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Politik

Macron und Putin: Dialog mit harter Hand

Nicolas Tenzer
30. Mai 2017

Mit dem Besuch Wladimir Putins in Versailles hat der neue französische Präsident Emmanuel Macron seinen ersten diplomatischen Test bestanden. Dabei ging er weiter als alle seine Vorgänger.

Frankreich Besuch des russischen Präsidenten Putin
Bild: Getty Images/AFP/P. Wojazer

Im Gegensatz zu seiner Gegnerin, der Rechtspopulistin Marine Le Pen, forderte Emmanuel Macron schon im Wahlkampf kompromisslos, die Sanktionen gegen Russland aufrechtzuerhalten. In seinem Programm bezeichnete er Russland offen als eine Bedrohung für Europa und seine Sicherheit.

Einige fragten sich nun, wie sinnvoll es sei, dass Macron Putin so früh nach seinem Amtsantritt in Versailles empfing. Der Realismus, den Macron bei den Beziehungen zu Russland an den Tag legte, hatte auf Manche auch eine irritierende Wirkung. Das Aufeinandertreffen hat gezeigt: Die Sorgen waren nicht berechtigt. Emmanuel Macron ist keine Kompromisse eingegangen. Die Wiederaufnahme des Dialogs mit Moskau, der auch unter der Vorgängerregierung von François Hollande nie ganz zum Erliegen gekommen war, verlief ganz genau nach Plan des Elysée-Palastes: Macron gab den Ton an, Putin wirkte wie ein Mitläufer.

Keine unverhandelbaren Dinge verhandeln

Macron wiederholte in Anwesenheit des russischen Präsidenten seine Kritik an Russland und zeigte, dass man auch entschlossen mit Russland umgehen kann. Er verurteilte die Desinformation durch Propagandamedien wie Russia Today und Sputnik, die ihn während des Wahlkampfes verleumdet und beleidigt hatten. Gleichzeitig setzte er sich für die Menschenrechte in Russland ein. Er verurteilte die Situation von Homosexuellen in Tschetschenien und kündigte Wachsamkeit an, was die Unterdrückung von NGOs auf russischem Territorium angeht.

Das zeigt: So notwendig ein Dialog mit Russland auch sein mag, man darf nicht anfangen, über unverhandelbare Dinge zu verhandeln. Um zu verstehen, wie Emmanuel Macron mit der russischen Destabilisierung der Ukraine umgehen wird, muss man drei implizite Leitlinien beachten:

1. Die Beziehung zu Deutschland: Frankreich und Deutschland sind die Gründer des Normandie-Formates, in denen die Minsker Abkommen verhandelt wurden. Genauso wichtig ist die Entschlossenheit von Merkel und Macron, die Beziehungen zwischen beiden Ländern zu vertiefen. Beide können nun in die Rolle des "Anführers der freien Welt" schlüpfen, nachdem US-Präsident Trump dafür ausfällt. Für diese Rolle ist die Ukraine eine Herausforderung erster Güte.

2. Die Einigkeit Europas: Macron weiß, dass sich die Europäer beim Thema Ukraine nicht auseinander dividieren lassen dürfen, vor allem beim Thema Sanktionen, sonst hätte Putin gewonnen. Es ist kein Zufall, dass der G7-Gipfel in Taormina die Notwendigkeit dieser Sanktionen bestätigt hat. Sogar die Androhung einer möglichen Verschärfung der Sanktionen war in der Abschlusserklärung zu finden.

3. Internationales Recht: Es schließt aus, die Invasion im Donbass in der Ost-Ukraine und die Annexion der Krim zu akzeptieren.

Händedruck mit Druck: Emmanuel Macron und Wladimir PutinBild: picture alliance/dpa/AP Pool/A. Zemlianichenko

In diesem Rahmen ist es möglich, den Dialog mit Russland wieder aufzunehmen. Auch wenn Macron diplomatische Fähigkeiten bewies und bestätigte, dass sowohl die Ukraine als auch Russland jeweils ihren Teil der Minsker Beschlüsse erfüllen müssen, ließ er keinen Zweifel, wen er für den Hauptverantwortlichen für die Nichterfüllung des Minsker Abkommen hält: Moskau.

Macron geht weiter als alle anderen Präsidenten

Strategisch ist dieser Dialog mit harter Hand kein Bruch mit der Präsidentschaft Hollandes, aber Macron gibt sich selbst damit die Möglichkeit, fordernd aufzutreten. So kann er es schaffen, die Grenzen Russlands auszuloten und die nötige Härte zu demonstrieren, ohne die Notwendigkeit langfristiger Kooperation in Frage zu stellen. Die Pläne Macrons, die europäische Verteidigung zusammen mit Deutschland zu stärken und Frankreich innerhalb der NATO neu zu positionieren, zeigen, wie bewusst ihm die russische Gefahr ist und wie groß seine Entschlossenheit, ihr etwas entgegen zu setzen.

Er zwingt Putin zu wählen: entweder seine Position zu verändern oder die Konsequenzen zu tragen. Trotz eines Lächeln auf den Lippen und dem ehrlichen Willen zum Dialog ist Macron damit weiter gegangen als jeder französische Präsident vor ihm. In vielerlei Hinsicht erinnert er damit an die Entschiedenheit de Gaulles während der Berlin-Krise oder Francois Mitterrands auf dem Höhepunkt des Kalten Krieges.

Emmanuel Macron hat gezeigt, dass er Werte und Realismus verbinden kann, ganz ohne den Fatalismus, auf den ihn manche reduzieren wollen. Eine Herausforderung schleuderte er Putin auch noch entgegen: "Sind Sie bereit, sich zu ändern und nach vorne zu schauen?", fragte der junge Präsident. Wenn Putin mitmacht, hat Macron gewonnen. Wenn nicht, könnte Macron zumindest klar aufzeigen, dass Putin nicht mehr in der Lage ist, die Regeln einer friedlichen Weltordnung zu akzeptieren. Die Wahrheit wird schon bald ans Licht kommen.

Ein Gastbeitrag von Nicolas Tenzer, Vorsitzender des Think Tanks "Centre d’étude et de réflexion pour l’action politique (CERAP)".

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