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Politik

Machtwechsel in der SPD

19. März 2017

Gefühlt ist Martin Schulz bereits die "Nummer 1" der SPD. Jetzt will er es auch offiziell werden. Ein Sonderparteitag soll ihn zum Parteivorsitzenden und Kanzlerkandidaten küren. Aus Berlin Sabine Kinkartz.

Martin Schulz SPD wird Kanzlerkandidat
Bild: Reuters/F. Bensch

Abschied und Neuanfang - das sind die beiden Pole, zwischen denen sich die SPD in diesen Tagen bewegt. Wobei der Abschied möglichst klein gehalten werden soll. Nichts soll die Aufbruchsstimmung in der Partei stören. Beispielhaft war das kürzlich in Wolfenbüttel zu sehen. Die niedersächsische Kleinstadt gehört zum Wahlkreis von Sigmar Gabriel. In erster Linie war die in einer Turnhalle stattfindende SPD-Delegiertenkonferenz dazu gedacht, den Bundesaußenminister als Direktkandidaten für die Bundestagswahl zu bestätigen. Gleichzeitig hatte Gabriel aber auch seinen letzten Auftritt als SPD-Vorsitzender.

Ein denkwürdiger Auftritt. Alle Redner lobten ihren scheidenden Parteichef in den Himmel, die Basis feierte ihn überschwänglich. Am Ende stimmten 99 Prozent für seine Bundestagskandidatur. Der Applaus wollte gar nicht enden. Plötzlich war sie da, jene Anerkennung und Wärme, die sich Sigmar Gabriel in seinen mehr als sieben Jahren als SPD-Parteivorsitzender gewünscht hätte. Doch nun ist es zu spät und passt vor allem nicht in die parteipolitische Choreographie dieser Tage. Jubel, Applaus und positive Energie sollen sich nur auf einen fokussieren: Martin Schulz. 

Alles für den Neuen

Der zukünftige Parteichef und designierte Kanzlerkandidat war auch in Wolfenbüttel. Als Laudator für Gabriel. Qua Funktion hätte er eigentlich in der zweiten Reihe stehen müssen. Doch so läuft das nicht mehr. Sigmar Gabriel tut seit seiner Ankündigung, er werde Schulz die Kanzlerkandidatur und daher auch den SPD-Parteivorsitz überlassen, alles, um seinem Nachfolger die Bühne zu bereiten und sich selbst möglichst nachhaltig aus dem Scheinwerferlicht zu stehlen.

Schulz und Gabriel demonstrieren dicke Freundschaft Bild: picture-alliance/dpa/K. Nietfeld

Dabei geht er bis zur Selbstverleugnung. "Ich bin zufrieden und glücklich", antwortet Gabriel auf die Frage eines Journalisten nach seinem Gemütszustand. "Wenn man auf einmal merkt, dass die SPD das Potenzial, das sie seit 2009 nie richtig ausschöpfen konnte, dass sie mit Martin Schulz in der Lage ist, dieses Potenzial auszuschöpfen und auch noch auszubauen: Was gibt es Schöneres für einen SPD-Vorsitzenden, als darauf hingearbeitet zu haben."  

Er lächelt, auch wenn es weh tut

Eine Bilanz, die schmerzen muss. 2009 war das Jahr, in dem er den Parteivorsitz übernahm. Nach siebeneinhalb Jahren wird er diesen Vorsitz am Sonntag abgeben. Im Ende Februar verschickten, vorläufigen Programm für den Sonderparteitag war er noch nicht einmal als Redner vorgesehen. Da waren Gabriel nur die Begrüßung und ein paar einleitende Worte zugedacht. Im finalen Programmentwurf übernimmt das Hannelore Kraft. In Nordrhein-Westfalen wird im Mai gewählt, es ist also gut, wenn auch die Ministerpräsidentin ein wenig im Scheinwerferlicht stehen kann.  

Um 11.30 Uhr soll der Parteitag in einem beliebten Berliner Eventcenter an der Spree beginnen. 3000 Gäste werden erwartet, darunter rund 500 Journalisten. Auf dem Ablaufplan steht in der Reihenfolge: "Rede Sigmar Gabriel" und "Rede Martin Schulz". Gabriel wird den Laudator für Schulz geben - so selbstlos, wie eben möglich.

Es geht nur noch um Schulz, den Heilsbringer. "Sankt Martin" titelte das Nachrichtenmagazin "Der Spiegel" über den Politiker, der in den vergangenen Wochen allein durch seine Präsenz dafür gesorgt hat, dass die SPD wie Phoenix aus der Asche auferstanden ist und sich in den Umfragen derzeit auf der Überholspur befindet.  

Die Lichtgestalt

Martin Schulz steht für einen Neuanfang. Auch innerhalb der SPD. Er will vieles anders machen als sein Vorgänger, die "soziale Gerechtigkeit" wieder in den Mittelpunkt der sozialdemokratischen Politik stellen. Sinnbildlich dafür steht seine Kritik an Hartz IV, an der Agenda 2010. Der frühere SPD-Bundeskanzler Gerhard Schröder hatte das Konzept zur Reform des deutschen Sozialsystems und Arbeitsmarktes zwischen 2003 und 2005 durchgesetzt. Seitdem liegt es der SPD schwer im Magen.

Vor allem der linke Parteiflügel in der SPD ist mit den Hartz-Reformen nie warm geworden und freut sich über die neue Marschrichtung. Vielleicht auch deswegen wird Gerhard Schröder auf dem Sonderparteitag am Sonntag nicht anwesend sein. Kein Misston, kein Streit soll den Moment trüben, in dem Martin Schulz den Staffelstab in der SPD übernimmt. Es geht um schöne Bilder und um große Gefühle. Von Berlin soll ein Signal ausgehen, das auf dem Weg zur Bundestagswahl möglichst lange tragen soll: grenzenloser Siegeswille.  

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