kriegsland Jemen ist düster. Lebensmittel müssen rationiert werden, weil Gelder fehlen. Bei einer Geberkonferenz sollen Spenden gesammelt werden.
Bild: Mohammed Mohammed/XinHua/dpa/picture alliance
Fehlende humanitäre Hilfe
Die humanitäre Lage im Bürgerkriegsland Jemen spitzt sich weiter zu. Nach Angaben des UN-Welternährungsprogramms (WFP) sind 13 Millionen Jemeniten vom Hungertod bedroht. Die Gründe seien der langwierige Bürgerkrieg und fehlende Mittel für humanitäre Hilfe.
Bild: Khaled Ziad/AFP/Getty Images
40 Prozent brauchen Unterstützung
Seit Ausbruch der Corona-Pandemie haben weltweit noch mehr Menschen nicht genug zu essen. Der Jemen befindet sich dabei in einer besonders schlechten Situation - dort sind bereits mehr als 40 Prozent der Bevölkerung von Nahrungsmittellieferungen des Welternährungsprogramms abhängig.
Bild: Khaled Abdullah/REUTERS
Das Geld geht aus
"Wir ernähren 13 Millionen Menschen in einem Land mit 30 Millionen Einwohnern, und uns geht das Geld aus", sagte David Beasley, Chef des WFP, kürzlich der Agentur AP. Dies mache dringend notwendige Hilfen noch schwieriger. "Was soll ich also für die Kinder im Jemen tun?!" fragte er. Er könne auch nicht anderen hungernden Kindern in anderen Ländern Nahrung wegnehmen. "Das ist nicht richtig."
Bild: Giles Clarke/UNOCHA/picture alliance
Nicht alle bekommen die volle Ration
Corinne Fleischer, WFP-Direktorin für Nahost und Nordafrika, sagt, dass derzeit nur noch vom Hungertod bedrohte Menschen volle Rationen bekommen könnten. Dies betreffe fünf Millionen Menschen. Das bisherige Spendenaufkommen decke nur 18 Prozent der fast zwei Milliarden Dollar ab, die das WFP für seine Arbeit im Jemen benötigt, sagt sie.
Bild: Mohammed Mohammed/XinHua/dpa/picture alliance
Auswirkungen des Ukraine-Kriegs
Der Krieg Russlands gegen die Ukraine droht die Situation im Jemen weiter zu verschärfen. Die UN-Organisation WFP bezieht 50 Prozent ihres Getreides aus der Ukraine. Schon vor Beginn des Krieges hatte dieses sich so immens verteuert, dass die Lebensmittelmittel-Rationen stark gekürzt werden mussten. Auch die Weltbank geht davon aus, dass sich die Hungerkrise noch einmal deutlich verschärfen werde.
Bild: AHMAD AL-BASHA/AFP/Getty Images
Andauernder Bürgerkrieg
Seit über sieben Jahren tobt im Jemen überdies ein blutiger Bürgerkrieg, in den auch ausländische Mächte involviert sind. Seit 2015 unterstützt eine von Saudi-Arabien geführte Koalition die Regierung des Landes, der Iran steht den Huthi-Rebellen zur Seite, die weite Teiles des Landes kontrollieren - inklusive der Hauptstadt Sanaa.
Bild: imago images/Xinhua
Chaos in Aden
Die südjemenitische Stadt Aden wird seit 2020 von Separatisten verwaltet, die von den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE) unterstützt werden. Eigentlich hat die international anerkannte Regierung unter Abed Rabbo Mansur Hadi dort ihren Sitz, seit die Huthis sie aus Sanaa vertrieben hat. Auch Terrorgruppen sind aktiv - unser Bild zeigt Schäden nach einem Anschlag mit acht Toten in Aden 2021.
Bild: Wael Qubady/AP Photo/picture alliance
Flucht vor Bomben
Besonders erbittert wird die Schlacht um Marib geführt. Die Stadt gilt als strategisch entscheidend. Marib ist die letzte Hochburg der offiziellen Regierung im Norden. Dort herrscht Dauerbeschuss, die saudische Allianz bombardiert aus der Luft. Leidtragende sind auch hier die Zivilisten: Sie müssen immer wieder aus den Flüchtlingslagern fliehen und weiterziehen, weil die Fronten sich verschieben.
Bild: AFP /Getty Images
Überfüllte Krankenhäuser
Die medizinische Versorgung ist heute noch schlechter als sie es vorher war. Nicht nur der Krieg, sondern auch die Corona-Pandemie haben die Lage im ärmsten Land der Arabischen Halbinsel verschärft.
Bild: Abdulnasser Alseddik/AA/picture alliance
Bildung: Opfer des Krieges
Die Bildung der Kinder im Jemen sei zu einem der größten Opfer des Krieges geworden, schreibt UNICEF in einem Bericht von 2021. Mehr als zwei Millionen Mädchen und Jungen im schulpflichtigen Alter gehen derzeit nicht in die Schule - doppelt so viele Kinder wie 2015, als der Krieg begann. Viele Schulen wurden bombardiert.
Bild: Mohammed Al-Wafi /AA/picture alliance
Mangel überall
Im Jemen fehlt es an fast allen - auch an Strom, sauberem Wasser, Benzin und Gas. Die Schlangen an den Tankstellen werden immer länger. Ohne zusätzliche Hilfsgelder dürfte sich die Abwärtsspirale von Elend und Leid immer weiterdrehen.
Bild: Mohammed Huwais/AFP/Getty Images
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Hadi ist seit 2012 im Amt, erwies sich aber als zu schwach, um das vielfach gespaltene Land zusammenzuhalten. Während des Vormarschs der Huthis floh er ins Exil nach Riad. Kritiker betrachten ihn als eine Marionette von Saudi-Arabiens Militärbündnis, das immer wieder erklärt, nur auf Anfrage der Hadi-Regierung im Jemen zu kämpfen.
Zugleich war der international anerkannte Präsident ein letztes Symbol staatlicher Legitimität im Jemen. Die Gründung eines Präsidialrats, eine Art kollektives Staatsoberhaupt, gilt nun jedoch als möglicher Weg zu einer politischen Lösung des Kriegs. In dem Land auf der Arabischen Halbinsel gab es solch einen Rat in vergangenen Jahrzehnten schon mehrfach.