Nach antisemitischen Vorfällen in Frankreich hat Präsident Emmanuel Macron ein härteres Vorgehen gegen Judenhass zugesagt. Künftig wird auch geahndet, wenn Israel das Existenzrecht abgesprochen wird.
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Macron kündigte beim Jahresempfang des jüdischen Dachverbands Crif die Auflösung rassistischer und antisemitischer Gruppierungen an. Frankreich brauche "neue rote Linien", sagte Macron. Das Innenministerium soll nun als erstes die rechtsextremen Gruppen "Bastion sociale", "Blood and Honour Hexagone" und "Combat 18" auflösen. Macron warf ihnen vor, Hass zu schüren, Diskriminierung zu befördern und zu Gewalt aufzurufen.
Außerdem kündigte der Präsident ein Gesetz gegen Hass im Internet an. Macron lobte in dieser Sache das Vorgehen in Deutschland, wo ein entsprechendes Gesetz bereits in Kraft ist, als effizient und pragmatisch. Das deutsche Gesetz schreibt vor, dass Plattformen klar strafbare Inhalte 24 Stunden nach einem Hinweis darauf löschen müssen und in weniger eindeutigen Fällen eine Woche Zeit haben. Unter bestimmten Bedingungen drohen Millionenstrafen.
Antisemitismus in Frankreich: "Es reicht"
Tausende Franzosen gingen in Paris auf die Straße, um gegen Antisemitismus zu protestieren. Denn die Zahl judenfeindlicher Vorfälle stieg im vergangenen Jahr sprunghaft an. Auch die Politik hat das Problem erkannt.
Bild: Getty Images/AFP/T. Samson
Frankreich zeigt Flagge
Unter dem Motto "Es reicht" protestierten tausende Menschen am Dienstagabend in ganz Frankreich gegen Antisemitismus. In Paris versammelten sich die Demonstranten auf dem Place de la République. "Nein zur Banalisierung des Hasses" stand auf ihren Plakaten. Zur Kundgebung in Paris hatten 18 Parteien gemeinsam aufgerufen. Als höchster Regierungsvertreter nahm Premierminister Edouard Philippe teil.
Bild: Getty Images/AFP/T. Samson
"Gemeinsam gegen Antisemitismus"
In Frankreich war die Zahl der antisemitischen Strafzahlen 2018 gegenüber dem Vorjahr um 74 Prozent angestiegen. Frankreichs Ex-Präsident Francois Hollande sagte bei seiner Ankunft auf dem Place de la République, "der Antisemitismus ist eine Geißel, er ist ein Angriff auf die Republik". Dabei handele es sich "nicht um eine Angelegenheit der Juden", sondern um "eine Angelegenheit ganz Frankreichs".
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"Nationale Frage"
Französische Muslime haben sich den Demonstrationen gegen Antisemitismus angeschlossen. "Die Regierung muss mehr dagegen tun," sagt Rabbi Michel Serfaty, Vorsitzender des nationalen jüdisch-muslimischen Freundschaftsverbandes. "Der Kampf gegen Antisemitismus kann nicht nur den Bürgern und den Gemeinden überlassen werden. Er muss zur nationalen Frage erhoben werden."
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Gräberschändung auf jüdischem Friedhof
Präsident Emmanuel Macron hat mittlerweile reagiert: Er kündigte bei einem Besuch im elsässischen Quatzenheim neue Gesetze an. Auf dem dortigen jüdischen Friedhof hatten Unbekannte rund hundert Gräber geschändet. Grabsteine wurden mit Hakenkreuzen beschmiert. Macron hat nun ein entschlosseneres Vorgehen gegen den Antisemitismus zugesagt: "Wir werden Maßnahmen ergreifen (...) und bestrafen."
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"Kommt nach Hause"
Nach seiner Rückkehr aus dem Elsass besuchte Macron zusammen mit den Vorsitzenden der beiden Parlamentskammern das Holocaustmahnmal in Paris und legte einen Kranz nieder. Auch aus Israel gibt es Reaktionen: Der israelische Einwanderungsminister Joav Gallant rief auf: "Ich verurteile aufs Schärfste den Antisemitismus in Frankreich und rufe die Juden auf: Kommt nach Hause, emigriert nach Israel."
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"Du dreckiger Zionist!"
Am Wochenende zuvor war der jüdische Philosoph Alain Finkielkraut am Rande einer "Gelbwesten"-Demonstration beleidigt worden. Die französische Polizei hat nun einen Verdächtigen festgenommen. Nach Angaben der Ermittler wurde er mit Hilfe von Videos identifiziert, die den Übergriff zeigen. Danach beschimpfte er Finkielkraut unter anderem als "dreckiger Zionist".
Bild: Reuters/B. Tessier
Schießerei vor einer jüdischen Schule
In regelmäßigen Abständen wird Frankreich seit vielen Jahren von antisemitischen Vorfällen erschüttert. Einer davon im März 2012: Ein blutiger Anschlag auf eine jüdischen Schule in Toulouse. Dabei sind insgesamt vier Menschen ums Leben gekommen. Darunter drei Kinder. Der Täter feuerte den Augenzeugen zufolge vor der jüdischen Schule Ozar Hatora auf eine Gruppe von Kindern und Eltern.
Bild: AP
Entführt und gefoltert
Schon vor 13 Jahren sorgte ein antisemitisches Gewaltverbrechen für einen Aufschrei der Empörung in Frankreich: Ilan Halimi, ein Jude marokkanischer Herkunft, wurde im Januar 2006 von einer Gruppe muslimischer Einwanderer entführt und drei Wochen lang zu Tode gefoltert. Bis heute legen Mitglieder der jüdischen Gemeinde an seiner Gedenkstätte regelmäßig Blumen nieder und zünden Kerzen an.
Bild: DW/Elizabeth Bryant
Anschlag auf "Charlie Hebdo"
Islamisten hatten am 7. Januar 2015 die Redaktion von „Charlie Hebdo“ gestürmt und das Feuer eröffnet. Ein Komplize der beiden Attentäter erschoss zwei Tage nach der Attacke bei einer Geiselnahme in einem jüdischen Supermarkt vier Menschen. Die Anschläge mit insgesamt 17 Toten hatten weltweit für Entsetzen gesorgt. Unter dem Motto „Je suis Charlie“ folgte eine internationale Welle der Solidarität.
Bild: AFP/Getty Images/T. Samson
Brand in koscherem Lebensmittelladen
2018- Am dritten Jahrestag des "Charlie Hebdo"- Anschlags ging ein Supermarkt für koschere Lebensmittel im Einkaufszentrum von Créteil in Flammen auf. Im gleichen Monat überfielen Jugendliche einen achtjährigen Jungen mit Kippa in der Pariser Vorstadt Sarcelles.
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Holocaust-Überlebende ermordet
Die 85-jährige Jüdin Mireille Knoll war laut einer Mitteilung des jüdischen Dachverbands CRIF im März 2018 tot in ihrer verbrannten Wohnung in Paris aufgefunden worden. Laut einem Bericht der Zeitung "Le Parisien" waren an der Leiche des Opfers Spuren von Messerstichen gefunden worden. Bereits ein Jahr zuvor war - ebenfalls in Paris - eine 65-jährige jüdische pensionierte Lehrerin ermordet worden.
Bild: Getty Images/AFP/F. Guiollot
Schmierereien am Schaufenster
In diesem Monat sprayten Randalierer das Wort "Juden" auf das Schaufenster einer jüdischen Bäckerei in Paris. In Frankreich lebt mit rund 500.000 Menschen die drittgrößte jüdische Gemeinde der Welt - nach Israel und den USA. Rund 95 Prozent der französischen Juden bezeichneten den Antisemitismus im Land als "großes" oder "sehr großes Problem".
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Die Zahl antisemitischer Übergriffe in Frankreich war im vergangenen Jahr um 74 Prozent gestiegen. Am Samstag wurde der Philosoph Alain Finkielkraut am Rande einer "Gelbwesten"-Demonstration in Paris antisemitisch beleidigt. Unter dem Motto "Es reicht" ("Ça suffit!") demonstrierten daraufhin am Dienstagabend tausende Franzosen gegen Antisemitismus. An den Kundgebungen in Paris und anderen Städten beteiligten sich auch zahlreiche Regierungsvertreter und Politiker aller Parteien außer den Rechtspopulisten.
Bei dem Empfang am Abend teilte Macron auch mit, die französische Regierung werde ihre Antisemitismus-Definition künftig um den Antizionismus ergänzen. Damit werde Frankreich der Definition der Internationalen Allianz zum Holocaustgedenken folgen.
Unter Zionismus - historisch gesehen eine Bewegung, die einen jüdischen Nationalstaat schaffen wollte - versteht man heute die Bemühungen, den Staat Israel zu fördern. Der Antizionismus spricht Israel dagegen das Existenzrecht ab. Macron zufolge ist dies "eine der modernen Formen des Antisemitismus". Die Ausweitung der Definition werde Polizisten, Richtern und Lehrern bei ihrer Arbeit helfen. Das Strafgesetzbuch müsse dafür aber nicht geändert werden.
Der Staatspräsident misst dem Thema eine große Tragweite bei, wie er in seiner Rede betonte: "Antisemitismus ist nicht das Problem der Juden, er ist das Problem der Republik."