Besserer Schutz der Außengrenzen, ein neues Eurozonen-Budget und gemeinsame Asylpolitik: Kanzlerin Merkel und Frankreichs Präsident Macron demonstrieren bei ihrem Treffen Einigkeit - und Macron springt der Kanzlerin bei.
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Bundeskanzlerin Angela Merkel und Frankreichs Präsident Emmanuel Macron haben erneut für eine gemeinsame Lösung der EU-Staaten in der Asylpolitik geworben. Merkel betonte dabei die Bedeutung einer europäischen Lösung in der Asyl- und Migrationspolitik. "Unser Ziel bleibt eine europäische Antwort auf diese Herausforderung", sagte sie nach Beratungen mit dem französischen Präsidenten im brandenburgischen Meseberg.
Eine gemeinsame europäische Asylpolitik gestalte sich allerdings schwierig. Frankreich habe Deutschland Kooperation zugesagt, sagte Merkel. Die Kanzlerin sagte, Ziel sei es, den Schutz der EU-Außengrenzen zu verbessern. Dafür solle die Grenzschutzorganisation Frontex personell deutlich aufgestockt werden. Frontex müsse "massiv" personell verstärkt werden, so Merkel.
Besserer Schutz der EU-Außengrenzen
"Wir glauben an eine europäische Antwort auf die Herausforderungen, vor die uns die Migration stellt", sagte Macron. Er betonte, dass es ihm um alle 28 Mitgliedsstaaten gehe. Es brauche ein "effizientes System der Solidarität und Verantwortung", in dem die Flüchtlinge bei ihrer Ankunft auf europäischem Boden registriert würden und ein Asylverfahren begönne.
Im Zuge einer gemeinsamen Asylpolitik innerhalb der Europäischen Union müssten eine Sekundärmigration - die Weiterreise eines bereits in der EU registrierten Flüchtlings in ein anderes EU-Land - verhindert und zugleich die Asylstandards in den Ländern der EU angeglichen werden. Die Länder an den Außengrenzen Europas bräuchten eine besondere Unterstützung, betonte Merkel. Zuerst müsse die Politik die Ursachen von Migration beseitigen. Möglicherweise könne dies nur in Zusammenarbeit mit einigen Ländern der EU geschehen, sagte die Kanzlerin. An erster Stelle stehe aber, zu verhindern, dass Europa weiter gespalten werde.
Mehr Geschlossenheit
Auch Macron plädierte für mehr Souveränität und Geschlossenheit in Europa. Bisher ist zwar theoretisch der EU-Staat für die Registrierung und das Verfahren zuständig, in dem ein Flüchtling zuerst ankommt. In der Praxis funktioniert das Dublin-System aber oft nicht. Macron warb dafür, mehr mit den Herkunfts- und Transitländern zu sprechen, insbesondere mit Libyen, um Schleuserbanden das Handwerk zu legen. "Das humanitäre Risiko beginnt genau dann, wenn man die libysche Küste verlässt", sagte Macron. Das habe man bei Schiffsunglücken auf dem Mittelmeer allzu oft sehen müssen.
Aufschub der Regierungskrise
02:39
Merkel will bis zum EU-Gipfel Ende Juni Vereinbarungen mit anderen EU-Staaten treffen, damit dort schon registrierte Asylbewerber nach einer Abweisung an der deutschen Grenze zurückgenommen werden. Die CDU-Chefin steht innenpolitisch stark unter Druck durch ein De-facto-Ultimatum der CSU von Bundesinnenminister Horst Seehofer. In diesem Unions-internen Asylstreit sicherte Macron Merkel seine Unterstützung zu. Deutschland und Frankreich versicherten sich gegenseitig, dass bereits in der EU registrierte Flüchtlinge so schnell wie möglich in das Land zurückgeschickt werden können, in dem sie erstmals erfasst worden seien, sagte Macron
sam/pg (afp, dpa, rtr)
Gehen Merkel und Seehofer getrennte Wege?
In der Asyl- und Flüchtlingspolitik streiten sie seit Jahren: Zwischen Bundeskanzlerin Merkel (CDU) und Bundesinnenminister Seehofer (CSU) ist es erneut zum offenen Machtkampf gekommen. Geschichte einer Eskalation.
Bild: picture-alliance/AP Photo/S. Hoppe
Eine Watsche für Merkel
Auf dem CSU-Parteitag im November 2015 kommt es erstmals zum Affront. Nachdem Bundeskanzlerin Angela Merkel vor den Delegierten ihre Ablehnung einer Obergrenze von Flüchtlingen bekräftigt hat, entert Horst Seehofer die Bühne. Unter großem Beifall hält Seehofer Merkel eine Standpauke, in der er eine Begrenzung fordert. Dreizehn Minuten muss die Bundeskanzlerin wie ein Schulmädchen neben ihn stehen.
Bild: picture-alliance/AP Photo/S. Hoppe
Der Zauber des Anfangs
Es gab tatsächlich eine Phase der Harmonie: Im Dezember 2013 - vor der Flüchtlingskrise - ist die Welt noch in Ordnung. Die Parteivorsitzenden Sigmar Gabriel (SPD), Angela Merkel (CDU) und Horst Seehofer (CSU) halten den unterzeichneten Koalitionsvertrag der neuen Großen Koalition in den Händen. Zum dritten Mal wird Deutschland künftig von einer Koalition von CDU/CSU und SPD regiert.
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"Wir schaffen das"
Ende August 2015: Auf der Bundespressekonferenz erläutert Merkel den Satz, der wie kein anderer ihre Kanzlerschaft prägt: "Wir schaffen das" - Dies sei anspornend und anerkennend gemeint gewesen, sagt sie vor den Journalisten. Dass Seehofer dies ganz anders sieht, ist kein Geheimnis. Bald wird dieser seine eigenen Pläne vorstellen.
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Bayerns Löwe gibt sich kampfbereit
Auf der CSU-Klausur in Wildbad-Kreuth im Januar 2016 fordert Seehofer erstmals eine Begrenzung der Zuwanderung. Maximal 200.000 Flüchtlinge könne Deutschland jährlich aufnehmen. Der Vorstoß des damaligen bayerischen Ministerpräsidenten überrascht Merkel. Wenig später droht die bayerische Landesregierung, Klage vor dem Bundesverfassungsgericht gegen die Flüchtlingspolitik einzureichen.
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Anstoßen auf eine gemeinsame Zukunft?
Misstrauisch beobachten sich Merkel und Seehofer. Trotz aller Unstimmigkeiten wissen sie um ihre gegenseitige Abhängigkeit und nähern sich mühsam wieder einander an. Im Mai 2017 machen sie gemeinsam Wahlkampf in einem bayerischen Bierzelt. Allerdings wirkt Merkel alles andere als überzeugt von der Aktion.
Bild: picture-alliance/dpa/S. Hoppe
Gespielte Harmonie
Vom Bierzelt in die Kongresshalle: Im Dezember 2017 bietet sich beim CSU-Parteitag ein ganz anderes Bild als bei dem Eklat von 2015. Seehofer und Merkel strahlen sich um die Wette an. Der Zoff um die Flüchtlinge scheint wie weggewischt. Warum? Es ist Wahlkampf! Doch hinter der Fassade brodelt es bereits.
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Auf dem Weg zu Koalitionsgesprächen
Die Bilder der Harmonie haben sich ausgezahlt. Merkel und Seehofer bereiten sich Ende Oktober 2017 nach dem Sieg bei der Bundestagswahl auf die Koalitionsgespräche vor. Wie ein Team wirken sie bei ihrem Auftritt in der Berliner CDU-Parteizentrale aber nicht. Kein Wunder. Diskutiert wurde vor allem die Flüchtlingspolitik der Union auch hinsichtlich einer möglichen Obergrenze.
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Neue Regierung, neue Chance
Da stehen sie wieder. Merkel und Seehofer bei der Amtseinführung. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier ernennt im Schloss Bellevue die Minister des neuen Bundeskabinetts. Für die beiden Kontrahenten von den Schwesterparteien CDU und CSU gibt es damit die Chance für einen Neuanfang.
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Er stichelt, sie schweigt
Hier lässt einer nicht locker. Als neuer Bundesinnenminister ist Seehofer von München nach Berlin gezogen. Sein Amt als bayerischer Ministerpräsident hat Markus Söder übernommen. Dafür stichelt Seehofer nun in der Hauptstadt gegen die Politik Merkels, wenn auch verhaltener als früher. Vor allem um die geplante Neuregelung des Familiennachzugs für Flüchtlinge deutet sich neuer Streit an.
Bild: picture-alliance/dpa/B. von Jutrczenka
Merkels Widersacher
Ausgebremst: Seehofer verschiebt die Vorstellung seines "Masterplan Migration" wegen Kontroversen mit der Bundeskanzlerin. Während Merkel zum Integrations-Gipfel einlädt, trifft er den österreichischen Bundeskanzler Sebastian Kurz, dem er sich politisch nah fühlt. Ein erneuter Affront gegen die Kanzlerin. Am Donnerstag der bisherige Höhepunkt im "Ehestreit": Die Unions-Fraktionen tagen getrennt.