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Politik

Macron-Lager verliert absolute Mehrheit

20. Juni 2022

Bittere Niederlage für den französischen Präsidenten: Sein Mitte-Lager verfehlt bei der Parlamentswahl die absolute Mehrheit. Deutliche Zuwächse gibt es für das neue links-grüne Bündnis Nupes und die Rechtspopulisten.

Emmanuel Macron
Der Ausgang der Wahl ist bitter für den französischen Präsidenten Emmanuel Macron Bild: Ludovic Marin/AFP/Getty Images

In der zweiten und entscheidenden Runde der Parlamentswahl in Frankreich hat das Mitte-Lager Ensemble von Präsident Emmanuel Macron die absolute Mehrheit klar verfehlt. Die Liberalen kommen nach dem vorläufigen amtlichen Endergebnis auf 245 der 577 Sitze in der Nationalversammlung. Das erst vor kurzem gegründete links-grüne Bündnis Nupes - angeführt von Linkspolitiker Jean-Luc Mélenchon - wird mit 131 Mandaten im Parlament vertreten sein. Das Bündnis wird damit als mächtigste Oppositionsgruppe mehr Einfluss erhalten. "Wir haben unser Ziel erreicht und denjenigen zum Fall gebracht, der mit Arroganz das Land misshandelt hat", sagte der linkspopulistische Ex-Präsidentschaftskandidat Mélenchon. Er war selber nicht angetreten, hatte sich aber als Premierminister ins Gespräch gebracht. 

Für die absolute Mehrheit in der Pariser Nationalversammlung wurden mindestens 289 Sitze benötigt.

Das Ergebnis ist ein schwerer Schlag für Macron, dessen Lager derzeit noch die absolute Mehrheit im Unterhaus des Parlaments hält. Denn normalerweise wird die kurz nach der Präsidentschaftswahl abgehaltene Parlamentswahl als Bestätigung gesehen, so dass oft die gleiche politische Kraft mit absoluter Mehrheit siegt.

Linkspolitiker Jean-Luc Mélenchon nach den ersten Hochrechnungen vor jubelnden Anhängern Bild: BERTRAND GUAY/AFP

Rechtsnationale legen erheblich zu

Ebenfalls einen spektakulären Zuwachs verbucht die rechtspopulistische Partei Rassemblement National, deren Spitzenkandidatin Marine Le Pen Macron in der Endrunde der Präsidentschaftswahl unterlegen war. Ihre Partei kommt auf 89 Sitze. Sie erhält damit einen Fraktionsstatus und wird drittstärkste Kraft im Parlament. Derzeit stellen die Rechtspopulisten lediglich sechs Abgeordnete. 

Parteichef Jordan Bardella sprach von einem "Tsunami" für seine Partei. "Das französische Volk hat Emmanuel Macron zu einem Minderheitspräsidenten gemacht", sagte er dem Sender TF1. Le Pen wird voraussichtlich Fraktionschefin werden. 

Marine Le Pen hat gut lachen: Ihre Partei Rassemblement National legte deutlich zuBild: DENIS CHARLET/AFP

Unterstützung durch das bürgerlich-konservative Lager?

Die bisher stärkste Oppositionskraft im Parlament und traditionelle Volkspartei der Republikaner plus deren Verbündete erhalten 61 Mandate, eine herbe Schlappe. Allerdings könnte die Regierung von Macron sich bei der Suche nach Unterstützung im Parlament nun möglicherweise verstärkt an die bürgerlich-konservativen Républicains halten. 

Von den 15 Regierungsmitgliedern, die persönlich bei der Wahl angetreten waren, verloren einige die Stichwahl und müssen ihren Kabinettsposten räumen, unter ihnen Umweltministerin Amélie de  Montchalin und Gesundheitsministerin Brigitte Bourguignon. 

Regierungschefin Elisabeth Borne verspricht nach der Wahl, man werde sich um eine handlungsfähige Mehrheit bemühen Bild: Ludovic Marin/AP Photo/picture alliance

Premierministerin Elisabeth Borne und Europaminister Clément Beaune hingegen setzten sich in ihren Wahlkreisen durch. Auch der mit Vergewaltigungsvorwürfen konfrontierte Solidaritätsminister Damien Abad gewann seinen Wahlkreis. Es wird damit gerechnet, dass Macron in Kürze das Kabinett umbildet.

Die Wahlbeteiligung lag mit 46 Prozent nur knapp über dem historischen Tiefstand von 2017 mit 43 Prozent.

Bei der Parlamentswahl ging es für Macron darum, seine Vorhaben auch in seiner zweiten Amtszeit umzusetzen. Dafür benötigt er eine solide Mehrheit im Parlament. Mit einer relativen Mehrheit sind der Präsident und die Regierung gezwungen, Verbündete in anderen Lagern zu suchen. Je nach Vorhaben werden sie sich auf Mitte-Links- oder Mitte-Rechts-Kräfte zu stützen versuchen. Die für Deutschland übliche Konstellation, dass eine Koalition zur Bildung einer stabilen Regierung ausgehandelt werden muss, hat es in Frankreich seit Jahrzehnten nicht gegeben.

Aufgaben gibt es genug

In Frankreich warten wichtige Projekte auf die Umsetzung: Angemahnt werden Verbesserungen im Bildungs- und Gesundheitswesen, viele Menschen hoffen angesichts der steigenden Preise auf Unterstützung der Regierung und viele wollen energischere Schritte in der Klimakrise. Außerdem will Macron eine umstrittene Rentenreform durchziehen, die Franzosen sollen länger arbeiten. Hier dürfte die Regierung allerdings heftigen Gegenwind bekommen. Denn das Macron-Lager will den Renteneintritt auf 65 Jahre anheben, das Links-Bündnis warb im Wahlkampf mit einer "Rente mit 60". 

Allerdings: Trotz nur noch relativer Mehrheit für das Macron-Lager werden Deutschland und Europa am Ende weiter mit einem verlässlichen Partner Frankreich rechnen können. Auch wird Frankreich im Ukraine-Konflikt zweifelsohne fester Bestandteil der geschlossenen Front des Westens gegen den Aggressor Russland bleiben. 

se/gri/haz (afp, dpa, rtr)