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Politik

Emmanuel Macron: Neustart für Frankreich oder Nebelkerze

Doris Pundy
7. April 2017

Emmanuel Macron legte mit seiner Bewegung "En Marche" einen Senkrechtstart hin. Jetzt hat er Chancen auf das Präsidentenamt. Doch Kritiker warnen, dass hinter dem Hype nicht viel steckt. Doris Pundy aus Marseille.

Macron-Fans bei Wahlkampfveranstaltung in Marseille
Bild: DW/D.Pundy

"Wir sind hier, um für Frankreich ein neues Kapitel aufzuschlagen", ruft Emmanuel Macron in die volle Messehalle im südfranzösischen Marseille. Die Menge jubelt, schwenkt französische und EU-Flaggen. "Wir sind hier, um den Front National zu schlagen", legt der Präsidentschaftskandidat nach. "Und wir werden es schaffen!" Die knapp 7.000 Besucher springen von ihren Stühlen auf und rufen "Macron - President!" Die Begeisterung scheint grenzenlos.

Für Wahlkämpfer Medjid Guefif (links) ist Emmanuel Macron der richtige KandidatBild: DW/D.Pundy

Einer von Emmanuel Macrons größten Fans in Marseille ist Madjid Guefif. Er ist im lokalen Wahlkampfkomitee des liberalen Kandidaten. Sobald sein Arbeitstag in einer Spedition vorbei ist, verteilt er Macrons Wahlprogramm auf der Straße. Nachts klebt er Wahlplakate. "Er hat in kurzer Zeit bewiesen, was er kann", sagt der Wahlkämpfer über Macrons Zeit als Wirtschaftsminister unter dem sozialistischen Präsidenten Francois Hollande.

Vom Wirtschaftsminister zum Hoffnungsträger

"Macron hat zum Beispiel die Sonntagsöffnung durchgesetzt. Und das will bei unseren Gewerkschaften etwas heißen", führt Guefif weiter aus. Zahlreiche weitere Reformideen seien am Widerstand innerhalb der sozialistischen Partei gescheitert. Auch deshalb gründete Emmanuel Macron vor genau einem Jahr, im April 2016, die Bewegung "En Marche".

Die schlechte Regierungsbilanz Hollandes und Skandale rund um den konservativen Kandidaten Francois Fillon verschaffen dem liberalen Präsidentschafts-Kandidaten jetzt großen Zulauf.

"Macron, halt uns nicht für Idioten! Denn wir sind keine Blödmänner!" Taxifahrer demonstrieren vor Emmanuel Macrons Wahlkampfveranstaltung in MarseilleBild: DW/D. Pundy

Doch nicht alle sind von Emmanuel Macron begeistert. Vor den Toren der Messehalle in Marseille haben sich Taxifahrer aus ganz Südfrankreich zu einem Protest versammelt. Sie blockieren mit ihren Autos die Zufahrt zum Veranstaltungsgelände. In seiner Zeit als Wirtschaftsminister liberalisierte Macron das Taxigewerbe und ermöglichte es dem Fahrtendienst "Uber", in Frankreich Fuß zu fassen. Wahlhelfer Guefif lässt die Kritik nicht gelten: "Die Liberalisierung des Verkehrs hat Arbeitsplätze geschaffen. Und das ist, was zählt."

Mobilisierung als Erfolgsfaktor

Madjid Guefif wohnt im berüchtigten Stadtteil Marseille-Nord. Hier reihen sich schmucklose Plattenbauten, so genannte Cités, aneinander. Dazwischen stehen heruntergekommene, kleine Landhäuser und Industrieruinen. Auch die Grundschule, an der Pascal Pons als Lehrer unterrichtet, befindet sich in dem Viertel. "Frankreich hat bereits ein großes Problem mit der Ungleichheit", sorgt sich der Grundschullehrer. "Bei uns gibt es eine starke Segregation. Ärmere und reichere Menschen leben in komplett getrennten Welten", erklärt Pons. Er befürchtet, mit Macrons liberaler Politik könne die Schere zwischen Arm und Reich weiter auseinander gehen.

Macrons liberale Politik könnte für Frankreichs Problemviertel weitere Nachteile bringen, sorgt sich Grundschullehrer Pascal PonsBild: DW/D.Pundy

Emmanuel Macrons Vorschlag, den Schulen mehr Autonomie zu geben, sieht Lehrer Pascal Pons kritisch. "Das führt doch nur dazu, dass qualifiziertere Lehrer in den besseren Vierteln anheuern und für weniger qualifizierte die Problemviertel übrig bleiben", beschwert sich Pons. "Was wir hier brauchen sind mehr Personal und mehr Mittel", fordert der Grundschullehrer. "Wenn einer von uns Lehrern einen Tag ausfällt, gibt es niemanden, der für ihn einspringen kann", so Pons. Macrons Wahlversprechen für die Bildung reichten da einfach nicht aus.

Umfragen geben Emmanuel Macron zur Zeit die besten Aussichten auf das Präsidentenamt. Sein Wahlsieg ist trotzdem noch nicht in trockenen Tüchern. "Marine Le Pen und ihr rechtspopulistischer Front National werden in Südfrankreich ein historisches Ergebnis erzielen", ist Wahlforscher Stéphane Wahnich überzeugt. "Allerdings gibt es auch viele Wähler, die von der Linken enttäuscht sind", so Politologe Wahnich weiter. "Und die könnten für Macron entscheidend sein."

Von Marseilles Nordbezirk kann man auf die historische Altstadt und den Hafen blickenBild: DW/D.Pundy

"Der Front National ist hier gar nicht so stark", beschwichtigt Wahlhelfer Madjid Guefif. "Die konnten bei den letzten Kommunalwahlen hier im Viertel zwar gewinnen. Das lag aber nur daran, dass hier außer den FN-Anhängern niemand wählen ging", erklärt er. Das möchte Guefif mit seinem Engagement bei den kommenden Präsidentschaftswahlen verhindern. "Viele Menschen haben die französische Politik mit all ihren Skandalen satt", so der Wahlkämpfer. Aber der liberale Macron sei einfach anders.

Hollandes langer Schatten

"Wir dürfen keine Angst mehr vor der Zukunft haben!" Emmanuel Macron will Frankreichs nächster Präsident werdenBild: DW/D.Pundy

Bei Emmanuel Macrons Wahlkampfveranstaltung erinnert nichts an seine Vergangenheit bei den Sozialisten. Fanartikel gibt es in weiß, gelb und rosa. Die Farbe rot sucht man vergeblich. Laute Tanzmusik bringt die Leute in Stimmung bevor der Präsidentschaftskandidat die Bühne betritt. Während er spricht, legt er immer wieder Pausen ein, um dem Applaus seiner Anhänger möglichst viel Raum zu geben.

"Sollte Emmanuel Macron tatsächlich Präsident werden, wird sich bei vielen schnell Enttäuschung breitmachen", sagt der Politologen Stéphane Wahnich. "Er verkauft sich wie jemand, der Wunder zustande bringt. Dabei war er zuerst Hollandes Vize-Generalsekretär und dann sein Wirtschaftsminister." Somit sei er für dessen Misserfolg und Unbeliebtheit mitverantwortlich.

Experten und Kritiker warnen, dass die Begeisterung rund um Emmanuel Macron schnell in Enttäuschung umschlagen könnteBild: DW/D.Pundy

"Emmanuel Macron wird da weitermachen, wo Hollande aufgehört hat", ist sich auch Grundschullehrer Pascal Pons sicher. "Bei den nächsten Präsidentschaftswahlen in fünf Jahren werden dann noch mehr Menschen von der Politik enttäuscht sein als heute und für den rechtspopulistischen Front National stimmen", befürchtet Pons. Macrons Anhänger stören diese düsteren Prognosen wenig. Gespannt lauschen sie seiner neunzigminütigen Rede voller Wahlkampfparolen aber ohne viel Inhalt. Am Ende der Rede schallt die französische Hymne durch den Saal. Tausende singen begeistert mit.

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